Quereinsteiger: Nach der Pandemie ab in den Pflegeberuf
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In der Corona-Pandemie wagen viele die berufliche Neuorientierung. Händeringend sucht auch die Pflege nach neuem Personal. Ein Koch, eine Verkäuferin und ein Logistikleiter erzählen von ihrem Umstieg.
Nach Jahren im Beruf den Job an den Nagel hängen und etwas komplett Neues anfangen? Diese Idee ist seit der Pandemie für viele nicht mehr so absurd. Am Gesundheitszentrum Xund haben drei Quereinsteigerinnen von ihrem Entscheid erzählt, nach ihrer Erstausbildung in den Pflegeberuf zu wechseln.
Aleksandar Djuric (29), Ana Perez (22) und Peter Renggli (55) haben nach ihrer Erstausbildung das Studium zur Pflegefachperson begonnen. Gemeinsam mit dem Gesundheitszentrum und dem Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf haben sie nun die Kampagne «Einstieg Pflege» vorgestellt. Dafür hat der Kanton 120'000 Franken gesprochen. 90'000 Franken für den Bereich Quereinstieg und 30'000 für den Bereich Wiedereinsteg.
In der Corona-Krise vom Koch zum Pflegefachmann
Die drei sind aus ihren Berufen als Koch, Verkäuferin und Logistikleiter ausgestiegen und haben in der Pflege eine neue Begeisterung gefunden. Für Aleksandar Djuric war die Pandemie der ausschlaggebende Grund, um sich neu zu orientieren. Er arbeitete als Koch in einem Hotel am Vierwaldstättersee, als der Betrieb temporär geschlossen wurde.
«Ich durfte bei der Viva Luzern einen Freiwilligeneinsatz leisten. Mit viel Unterstützung von meinen Mitarbeitenden und der Heimleitung haben sie mich zu diesem Schritt bewegt. Sie haben etwas in mir gesehen und mir gesagt: ‹Alex, das kannst du›», erzählt der 29-Jährige.
In seinem Betrieb war er allerdings der Einzige, der eine Zweitausbildung begonnen hat. Seine Arbeitskolleginnen haben entweder andere Stellen in der Gastronomie gesucht oder sie haben eine höhere Berufsausbildung im selben Beruf gemacht. Für ihn war es aber der richtige Entscheid. Es gäbe Glücksmomente, die er in der Küche so nicht erlebt habe, und der Kontakt mit den Menschen erfülle ihn viel mehr als die Arbeit am Herd.
Muss ich wieder zu Hause einziehen?
Für alle war es eine grosse Herausforderung, nochmals in die Schule beziehungsweise an die Universität zu gehen. «Man muss erst einmal wieder lernen zu lernen», sagt Aleksandar Djuric. Aber auch die Organisation eines Ausbildungsplatzes, die Finanzierung der Ausbildung oder die neuen Erwartungen seien herausfordernd gewesen, betont Peter Renggli. Er ist im Alter von 50 Jahren aus seiner Leitungsfunktion in der Logistik ausgestiegen und hat in die Pflege gewechselt.
«Die Kanäle beim Kanton stehen, wir haben alles bereits aufgegleist. Jetzt warten wir nur auf den Bund.»
Guido Graf, Gesundheitsdirektor Kanton Luzern
Doch wie bezahlen Menschen, die seit Jahren fest im eigenen Leben stehen und eventuell eine Familie haben, eine Zweitausbildung? Von einem Lehrlingslohn von 1500 Franken können sie nicht mehr leben. Tobias Lengen, Geschäftsführer von Xund, rechnet fest mit der Pflegeinitiative: «Wir erwarten diese Gelder, denn es wurden Millionen gesprochen. Und ein Teil davon wird in die Ausbildung fliessen.»
Verantwortung beim Bund
Guido Graf, Vorsteher des Gesundheits- und Sozialdepartements, sind die Baustellen in der Ausbildung bekannt. «Es braucht die entsprechenden Rahmenbedingungen, damit jemand so eine Ausbildung macht», sagt er und verweist auf die Verantwortung des Bunds: «Die Kanäle beim Kanton stehen, wir haben alles bereits aufgegleist. Jetzt warten wir nur auf den Bund.»
Fakt ist, dass die Pflegeinitiative eine Unterstützung von maximal 469 Millionen Franken für die Förderung der Ausbildungen in der Pflege vorsieht. Von diesem Betrag sollen die Kantone über acht Jahre lang bei der Ausbildungsförderung unterstützt werden. Vor allem praktische Aspekte der Ausbildung stehen im Fokus der Förderung. Hinzu kommen 25 Millionen Franken für die Förderung der Abschlüsse an den Fachhochschulen.
Bitte kein Kantönligeist beim Personalmangel
In der Zentralschweiz arbeite man bereits gut zusammen, betont Guido Graf. Auch haben die Institutionen in den letzten zehn Jahren schon viel erreicht. Die Ausbildungsplätze sind um 70 Prozent ausgebaut worden. Doch da müsse man jetzt dranbleiben: «Die Kooperation endet nicht an den Kantonsgrenzen.»
Zudem geht Graf nochmals auf die Arbeitsbedingungen ein. Ein Teil der Förderung der Pflegeberufe besteht nämlich auch darin, Personal in den Berufen zu halten. Denn gerade in Pflegeberufen ist die Fluktuation sehr hoch.
Umbau des Arbeitszeitsystems nötig
Das Luzerner Kantonsspital habe darum unterdessen eine Lohnerhöhung von 2,6 Prozent an die Pflege und pflegenahe Berufe ausgezahlt (zentralplus berichtete). Im Gegenzug hielt die Luzerner Regierung wenig von einer grundlegenden Lohnerhöhung in Pflegeberufen. Eine solche hatten in den vergangenen Monaten gleich mehrere parlamentarische Vorstösse gefordert (zentralplus berichtete).
Der Gesundheitsdirektor wendet dann aber ein: «Ich kann jetzt schon sagen: Es wird nicht reichen, nur die Quereinsteigerinnen abzuholen.» Die Bedingungen für Quereinsteigende zu verbessern sei ein Stück im Puzzle. Daneben müsse man auch grösser denken. Er sieht im Gesundheitswesen einen grundlegenden Umbau des Arbeitszeitsystems nach einem Vorbild einiger Westschweizer Kantone. Dann soll es längere Schichten, aber auch mehr Freitage geben.
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