Müssen der Luzerner Polizeikommandant Adi Achermann und Kripochef Daniel Bussmann ihre Sessel räumen? Den beiden Polizeikadern werden wegen eines umstrittenen Einsatzes anfangs März in Malters gröbere Verfehlungen vorgeworfen. Nun liegt die Empfehlung eines externen Experten vor – doch die Öffentlichkeit wird erst in einem Monat informiert.
Die Untersuchung gegen die beiden Luzerner Polizisten wird vom Aargauer Staatsanwalt Christoph Rüedi geführt und dauert noch bis mindestens Ende Jahr. Es gilt die Unschuldsvermutung. Parallel dazu hat die Luzerner Regierung den ehemaligen Zuger Regierungsrat Hanspeter Uster als externen Experten beauftragt zu prüfen, ob gegen Achermann und Bussmann personalrechtliche Massnahmen ergriffen werden müssen. Möglich wären eine Dispensierung oder eine Einschränkung der Fronteinsätze.
Beschuldigte können Stellung nehmen
Usters Empfehlungen liegen nun Regierungsrat Paul Winiker vor. Das bestätigt Erwin Rast, Sprecher des Justiz- und Sicherheitsdepartements auf Anfrage von zentralplus. Über den Inhalt will sich Rast nicht äussern. Denn zuerst wird den beiden Kaderleuten in zwei Schritte das rechtliche Gehör gewährt. Den Parteien wird in der Regel bei jedem der beiden Schritte eine Frist von 14 Tagen gewährt. Zudem müssen die Stellungnahmen jeweils verarbeitet werden. Der ganze Prozess wird somit wohl mindestens einen Monat dauern. Rast sagt: «Erst wenn ein endgültiger Entscheid den Betroffenen zugestellt ist, wird das Justiz- und Sicherheitsdepartement die Öffentlichkeit über allfällige vorsorgliche Massnahmen informieren.»
Polizei stürmte Wohnung – trotz Warnung
Anfangs März belagerte die Polizei in Malters die Wohnung eines Drogenhändlers, der tags zuvor von der Zürcher Polizei verhaftet worden war. Doch in der Wohnung, die als Hanfanlage diente, hatte sich die Mutter des Dealers mit einer Waffe verschanzt. Nach 17 Stunden stürmte die Polizei die Wohnung, obschon ein Polizeipsychologe gewarnt hatte, dass sich die psychisch kranke Frau dann umbringen könnte. Was dann tragischerweise auch eintraf (hier können Sie alles nachlesen).
Schwerwiegende Anschuldigungen
Ein Beitrag in der «Rundschau» von SRF von vergangenem Mittwoch machte auf zwei wesentliche, für die beiden Polizisten möglicherweise verhängnisvolle Punkte aufmerksam. Zum einen habe Achermann nach dem Einsatz der Öffentlichkeit nicht nur verschwiegen, dass der Polizeipsychologe mehrmals explizit vor einem Zugriff gewarnt habe. Er habe sogar impliziert, dass dieser damit einverstanden war.
Zum anderen habe Achermann die Begründung für den Zugriff falsch dargestellt. Nämlich so, dass die Polizei aufgrund zweier Schüsse der Frau habe intervenieren müssen. Dabei sind die Schüsse offenbar erst nach dem gewaltsamen Eindringen der Eliteeinheit Luchs in die Wohnung erfolgt. Es waren die Schüsse, mit denen die ins Badezimmer geflüchtete Frau zuerst ihre Katze und dann sich selbst erschoss.
Anzeige wegen fahrlässiger Tötung
Diese schweren Anschuldigungen basieren auf den Unterlagen der mit der Untersuchung beauftragten Aargauer Staatsanwaltschaft, in welche die «Rundschau» Einblick hatte. Die Verfehlungen werden in der Sendung allesamt belegt, zudem sind sich auch zwei Experten einig, dass nicht alles mit rechten Dingen zuging. Es gibt zudem noch weitere Kritikpunkte am Vorgehen der Polizei. Etwa, warum diese die Frau nicht habe mit ihrem Sohn telefonieren lassen, was die Lage möglicherweise entspannt hätte.
Für den Anwalt des (inhaftierten) Sohnes der verstorbenen 65-Jährigen, der die beiden Polizeikaderleute wegen fahrlässiger Tötung und Amtsmissbrauch angezeigt hat, ist klar: Die Polizei hat erstens falsch gehandelt und damit den Suizid der Frau zu verantworten. Und zweitens hat sie die Öffentlichkeit belogen, um ihr Vorgehen zu rechtfertigen.
Zwei tüchtige Vorgesetzte auf Anklagebank
Die ganze Angelegenheit ist äusserst heikel. Denn sowohl Achermann als auch Bussmann gelten als tüchtige und zuverlässige Vorgesetzte, die sich bislang – so weit bekannt – tadellos verhalten haben. Weil die offizielle Untersuchung noch läuft und nicht alle Befragungen abgeschlossen sind, könnten noch immer neue Erkenntnisse ans Tageslicht kommen, welche die beiden Polizisten entlasten könnten. Allerdings sind die bislang bekannten Beweise derart belastend, dass für viele Beobachter personalrechtliche Konsequenzen für Achermann und Bussmann wohl unausweichlich sind.
Spannend wird auch zu erfahren sein, welche Rolle der zuständige Regierungsrat Paul Winiker in der Angelegenheit hat. Der Vorsteher des Justiz- und Sicherheitsdepartements sagte 20 Tage nach dem Vorfall in einem Interview mit zentralplus: «Beim Einsatz ist nichts schiefgelaufen. Der Entscheid der Einsatzleitung ist nachvollziehbar.» Die mutmasslichen Missstände hat er mit keinem Wort erwähnt, obschon er davon gewusst haben musste.
Schwerer Schlag für Image der Polizei
Achermann trat nach den diversen Skandalen um seine Vorgänger, Beat Hensler, ein schweres Erbe an. Musste er doch die Scherben aufräumen, das Korps wieder einen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Polizei wieder herstellen.
Müsste Achermann seinen Sessel räumen, wäre er bereits der sechste Polizeikommandant in Folge, der entlassen werden müsste. Bei der damaligen Stadtpolizei sind als Kommandanten Kurt Fehlmann und Pius Segmüller abgesetzt worden, bei der Kantonspolizei (heute: Luzerner Polizei) mussten Anton Widmer, Jürg Stocker und Beat Hensler abtreten (hier erfahren Sie mehr über Adi Achermann). Für das Image der Luzerner Polizei wäre Achermanns erzwungener Rücktritt ein erneuter, schwerer Schlag.
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