Handys an Schulen: Regierung will kein schärferes Gesetz
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Braucht es klarere Regeln für Handys an Schulen? Der Regierungsrat findet Nein und empfiehlt einen entsprechenden Vorstoss zur Ablehnung. Ein Schulpsychologe schlägt indes einen ganz anderen Weg vor.
Vor einem Jahr gelangten sechs Politiker aus allen sechs Kantonsratsfraktionen mit einem Vorstoss an den Regierungsrat. Die Parlamentarier forderten darin, dass die Regierung das Schulgesetz in Bezug auf die Handynutzung anpasst.
Konkret wollten sie erreichen, dass Schulen im Kanton Zug handyfreie Zeiten und oder Zonen festlegen sowie entsprechende Sanktionen verhängen können, sollten die Schülerinnen gegen die Regeln verstossen.
Als Grund für die überparteiliche Motion nannten die Politikerinnen insbesondere die Verschlechterung der psychischen Gesundheit bei Jugendlichen in den vergangenen Jahren. Gleichzeitig fehle es an Therapieplätzen und Fachpersonen, stellten sie fest.
Sich auf Fachleute beziehend, äusserten die Zuger Politikerinnen die Befürchtung, dass die Abnahme der psychischen Gesundheit stark im Zusammenhang mit der Nutzung von Handys respektive sozialen Netzwerken stehe.
«Der Druck, perfekt auszusehen, ein perfektes Leben zu führen und jederzeit cool zu sein, ist permanent vorhanden.» Klassisches Mobbing werde ergänzt mit Cybermobbing, das rund um die Uhr stattfinde «und dem die Betroffenen auch in den eigenen vier Wänden nicht entfliehen können».
Regierung sieht genügend Handlungsspielraum
Nun liegt die Antwort des Regierungsrats vor. Anders als die sechs Parlamentarier sieht die Regierung keinen Grund dafür, die bestehenden gesetzlichen Grundlagen anzupassen. Bereits jetzt würden die bestehenden Regelungen sowie die Schul- und Disziplinaranordnungen gute Rechtsgrundlagen bilden, «um den Gebrauch des Smartphones in pädagogisch sinnvoller Weise zu regeln», heisst es in der Antwort.
Der Regierungsrat verweist auf Artikel 23 des Schulgesetzes, wonach Lehrpersonen Smartphones während des Unterrichts verbieten und bei Verstössen eingreifen könnten. Zudem könnten auch Schulordnungen so angepasst werden, dass die Nutzung von Handys während der Pausen strenger geregelt würden.
Als Beispiel nennt die Regierung die Schulen der Stadt Zug. Ab dem kommenden Schuljahr müssen Handys im Unterricht und auf dem Schulgelände ausgeschaltet und nicht sichtbar aufbewahrt werden.
Der Regierungsrat betont ausserdem, dass bezüglich der Kontrolle und Beschränkung des Handygebrauchs die Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten sehr wichtig sei. Die Verantwortung dafür solle nicht ausschliesslich an die Schulen übertragen werden.
Ausnahmefälle sorgen für wiederkehrende Diskussionen
Tabea Zimmermann Gibson (Alternative – die Grünen) ist nicht begeistert von der Antwort der Regierung. «Ich bin etwas enttäuscht», äussert sie sich auf Anfrage von zentralplus. Und weiter: Sie stimme zwar mit der Haltung überein, dass der Austausch der Lehrpersonen mit den Erziehungsberechtigten wichtig sei. «Damit kann man die allermeisten Fälle regeln», sagt Zimmermann Gibson, die selbst als Lehrerin an einer Luzerner Kantonsschule tätig ist.
So ist die Rechtslage im Kanton Zug
Es ist gemäss der geltenden Gesetzeslage bereits möglich, einer Schülerin das Smartphone während der Schulstunde zu entziehen, falls sich diese mehrmals gegen das Handyverbot hinweggesetzt hat. Dies liest man im Blogeintrag der Rechtsanwältin Denise Buxtorf Otter, die beim Rechtsdienst der Zuger Direktion für Bildung und Kultur arbeitet. Sie bezieht sich dabei auf das geltende Schulgesetz. «In der Pause müssen die Schülerinnen und Schüler aber grundsätzlich wieder über ihre Geräte verfügen können», schreibt Buxtorf Otter weiter.
«Schwierig wird es aber dann, wenn die Elternteile uneinig sind mit der Handyhandhabung in der Schule. Oder aber, wenn sich ein Schüler nicht kooperativ zeigt. Dann gibt es jedes Mal aufs Neue Diskussionen darüber, wie ‹nach wiederholtem Verstoss› definiert wird, oder darüber, ob ein Natel auch in den Pausen bei der Lehrperson bleiben darf», gibt Zimmermann Gibson zu bedenken.
Sie betont: «Es ist nicht unser Anliegen, den Schulen vorzuschreiben, wie sie den Umgang mit Smartphones handhaben müssen. Vielmehr wollen wir den Schulen ein Instrument geben, damit diese ein Handy unter Umständen bis am Ende des Tages konfiszieren können.»
Schulpsychologe würde anderen Weg befürworten
Stephan Kälin, Fachpsychologe für Kinder- und Jugendpsychologie FSP, hat während 20 Jahren als Schulpsychologe im Kanton Zug gearbeitet. Er gibt zu bedenken: «Jugendliche sind, wenn man versucht, mit ihnen in den Dialog zu treten, sehr wohl bereit, sich Argumente anzuhören. Entsprechend gibt es Schulen, in denen der Entscheid, das Handy nicht zu nutzen, demokratisch umgesetzt wurde.»
«Wer intrinsisch motiviert ist, verändert sein Verhalten viel eher und vor allem nachhaltiger, als wenn er dazu gezwungen wird.»
Stephan Kälin, Fachpsychologe für Kinder- und Jugendpsychologie
Er gibt weiter zu bedenken: «Wenn wir über Handykonsum diskutieren, müssen wir zunächst schauen, ob wir selbst, sei es als Eltern oder als Lehrpersonen, gute Vorbilder sind. Häufig lautet die Antwort ‹Nein›. Schränkt man den Handykonsum in Schulen ein, dann müsste diese Massnahme jedoch theoretisch für alle gelten.»
Der Fokus auf die Medienkompetenz erachtet Kälin als zielführender als ein Verbot. «Wird die Medienkompetenz der Kinder und Jugendlichen erhöht, kann das innere Prozesse bezüglich des eigenen Handykonsums anstossen. Und wer intrinsisch motiviert ist, verändert sein Verhalten viel eher und vor allem nachhaltiger, als wenn er dazu gezwungen wird.»
Das Thema Smartphone-Nutzung an Schulen wird an einer der kommenden Kantonsratssitzungen diskutiert.
- Antwort des Regierungsrats auf die Motion
- Telefonat mit Tabea Zimmermann Gibson
- Blogeintrag auf der Website der Direktion für Bildung und Kultur
- Telefonat mit dem Schulpsychologen Stephan Kälin