Beruf & Bildung
Sechstklässler und Kantischülerin erklären

Warum selbst Luzerner Schüler Noten bevorzugen

Tom und Lorena, das Co-Präsidium des Luzerner Kinderparlaments, stehen vor Lorenas Schule, der Kanti Reussbühl. Auch Tom möchte später ans Gymnasium. (Bild: mik)

Tom (11) und Lorena (12) haben beide das notenlose Schulsystem der Stadt Luzern kennengelernt. Bei einem Treffen mit zentralplus erklären sie, wieso sie auf ihren Tests lieber Noten als Farbbalken sehen.

Diejenigen, die derzeit über die Benotung an Luzerner Schulen diskutieren, haben ihren Fuss zuletzt vor zig Jahren in ein Schulhaus gesetzt (zentralplus berichtete). Oder höchstens sporadisch mal wieder an Konzerten der Nichte oder an Elternabenden. Doch dass sie die Schulbank gedrückt und benotete Tests geschrieben haben, ist schon eine ganze Weile her. zentralplus hat deshalb mit denen gesprochen, die vom ganzen Systemwechsel unmittelbar betroffen sind: Luzerner Schüler.

Bei einem Treffen vor der Kantonsschule Reussbühl erzählen Lorena (12) und Tom (11), was sie vom neuen Beurteilungssystem halten. Die beiden bilden auch das Co-Präsidium des Stadtluzerner Kinderparlaments. Man könnte denken, dass Kinder sich über die Abschaffung von stressigen Noten freuen würden. Falsch gedacht.

Nach den Sommerferien gabs Farbbalken statt Zahlen

Beide von ihnen kamen bereits mit dem notenlosen Beurteilungssystem in Berührung. Tom ist derzeit in der sechsten Klasse im Schulhaus Moosmatt, Lorena in der ersten Klasse der Kantonsschule Reussbühl. Sie ging zuvor im Schulhaus Staffeln zur Schule.

«Weil wir bei den Tests jeweils keine Noten hatten, war ich verunsichert, ob meine Leistungen für die Kanti reichen.»

Lorena, Co-Präsidentin Kinderparlament Stadt Luzern

Tom hatte in der dritten und vierten Klasse noch «normale» Noten in Zahlenform, in der fünften wurden diese langsam durch eine knappe schriftliche Bewertung und einen Farbbalken ersetzt. Informiert über diese Änderung seien sie nicht worden, so Tom. Lediglich die Eltern erhielten einen Brief. Nach den Sommerferien stand nach dem Test statt einer 4 also plötzlich ein «teilweise erreicht», mit einem Kreuz im Balken zwischen Gelb und Orange.

Er habe das vorherige System klar besser gefunden, wie er ohne Umschweife sagt. «Bei Noten weiss man genau, wo man steht. So kann man besser einschätzen, wo man noch etwas mehr lernen muss.» Bei den Farben könne Orange eine 3, 4 oder 5 sein, so der Sechstklässler.

Leistung sei schwerer einzuschätzen

Lorena hatte zwar von Anfang an keine Noten – hätte diese aber lieber gehabt. Dabei bläst sie ins gleiche Horn wie Tom: «Wir hatten in der Primarschule Staffeln meistens einen Balken, an dessen Ende ein ‹übertroffen› stand. Dann wusste man jedoch nie genau, was für eine Note das gegeben hätte.» Ein Umstand, den sie vor allem im letzten Primarschuljahr gespürt habe. «Weil wir bei den Tests jeweils keine Noten hatten, war ich verunsichert, ob meine Leistungen für die Kanti reichen.»

Allgemein sei die eigene Leistung schwerer einzuschätzen. So erhielt sie auch schon eine schlechte Bewertung für eine Prüfung, bei der sie eigentlich dachte, sie sei besser. Tom kann auch vom umgekehrten Fall erzählen: Er dachte, die Prüfung wäre schlecht gelaufen für ihn, holte am Ende trotzdem eine positive Bewertung. Für ihn sollte es daher zumindest möglich sein, dass Schüler auf Nachfrage die ungefähre Note erhalten, damit sie ihren Stand besser beurteilen können. Und auch, damit die Eltern besser Bescheid wissen.

