Psychomotorik

Zuger Kinder warten bis zu einem Jahr auf Therapieplatz

Die Psychomotoriktherapie fördert nicht nur das Körperverständnis der Kinder, sondern stärkt auch ihr Selbstbewusstsein. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Wenn ein Kind Mühe hat mit bestimmten Bewegungen, kann eine Therapie helfen. Doch im Raum Zug sind Therapieplätze Mangelware. Das Problem könnte sich bald noch verschärfen.

Ein Kind hat Mühe, eine Schere zu halten, stolpert oft oder hat Schwierigkeiten beim Malen – solche Probleme erfordern eine Psychomotoriktherapie. Doch in der Stadt Zug warten betroffene Kinder bis zu einem Jahr auf einen Platz. Dies schreibt die SP-Fraktion in einer Interpellation, welche sie im vergangenen November einreichte. Sie wollte wissen, ob die Psychomotorik bei der aktuellen Schulplanung vergessen gehe.

Die Fraktion kritisiert, dass die Stadt Zug im Bereich der Psychomotoriktherapie weit hinter anderen Gemeinden und Kantonen zurückliege. SP-Gemeinderat Jérôme Peter sagt auf Anfrage von zentralplus, er sei durch Gespräche mit Therapeutinnen auf die Missstände aufmerksam geworden. Von einer Bekannten habe er zudem erfahren, dass deren Kind über ein halbes Jahr auf einen Therapieplatz habe warten müssen.

Die Stadt Zug bestätigt in ihrer nun veröffentlichten Antwort auf den Vorstoss diese Beobachtung. Die Wartezeit betrage derzeit durchschnittlich acht bis zwölf Monate. Die «Sicherstellung des Therapiebedarfs» sei ein zentrales Anliegen. Das Bildungsdepartement lege grossen Wert darauf, die Wartelisten abzubauen und generell zu minimieren.

Einen Stift halten oder einen Ball fangen

Psychomotorik bedeutet, dass Bewegung und Denken zusammenhängen. Manche Kinder haben Schwierigkeiten mit bestimmten Bewegungen. Ein Kind, das zum Beispiel Schwierigkeiten beim Schreiben hat oder einen Ball nicht fangen kann, soll von einer gezielten Therapie profitieren. Ein anderes hat Probleme mit dem Gleichgewicht und fällt oft hin – auch hier kann die Psychomotoriktherapie helfen.

«Sie fördert die motorische Geschicklichkeit, die Selbständigkeit, die Sozialkompetenz und das Vertrauen in sich selbst und in andere», erklärt Remo Krummenacher, Rektor der Stadtschulen Zug, auf Anfrage. Zudem helfe die Therapie, das eigene Verhalten besser zu regulieren und Freude an der Bewegung zu entwickeln.

Zusätzlicher Therapieraum eröffnet

Die Stadt Zug bietet Therapieplätze für Kinder aus Zug, Menzingen, Neuheim und Walchwil an. Die Zuweisung erfolgt durch Kinderärzte oder den Schulpsychologischen Dienst. In der Fachstelle arbeiten sechs Therapeutinnen, die im Jahr 2024 insgesamt 143 Kinder betreuten. Die Therapie findet derzeit im Schulzentrum Maria Opferung statt. In Neuheim arbeitet eine Therapeutin vor Ort. Im Februar 2024 wurde im Provisorium des Schulhauses Herti ein zusätzlicher Therapieraum eröffnet.

Trotzdem bleibt die Warteliste lang, wie der Antwort der Stadt Zug zu entnehmen ist: Wer sich im März 2024 anmeldete, erhielt frühestens Anfang 2025 einen Platz. 2024 gab es 71 neue Anmeldungen. Auf der Warteliste stehen derzeit 43 Kinder, davon 35 aus Zug. Die durchschnittliche Therapiedauer beträgt eineinhalb Jahre. «Ein Kind, das heute in die erste Klasse kommt und Unterstützung braucht, muss somit unter Umständen bis zur zweiten Klasse warten, bevor es Hilfe bekommt», sagt Krummenacher.

Das Warten schadet den Kindern

Die langen Wartezeiten können für betroffene Kinder problematisch sein. «Sie können dazu führen, dass sich Schwierigkeiten verfestigen oder verstärken, was das Selbstbewusstsein der Kinder beeinträchtigen kann», sagt Krummenacher. Auch Verunsicherungen und Stress in der Familie oder im schulischen Umfeld könnten die Folge sein. Laut Rückmeldungen von Erziehungsberechtigten, Lehrpersonen und Fachpersonen kommt es immer wieder vor, dass sich die Situation eines Kindes durch die Wartezeit verschlechtert.

Die SP sieht hier dringenden Handlungsbedarf. Das Raumangebot für die Psychomotoriktherapie sei bereits knapp. Einige Kinder würden aufgrund der langen Warteliste gar nicht erst angemeldet. Die SP-Fraktion kritisiert, dass die Stadt Zug nur das Mindestangebot gemäss kantonalen Vorgaben sicherstelle. Gleichzeitig stünden die Schulbauprojekte in Maria Opferung und Herti an, was die Raumsituation weiter verschärfen könnte.

Manche Kinder haben Mühe beim Schreiben, weil es ihnen Schwierigkeiten bereitet, einen Stift zu halten. (Bild: Adobe Stock)

Gemäss der Stadt Zug soll das Angebot während der Bauzeit in den Schulhäusern aufrechterhalten werden, Übergangslösungen würden vorbereitet. Im Neubau Herti sei ein neuer Raum für Psychomotorik eingeplant. SP-Gemeinderat Jérôme Peter bezweifelt, dass diese Massnahme ausreicht. «Wenn die Schülerzahlen steigen und die Wartelisten schon heute so lang sind, dann reicht ein einziger neuer Raum nicht», sagt er. Die Stadt müsse klar definieren, welche Ziele sie in der Psychomotoriktherapie verfolge.

Früher Therapiekind, heute Lehrer

Für Eltern, die nicht sofort einen Therapieplatz für ihr Kind bekommen, hat Rektor Remo Krummenacher einige Tipps: «Beschäftigen Sie sich aktiv mit Ihrem Kind, gehen Sie nach draussen, bewegen Sie sich gemeinsam in der Natur, lassen Sie Ihr Kind beim Kochen mithelfen und spielen Sie gemeinsam.» Wichtig seien auch klare Regeln und feste Strukturen sowie die Förderung von Bewegungsmöglichkeiten ohne Leistungsdruck. «Trauen Sie Ihrem Kind etwas zu und bieten Sie ihm die Chance, sich spielerisch zu entwickeln.»

Trotz aller Herausforderungen mache ihm seine Arbeit viel Freude. «Es ist besonders schön zu sehen, wenn ein Kind etwas schafft, das es sich vorher nicht zugetraut hat», erzählt Krummenacher. Eine besondere Erfolgsgeschichte sei ihm in Erinnerung geblieben: «Ein ehemaliges Therapiekind arbeitet heute als Lehrperson – und wir stehen nun als Kollegen wieder in Kontakt. Das zeigt, wie nachhaltig die Wirkung der Psychomotoriktherapie sein kann.»

Verwendete Quellen
  • Interpellation der SP Stadt Zug
  • Antwort der Stadt Zug auf die Interpellation
  • Schriftlicher Kontakt mit Remo Krummenacher, Rektor der Stadtschulen Zug
  • Schriftlicher Kontakt mit Jérôme Peter, SP-Gemeinderat Stadt Zug
  • Website der schweizerischen Stiftung für Psychomotorik
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