Schulabsentismus – warum Kinder der Schule fernbleiben
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142 Luzerner Kinder und Jugendliche sind im letzten Schuljahr gehäuft oder länger aus unklaren Gründen nicht in die Schule gegangen. Der Kanton Luzern erklärt, was dahintersteckt.
Wenn Schülerinnen in der Schule fehlen, kann das fatal enden – davon ist die Luzerner Regierung überzeugt. Diese nimmt in einer neuen Antwort auf einen Vorstoss von Claudia Wedekind (Mitte) Stellung zum Thema Schulabsentismus. Das Thema interessiert: Gleich 44 Luzerner Politiker wollten diesbezüglich von der Regierung wissen, wie die Situation im Kanton aussieht.
Das Schlagwort «Schulabsentismus» umfasse mehrere, teils sehr unterschiedliche Probleme. Dazu gehört unter anderem das Schulschwänzen, also das Fernbleiben vom Unterricht, um anderen Dingen nachzugehen. Auch Schulphobie und Schulangst können dazu führen, dass Schülerinnen der Schulbank fernbleiben. Beim Erstgenannten geht es eher um Angst vor einer Trennung von Bezugspersonen, während beim Zweitgenannten schulbezogene Ängste, beispielsweise vor Prüfungen oder aufgrund von Mobbing, im Vordergrund stehen.
Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen Erziehungsberechtigte die Absenz der Kinder initiieren – «Fernhalten» nennt das die Regierung. Dahinter können unterschiedliche Motive stecken. Eines ist beispielsweise, dass Eltern ihre Kinder ohne Bewilligung privat unterrichten wollen.
Zunahme seit der Corona-Pandemie
Wie sich die Zahlen von Schülern, die der Schule fernbleiben, in den letzten Jahren entwickelt haben, kann die Luzerner Regierung nicht sagen. Im Schuljahr 2022/2023 wurde erstmals die Anzahl von Schülerinnen, die in die Kategorie des Schulabsentismus fallen, beim schulpsychologischen Dienst nachgefragt, schreibt die Regierung. Diesem sind 142 Kinder und Jugendliche bekannt, die gehäufte, längere unklare Absenzen aufweisen – von insgesamt knapp 43’000 Schülern im Kanton.
Brigitte Schumacher, Beauftragte Schulpsychologie bei der Luzerner Dienststelle für Volksschulbildung, meint jedoch, dass sich die Fälle seit der Corona-Pandemie gehäuft haben. Das Bildungs- und Kulturdepartement zitiert sie in einem Blogartikel vom vergangenen Herbst. Während es im Schuljahr 2022/2023 knapp 150 Betroffene waren, habe es in den Jahren zuvor jeweils nur vereinzelte Fälle gegeben. Die Zunahme erklärt sich Schumacher damit, dass während der Corona-Pandemie das Zuhausebleiben eine Option war. «Vorher war das ein Tabu», ergänzt sie.
Mögliche Folgen: Straffälligkeit und Radikalisierung
Die Folgen von Schulabsentismus können sich auf mehreren Ebenen zeigen. Die Regierung schreibt in ihrer Antwort: «Die Betroffenen gelangen manchmal in einen Teufelskreis von schulischem Misserfolg […].» Dies führe dazu, dass sich Kinder und Jugendliche zurückziehen oder frustriert werden. Auch könnten Ängste wachsen, oder der Schulabsentismus könne zu einer Perspektivlosigkeit bis hin zur Straffälligkeit und Radikalisierung führen. Arbeitslosigkeit, das Beziehen von Sozialhilfe und psychische Störungen seien weitere Folgen.
Um dies zu verhindern, brauchen die Betroffenen jeweils gleich zu Beginn Hilfe, meint die Regierung. So würden sich negative Muster nicht verfestigen. Und: Je länger eine Schülerin von der Schule fernbleibt, desto schwieriger sei der Wiedereinstieg in den Schulalltag.
Der Wiedereinstieg soll grundsätzlich durch eine Zusammenarbeit mit den Eltern, der Schule, der Schulpsychologie und allenfalls weiteren Beteiligten wie Ärztinnen und Therapeuten gelingen. Die Rückkehr in den Unterricht werde gemeinsam geplant und schrittweise umgesetzt.
Eltern, die Kinder von Schule fernhalten, werden gebüsst
In der Antwort schreibt die Regierung weiter, dass die Dienststelle Volksschulbildung (DVS) Kenntnis von einzelnen Eltern hat, die ihre Kinder zuhause unterrichten, obwohl sie dafür keine Bewilligung haben. Wenn die DVS keine Bewilligung gibt, muss die Gemeinde am Schulort Eltern auf die Schulpflicht aufmerksam machen. Eltern, die sich nicht daran halten, müssen eine jährliche Busse von 4500 Franken bezahlen.
Im Schuljahr 2022/2023 waren der DVS Fälle aus sechs Gemeinden mit insgesamt sieben Familien und 15 betroffenen Kindern bekannt.
Schulabsentismus ist auch der Luzerner Psychiatrie ein Begriff
Schulabsentismus scheint auch in der Psychiatrie bereits ein etablierter Begriff zu sein. Die Luzerner Psychiatrie (Lups) schreibt auf ihrer Website: «Schulabsentismus wird als Störung betrachtet, wenn er ein chronisches und schwerwiegenderes Verhaltensmuster darstellt, das die schulische Teilnahme erheblich beeinträchtigt und negative Auswirkungen auf das Leben des Schülers oder der Schülerin hat.»
Weiter schreibt sie, dass es verschiedene Schweregrade von Schulabsentismus gibt. Nicht in jedem Fall liege eine Störung vor.
- Anfrage von Claudia Wedekind und Antwort des Regierungsrats
- Blogbeitrag des Bildungs- und Kulturdepartements vom 4. September 2023
- Merkblatt «Schulabsentismus» von der Dienststelle Volksschulbildung des Kantons Luzern
- Ausführungen zu «Schulabsentismus» auf der Website der Luzerner Psychiatrie