Zuger Partei will keine Fremdsprachen und mehr Handwerk
Wenn es nach der FDP geht, sollen handwerkliche Berufe an Zuger Schulen positiver kommuniziert werden. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)
Gleich zwei Vorstösse von Zuger Kantonsräten rütteln am Schulsystem. Der eine fordert den Verzicht auf Fremdsprachen an der Primarschule – der andere will Deutschunterricht vor dem Kindergarten.
Die Kinder an den Zuger Primarschulen büffeln Deutsch und Mathematik, lernen einiges über die Natur, den Menschen, die Gesellschaft und werkeln im Textilen und Technischen Gestalten. Hinzu kommen die Fremdsprachen Englisch ab der dritten und Französisch ab der fünften Klasse. Und damit sind längst noch nicht alle Fächer aufgezählt.
Für sechs FDP-Kantonsräte ist klar: Die anderen Fächer leiden unter Frühenglisch und Frühfranzösisch. Fremdsprachen sollen weg aus der Primarschule. Diesen Vorschlag unterbreiten die Parlamentarier der Regierung in einer aktuellen Interpellation.
Mehr Zeit für Deutsch, Mathe und Handwerk
Die Stunden, welche die Primarschülerinnen heute im Englisch- und Französischunterricht verbringen, sollen in Zukunft anders genutzt werden. Neu sollen die Kinder mehr Deutsch- und Mathematikstunden erhalten sowie vermehrt dem Werk- und Handarbeitsunterricht nachgehen.
Gerade in diesem praktischen Unterricht sehen die FDP-Kantonsräte grosses Potenzial. «Das Fach trainiert nicht nur die Feinmotorik, sondern auch das Vorstellungsvermögen und enthält gestalterische Elemente», steht in der Interpellation. Die Parlamentarier wollen damit auch bezwecken, dass die Kinder vermehrt mit handwerklichen und gestalterischen Berufsfeldern Bekanntschaft machen. Zum einen wegen des Fachkräftemangels und zum anderen, weil nicht alle Kinder einen akademischen Beruf erlernen wollen.
Mit dem Wegfall von Frühenglisch und -französisch wollen die Politikerinnen zudem den Deutschunterricht stärken. «Erst mit der gründlichen Beherrschung einer ersten Sprache wird die Basis dafür gelegt, später auch komplexe Sachverhalte in den Naturwissenschaften und der Mathematik zu verstehen und Fremdsprachen kompetent und rasch zu erlernen», so die FDP-Kantonsräte.
Sprachkenntnisse könne man in sechs Monaten nachholen
Innerhalb eines halben Jahres könne der Rückstand der Kinder, die in der Primarstufe keinen Fremdsprachenunterricht hatten, aufgeholt werden. Das sei gemäss den Interpellanten wissenschaftlich erwiesen. So hat etwa die Linguistin Simone Pfenninger im Jahr 2014 die erste Schweizer Langzeitstudie zu diesem Thema veröffentlicht.
Darin wurden Gymnasiasten, die seit dem achten Lebensjahr Englischunterricht hatten, mit solchen verglichen, die erst mit 13 Jahren Englisch lernten. Nach sechs Monaten hatten die Spätlernenden die Frühlernenden bereits eingeholt – oder waren ihnen sogar überlegen. So fasste der «Tagesanzeiger» die Befunde damals zusammen.
Wer allgemeine Fähigkeiten wie das Argumentieren, Textverständnis oder das Strukturieren eines Aufsatzes in der Erstsprache beherrscht, übertrage diese auf die Fremdsprache. Das erläuterte die Linguistin gegenüber der Zeitung. «Das heutige Kurzfutterkonzept mit rund zwei Wochenlektionen in der Primarschule pro Sprache ist zum Scheitern verurteilt», sagte sie damals weiter.
Mit dieser Position gehen die Zuger Kantonsräte über jene ihrer Mutterpartei hinaus. Die nationale FDP publizierte im Juni den Entwurf ihres neuen Positionspapiers. Darin forderten sie zuerst ebenfalls die Abschaffung des Fremdsprachenunterrichts an der Primarschule. Die Delegierten schwächten diese Forderung jedoch wieder ab. Im definitiven Papier heisst es, dass das Erlernen der lokalen Erstsprache im Vordergrund stehen sollte, berichtete SRF.
Ein ähnlicher Vorschlag ist im Kanton Luzern im Jahr 2017 gescheitert. Der Lehrerverband forderte, dass nur noch eine Fremdsprache an Primarschulen unterrichtet wird. Unterstützung erhielt er von der SVP. Das Stimmvolk hat der Initiative jedoch eine Abfuhr erteilt (zentralplus berichtete).