Gespräche gab es nur sporadisch

Im Interview erklärte Volksschulrektor David Schuler, dass dafür mehr Reflexionsgespräche stattfänden, damit die Kinder erführen, was sie gelernt hätten und wo sie sich verbessern könnten (zentralplus berichtete). Klingt in der Theorie gut – doch gemäss den Erzählungen der Kinder hapert es an der Umsetzung. Laut Tom haben an seiner Schule nur die schwächeren Schüler Gespräche gehabt und er nur eines zum Schulstart.

Lorena hatte zwar in der dritten und vierten Klasse immer wieder Lerngespräche, in der fünften und sechsten Klasse jedoch kaum. Nur ein-, zweimal hatte sie da noch Gespräche gehabt. Dabei ging es aber primär darum, in welchem Fach sie sich noch verbessern konnte, statt den aktuellen Stand im Hinblick auf den Übertritt in die Oberstufe zu besprechen.

Wie demotivierend sind Noten?

Als weiteren Grund für die Abschaffung nannte Rektor David Schuler, dass Noten «unnötig und viel Druck» erzeugen würden. Auch Tom räumt ein, dass das neue Beurteilungssystem für schwächere Schüler oder solche mit Prüfungsangst vermutlich besser sei. Gemäss Lorena muss dies jedoch nicht unbedingt der Fall sein. «Ich denke nicht, dass ein ‹teilweise erreicht› motivierender ist als eine 4.» Mehr noch: Es könnte auch zu mehr Enttäuschungen führen, wenn sie sich nicht richtig eingeschätzt haben und Ende Schuljahr eine schlechte Note im Zeugnisheft steht.

«Die Erwachsenen wissen nicht, wie wir die Schule erleben und was wir wollen.»

Tom, Co-Präsident Kinderparlament Stadt Luzern

Eine Option wäre deshalb für Tom, dass die Schüler Anfang Jahr selbst entscheiden, wie sie beurteilt werden wollen. So hätten die Schüler, die durch Noten gefrustet sind, die textlichen Rückmeldungen und die anderen Schüler wieder klare Noten. Bevorzugen würde er jedoch Einheitlichkeit: wenn Noten abschaffen, dann ganz oder gar nicht. Mit dem jetzigen System müssten sich Primarschüler ab der Sekundarstufe trotzdem wieder auf Noten umstellen, kritisiert er.

Auch Vorstoss dazu überlegt

Generell wünschen sich beide mehr Mitsprache in der Notenfrage. «Es sind wir, die die Noten bekommen und für die es eine Umstellung ist», so Lorena. Und Tom fügt an: «Die Erwachsenen wissen nicht, wie wir die Schule erleben und was wir wollen.»

Er habe sich zwar auch schon überlegt, eine Anfrage über das Kinderparlament einzureichen. Denn dieses hat das Recht, Vorstösse einzureichen. So erkämpfte das Kinderparlament vergangenen Sommer mit einem Postulat erfolgreich ÖV-Vergünstigungen für Stadtluzerner Kinder und Jugendliche (zentralplus berichtete). Doch letztlich habe er es gelassen. Denn er hat erkannt: Die Mühlen der Behörden mahlen langsam. «Bis das Kinderparlament diesem Vorstoss überhaupt zugestimmt und die Stadt diesen beantwortet hätte, wird die Notenfrage vermutlich schon entschieden sein.»

Hört man den Luzerner Schülern zu, gibt es für das neue Beurteilungssystem ein «nicht erreicht». Sie wünschen sich vor allem mehr Transparenz und eine bessere Kommunikation seitens der Stadt und der Lehrerinnen. Gleich geht es auch der Luzerner Politik. Interpellationen auf Kantons- und Stadtebene zum Thema Schulnoten sind noch hängig.

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