So brutal kannst du auf die Schnauze fliegen

Betrunken auf dem Velo: Fahrausweis adé, dafür Ärger mit der Versicherung

Wird oft auf die leichte Schulter genommen: Alkoholkonsum beim Velofahren kann schwerwiegende strafrechtliche Folgen haben. (Bild: Adobe Stock)

Feierabenddrink, Happyhour an der Strandbar oder einfach auf eine kleine Proseccotour. Die Verlockung, angesäuselt noch aufs Velo zu steigen, ist im Sommer besonders gross. Die möglichen Strafen dafür sind jedoch ebenso happig.

Wer sich betrunken hinter das Steuer eines Autos setzt, darf heutzutage kaum mehr mit Sympathien rechnen. Im Gegensatz dazu wird betrunkenes Velofahren immer noch als eine Art Kavaliersdelikt wahrgenommen. Die potenziellen Strafen und Massnahmen, die drohen, wenn die berauschte Velofahrt in einer Polizeikontrolle oder einem Unfall endet, sind in der öffentlichen Wahrnehmung entsprechend kaum wirklich präsent.

Gemäss der in Luzern angesiedelten Suva zählen die Schweizer Versicherer jährlich rund 21’000 Velounfälle. Tendenz steigend. Bei rund 6,5 Prozent der polizeilich erfassten Velounfälle ist Alkohol im Spiel. Diese Selbst- und Fremdgefährdung könne in schweren Fällen neben einer Busse, einem Führerscheinentzug auch versicherungstechnisch als Grobfahrlässigkeit eingestuft werden und zu Leistungskürzungen führen, heisst es in einem bericht der Suva. Die zuständigen Luzerner Behörden bestätigen dies.

Unfälle haben 2020 zugenommen

«Besonders nachts und am Wochenende kommt es im Zusammenhang mit Alkohol vermehrt zu Unfällen mit dem Velo», wird Erwin Gräni, Chef Prävention der Luzerner Polizei, im Bericht der Suva zitiert. Aufgrund des anhaltenden Velobooms nahm im vergangenen Jahr die Zahl der getöteten und schwerverletzten Velofahrer generell schon deutlich zu. In Luzern registrierte die Suva 1200 Unfälle mit Velos (zentralplus berichtete).

Selbstredend endet nicht jede blaue Velofahrt in einem Unfall. Muss sie auch nicht. Wer von der Polizei kontrolliert wird und die gesetzlich erlaubten 0,5 Promille überschreitet, droht auch so ein böses Erwachen.

«Gleichbehandlung» bei der Atemalkoholprobe

Zur Erinnerung: Seit 2016 wird Angetrunkenheit nicht mehr mit einer Blutprobe, sondern mit einer Atemalkoholprobe überprüft. Das gilt sowohl für Autofahrerinnen wie auch Velofahrer. Die Grenze zur Fahruntüchtigkeit liegt bei 0,25 Milligramm Alkohol pro Liter Atemluft, was dem Grenzwert von 0,5 Promille entspricht. Die Polizei darf jederzeit Atemalkoholkontrollen durchführen, selbst wenn kein konkreter Verdacht vorliegt.

Womit man bei der Alkoholkontrolle als Auto- oder Velofahrer rechnen muss, hat das Vergleichsportal Comparis kürzlich zusammengefasst:

  • Bei Werten unter 0,5 Promille darf der Fahrzeuglenkende weiterfahren. Achtung: Das gilt nicht für Personen, die dem Alkoholverbot unterstehen, wie etwa Neulenker.
  • Werte zwischen 0,5 und 0,79 Promille kann der Getestete mit Unterschrift anerkennen.
  • Liegt der Wert bei mehr als 0,8 Promille, führt die Polizei eine zusätzliche Atemalkoholprobe durch.

Folgende Strafen und Massnahmen sieht das Gesetz demnach vor:

  • 0,5 bis 0,79 Promille: Sofern keine weiteren Verkehrsregeln missachtet wurden, liegt eine sogenannte «leichte Widerhandlung» vor. Gebüsst wird mit einer hohen Geldbusse und Verwarnung. Wem in den zurückliegenden zwei Jahren bereits eine sogenannte Administrativmassnahme wie Führerausweisentzug auferlegt wurde, dem wird der Führerausweis für mindestens einen Monat entzogen.
  • Ab 0,8 Promille: Hierbei handelt es sich um «Fahren in angetrunkenem Zustand», also um eine «schwere Widerhandlung». Bestraft werden Sie mit einer hohen Geldbusse oder Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren. Der Führerausweis wird Ihnen für mindestens drei Monate entzogen.
  • Wiederholtes Fahren unter Alkoholeinfluss: Der Führerausweis wird je nach Schwere des Vorfalls deutlich länger oder sogar unbefristet entzogen.

Ab 100 Franken geht es steil aufwärts

Was genau heisst dass nun für sündige Velofahrer in Luzern? Einblick gibt die Sammlung der Strafmassempfehlungen der Luzerner Staatsanwaltschaft. Gemäss den Empfehlungen müssen alkoholisierte Velofahrer ab 0,5 Promille mit einer Busse von mindestens 100 Franken rechnen. Ab 2 Promille liegt die empfohlene Busse bereits bei mindestens 500 Franken.