Deutsch lernen in Kita oder Spielgruppe
Einen stärkeren Fokus auf die deutsche Sprache wünschen sich auch die Zuger Mitte-Kantonsräte. Anfang September reichten sie dazu eine Motion ein. Ihre Forderung: Der Kanton soll einen vorschulischen Deutschunterricht einführen. Dieser soll sich an Kinder richten, die schlechte oder gar keine Deutschkenntnisse haben.
Als Vorbild soll das Modell des Kantons Basel-Stadt gelten. Dieses sieht vor, dass Kinder mit ungenügenden Deutschkenntnissen ein Jahr vor Kindergarteneintritt zum Besuch einer deutschsprachigen Kita oder Spielgruppe an zwei bis drei Halbtagen pro Woche verpflichtet werden. Wenn der Bedarf zum Deutschlernen besteht, wird der Besuch der Betreuungsstätte aus der öffentlichen Hand finanziert.
Ausreichende Sprachkenntnisse seien «die Basis zur Integration, der zentrale Schlüssel zu einer erfolgreichen Schulkarriere und Berufsentwicklung sowie zur aktiven Teilnahme an der Gesellschaft», argumentiert die Mitte. Kinder, die mit schlechten Deutschkenntnissen in den Kindergarten eintreten, würden diesen Nachteil kaum mehr aufholen können. Ihre Bildungschancen seien deutlich schlechter, als es ihrem eigentlichen Potenzial entspricht.
Darüber hinaus würden Kindergartenlehrpersonen enorm viel Ressourcen «zur Behebung dieses Mankos» benötigen. Der Kindergarten- und später der Schulalltag von allen Kindern in der Klasse werde daher beeinträchtigt.
Die Zuger Regierung wird über die beiden Forderungen beraten.
Mirjam Reinhard ist im Raum Luzern aufgewachsen und verwurzelt. Sie studierte Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften und analysierte Medienberichte im Rahmen ihrer Bachelorarbeit.
Als ehemalige Kantonsrätin und Co-Präsidentin der IG ganzheitliche Bildung welche die Initiative – eine Fremdsprache auf der Primarstufe (2006) – lanciert hatte, freut mich dies natürlich, dass nun die FDP dieses wichtige Thema aufnimmt. Unsere Initiative ging nicht so weit, sie wollte eine Fremdsprache auf Primarstufe beibehalten. Es soll nicht noch eine zweite eingeführt werden . Das Postulat der FDP- Kantonsratsmitglieder würde ich heutzutage ebenfalls begrüssen. Nach wie vor leiden die Fächer Werken und Deutsch. Neurologisch ist es schon lange erwiesen, dass die Feinmotorik sich positive auf die kognitiven Entwicklung auswirkt.
Als ehemalige Co-Präsidentin des Schweizerischen Spielgruppen-Leiterinnen-Verbands SSLV habe ich die Einführung des Basler Modells, damals noch unter der Leitung von Regierungsrat Christoph Eymann, direkt miterlebt. Es ist höchste Zeit, dass dieses Modell auch andere Kantone übernehmen. Spielgruppenleiterinnen können fundierte Weiterbildungskurse im Bereich Sprachförderung für kleine Kinder besuchen. Sie sind dazu bestens ausgebildet. Ich hoffe sehr, dass sich durch diese beiden Vorstösse im Kanton Zug etwas bewegt.
Beim Fremsprachenunterricht in der Primarschule stehen Aufwand und Ertrag in einem miserablen Verhältnis. Das liegt u.A. auch daran, dass Bildungsverantwortliche nicht kapiert haben, dass Fremdsprachunterricht von Anfang an immersiv erfolgen muss, damit die Lernenden wirklich davon profitieren. Zudem ist es ein Jammer, dass im Ländchen Schweiz, wo man mit 3-4 Landessprachen prahlt, schulische Kontakte zwischen den Sprachgegenden kaum oder nur mit sehr grossem Aufwand für Lehrpersonen aufgebaut werden. Ungenutzt bleibt auch die Tatsache, dass hier so viele anderssprachige Menschen wohnen und in die Schule gehen. Eine brachliegende Ressource. Kinder und Erwachsene könnten so viele Sprachen voneinander lernen. Haben nicht viele Schweizer Bauarbeiter von ihren italienischen und spanischen Kollegen die Sprache gelernt? Es gäbe noch viele Ansätze. Leider sind BildungspolitikerInnen nicht wirklich am Thema inteessiert, sei es, weil sie zuwenig von der Sache verstehen oder aus ideologischen Gründen. Ich spreche nichtr nur aus Ärger, sondern vor allem auch aus Erfahrung