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Die Gemeinde Horw hat ein ungewöhnliches Baugesuch eingereicht. Sie plant einen Naturkindergarten. Dort soll die Natur als «dritter Erzieher» fungieren.
In Horw soll bald die Natur die Kinder miterziehen. So lautet der Wunsch der Gemeinde. Sie hat ein Baugesuch für einen sogenannten Naturkindergarten eingereicht.
«Naturverbunden, aktiv und handlungsorientiert mit allen Sinnen lernen» lautet das Motto des geplanten Kindergartens. Laut dem Baubeschrieb erwartet die Kinder ein «sinnvoller Wechsel zwischen pädagogischer Begleitung und freiem Spiel».
Der Naturkindergarten kommt an den Waldrand vom Grämliswald. Er benötigt eine Fläche von 300 bis 500 Quadratmetern.
Kinder spielen unter freiem Himmel und im Zelt
Doch was gehört überhaupt zu einem solchen Naturkindergarten? Ein Gruppenzelt, ein Spannzelt, eine Komposttoilette sowie ein Raum für die Vorbereitung und für Elterngespräche stehen auf der Inventarliste.
Das Gruppenzelt soll den Unterricht im Sitzkreis bei Schlechtwetter oder im Winter ermöglichen. Es hat die Form eines Tipi-Zelts, ist wasserabweisend und mit einem Holzboden gegen Nässe ausgestattet. Der dazugehörige Feuerring dient zum Kochen und Aufwärmen im Winter.
Für verschiedene Unterrichtsaktivitäten soll auch ein Spannzelt her. Dieses dient als Regen- und Sonnenschutz. Zudem steht es auf einer Holzplattform. Das Unterrichtsmaterial wird in Kunststoffboxen darauf aufbewahrt.
Die Pläne im Baugesuch zeigen auch eine Komposttoilette. Diese wird ohne Wasser und Chemie betrieben. Die Fäkalien werden in einem Fass gesammelt und monatlich entsorgt. Zudem wird eine Fläche eingezäunt, die den Kindern als Spielwiese dient.
Knapp 50’000 Franken Baukosten
Der Naturkindergarten soll von der Hildisrieder Outdoorfirma Walden geplant werden. Laut ihrer Website verkörpert sie «die Sehnsucht nach ursprünglichen Naturerlebnissen». Zudem berät das Unternehmen mit «Walden Classrooms» Partner bei der «Planung, Realisation und Wartung» von Naturkindergärten und -schulen.
Die Firma gebe dabei acht, dass die Bauten eine «kompakte Einheit» bilden würden. Sie sollten sich nachhaltig ins Landschaftsbild einfügen. Walden hat schon einige Naturkindergärten ausgestattet, wie das Unternehmen in den sozialen Medien zeigt.
Die Baukosten für den Kindergarten in Horw betragen 48’700 Franken. Das Baugesuch liegt zwischen dem 29. Mai und 7. Juni 2024 öffentlich auf.
Wenn nichts dazwischenkommt, sollen die Bauarbeiten im Laufe des Julis beginnen, schreibt Projektleiter Marco Meerkämper auf Anfrage. Der Naturkindergarten soll bereits ab dem kommenden Schuljahr zur Verfügung stehen und von verschiedenen Schuleinheiten genutzt werden. Laut Karin Ugolini, Rektorin der Gemeindeschule Horw, soll im Schuljahr 2025/26 dann die erste offizielle Naturkindergartenklasse starten.
Der Kindergarten sei für 18 bis 20 Kindern vorgesehen. Er stehe den Kindern aus der gesamten Gemeinde offen. Der Naturkindergarten sei freiwillig – die Gemeinde teile keine Kinder in den Naturkinderarten ein, schreibt Ugolini auf Anfrage.
Im Mai 2022 habe die Bildungskommission begonnen, sich mit dem Naturkindergarten auseinanderzusetzen. Laut der Rektorin der Gemeindeschule Horw sehe die Bildungskommission und die Schulführung den regelmässigen Aufenthalt in der Natur für eine gesunde Entwicklung des Kindes als wertvoll an. Im Vergleich zum regulären Kindergarten würden die Kinder, die den Naturkindergarten besuchen, ein grösseres Interesse und Verständnis gegenüber der Natur entwickeln.
Unterricht in der Natur – ein Trend?
Mit ihren Plänen steht die Gemeinde jedoch nicht allein da. Naturkindergärten gibt es bereits in anderen Luzerner Gemeinden. 2016 und 2017 hatte Meggen mit zu wenig Schulraum zu kämpfen. Aus der Not heraus entwickelte die Gemeinde einen Naturkindergarten. Das Projekt wurde in den Folgejahren im Rahmen eines Pilotprojekts zu einer Naturschule mit integrierten Tagesstrukturen ausgeweitet (zentralplus berichtete).
Auf das Schuljahr 2023/24 hat Meggen die Open-Air-Schule wieder zu einem Kindergarten zurückgestuft. Die damalige Nutzung sei «waldrechtlich wie raumplanungsrechtlich» nicht haltbar, schrieb die Gemeinde in einer Mitteilung im November 2022. Die benötigte Infrastruktur und die Anzahl Lernenden würden das zulässige Mass bei Weitem überschreiten.
Auch im Kanton Zug sind ähnliche Projekte geplant. Im Frühjahr 2024 baute die Gemeinde Baar im Höllwald ein ehemaliges Munitionslager zu einer Waldschule um. Mit dem Projekt wollen die Verantwortlichen einen Kontrast zum digitalisierten Lernen bieten (zentralplus berichtete).
Daraufhin forderte die ALG, dass auch die Stadt Zug die «naturbezogene Pädagogik» ausbaut. Der Stadtrat prüfte verschiedene Umsetzungsvarianten – war jedoch von keiner überzeugt. Gemäss ihm werde naturbezogener Unterricht bereits heute flexibel und umfassend in das bestehende Bildungsangebot integriert (zentralplus berichtete). Stadtrat so wie die Mehrheit des Parlaments lehnten das Postulat ab, weshalb die Waldschule in Zug vorerst vom Tisch ist.
Hinweis: Der Artikel wurde mit Informationen von Marco Meerkämper, Projektleiter, und Karin Ugolini, Rektorin der Gemeindeschule Horw, ergänzt.
- Aufliegendes Baugesuch
- Website von Walden Outdoor
- Mitteilung der Gemeinde Meggen vom 30. November 2022
- Protokoll der Sitzung des Grossen Gemeinderats Zug vom 28. Mai 2024
- Telefonat mit der Kommunikationsstelle der Gemeinde Horw
- Schriftlicher Austausch mit Marco Meerkämper, Projektleiter
- Schriftlicher Austausch mit Karin Ugolini, Rektorin der Gemeindeschule Horw
- Medienarchiv zentralplus