Das Strafmass kann sich anhand mehrer Faktoren zudem noch wesentlich erhöhen. Etwa wenn ein Unfall verursacht wird oder die Fahrweise andere Verkehrsteilnehmer gefährdet. Zusammen mit den Verfahrenskosten kann die schnell sehr tief ins Geld gehen.

Übrigens: Auch wer seinem angetrunkenen Kumpel das Velo zur Heimfahrt anbietet, kann dafür belangt werden: «Überlassen des Fahrzeuges an eine nicht fahrfähige Person» lautet in diesem Fall der Tatbestand. Im Falle eines Velos kann dies mit einer Busse von 100 Franken geahndet werden.

Fahrausweisentzug bei Suchtproblematik

Ein weiterer Aspekt, der nur wenigen bewusst ist: Eine Verkehrsregelverletzung zieht grundsätzlich zwei Verfahren nach sich. Nebst der Staatsanwaltschaft wird auch das Strassenverkehrsamt aktiv. Dieses entscheidet in der Folge über eine mögliche Administrativmassnahme. Eine solche Massnahme kann von einer Verwarnung bis hin zum Führerausweisentzug reichen – Letzteres eben auch, wenn man mit betrunken dem Velo unterwegs war.

Der Führerausweisentzug kann je nach Schwere der Widerhandlung – und sofern man nicht vorbelastet ist – zwischen einem Monat und drei Monaten variieren. Bei Vorbelastungen kann der Entzug aber wesentlich länger ausfallen – auch der Entzug des Führerscheins für immer ist möglich.

«Ab einem gewissen Alkoholisierungsgrad muss man davon ausgehen, dass eine Suchtmittelproblematik vorliegt.»

Franz Steinberger, Bereichsleiter Administrativmassnahmen beim Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern

Aber weshalb eigentlich? Warum sollte betrunkenes Velofahren mit dem Entzug des Autoführerscheins bestraft werden? «Ab einem gewissen Alkoholisierungsgrad muss man davon ausgehen, dass eine Suchtmittelproblematik vorliegt», erklärt Franz Steinberger, Bereichsleiter Administrativmassnahmen beim Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern. «Ab einem Wert von 2,5 Promille mit dem Fahrrad leiten wir eine Fahreignungsabklärung bei einem Verkehrsmediziner ein. Ein Führerausweisentzug kann aufgrund eines negativen Fahreignungsgutachtens die Folge davon sein.»

Ab einem Wert von 0,8 Promille kann ein einmonatiges Fahrverbot für Fahrräder ausgesprochen werden. Bei schnellen E-Bikes (über 25 km/h, Kategorie M) gibt es einen Führerausweisentzug der Spezialkategorien von mindestens drei Monaten und eine Fahreignungsabklärung ist von Gesetzes wegen ab 1,6 Promille durchzuführen. Die Festsetzung der Dauer einer Administrativmassnahme wird allerdings in jedem Einzelfall geprüft. Die Gefährdung der Verkehrssicherheit und das Ausmass des Verschuldens sind bei der Festsetzung der Massnahme wichtige Faktoren.

E-Bike-Fahrern können übrigens die gleichen und teilweise noch härtere Strafen drohen, wie du hier lesen kannst:

Kein Licht: Leistungskürzungen drohen

Wer mit mehr als 0,5 Promille im Blut einen Velounfall baut, handelt auch in den Augen der Versicherer grobfahrlässig und muss deshalb mit Leistungskürzungen rechnen. Gemäss der Unfallstatistik der Suva kommt es jährlich bei rund zwei Dutzend Velounfällen unter Alkoholeinfluss zu Leistungskürzungen.

Kürzungen von bis zu 30 Prozent bei den Taggeldleistungen seien möglich, schreibt die Suva. Keine Kürzungen gibt es bei den Heilungskosten. Auch Velounfälle unter Drogeneinfluss, bei Missachten von Licht- und Stoppsignalen, bei bewusstem Fahren auf der Gegenfahrbahn gelten als grobfahrlässig und können entsprechend zu Leistungskürzungen führen. Ebenso das Velofahren ohne Licht bei Dunkelheit.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Michael
    Michael, 30.06.2021, 09:32 Uhr

    Gefährlich an dieser Handhabung ist die Idee, dass man ja genau so gut betrunken Autofahren kann, die Strafen bleiben ja gleich. Wenn ich wählen müsste hätte ich lieber 100 betrunkene Velofahren als 100 betrunkene Autofahrer unterwegs. Das mag die SUVA anders sehen…

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    • Profilfoto von Scheidegger
      Scheidegger, 30.06.2021, 14:44 Uhr

      Der Tatbestand der Grobfahrlässigkeit ist in beiden Fällen gegeben. Die spannende Frage lautet, welcher Tatbestand nun grobfahrlässiger ist.

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    • Profilfoto von Mike Martin
      Mike Martin, 30.06.2021, 15:37 Uhr

      Wenn das so ist, dann kann ich ja wieder mit dem Auto nach Hause schlingern…dann Fall ich bestimmt nicht um.

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