Weniger Betten und mehr Überstunden

Luzerner Kantonsspital hat 200 offene Stellen

Die Pflegeinitiative ist angenommen, doch den Spitälern rennt das Personal und damit die Zeit davon. (Bild: Symbolbild: Unsplash/@fedotov_vs)

Die Schweizer Bevölkerung hat der Pflegeinitiative zugestimmt. Doch die Umsetzung dauert lange. Zu lange? Die Spitäler suchen händeringend nach Pflegepersonal – mit ersten Konsequenzen.

Viel Stress, tiefe Löhne und viele Überstunden: Der Pflegeberuf ist kein Zuckerschlecken. Während der Corona-Pandemie sind die schlechten Arbeitsbedingungen der Pflegefachpersonen ins öffentliche Licht gerückt. Wir sind auf unsere Balkone gestanden, haben geklatscht und auch die Pflegeinitiative an der Urne angenommen. Doch die anfängliche Euphorie scheint verflogen (zentralplus berichtete).

Spitäler suchen krampfhaft nach Pflegepersonal

Mehr noch: Die Pfleger sind ausgebrannt und verlassen immer häufiger den Beruf. Rund die Hälfte der Pflegerinnen möchten nicht für immer im Pflegebereich bleiben (zentralplus berichtete).

Das macht sich nun bei den Spitälern bemerkbar, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet. Ende März waren in der Schweiz 13’244 Pflegestellen ausgeschrieben. Am meisten offene Stellen verzeichnen die Spitäler. So hat beispielsweise die Insel-Gruppe in Bern 141 Pflegestellen ausgeschrieben und das Unispital Zürich 94. Das Luzerner Kantonsspital (Luks) hat derzeit rund 200 freie Stellen ausgeschrieben – 90 davon sind im Bereich Pflege.

Erste Folgen davon zeigen sich in den Spitälern bereits. Wie die Zeitung schreibt, können Betten wegen des fehlenden Personals nicht betrieben werden. Zudem müssten die Ausfälle und Austritte mit den bestehenden Mitarbeiterinnen kompensiert werden, was oft Zusatzdienste fordere.

Wie sich die vielen offenen Stellen auf den Betrieb des Luzerner Kantonsspitals auswirkt, ist allerdings unklar. Eine am Morgen gestellte Medienanfrage blieb am Montag unbeantwortet. Am Dienstag schreibt Mediensprecher Markus von Rotz, dass das Luks seit längerem nach Entlastungsmöglichkeiten sucht. So zum Beispiel, indem das Luks verschiedene Supportdienste wie Freiwilligendienste oder Pools von Nachtsitzwachen in Anspruch nimmt.

Politik will Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern

Kein Wunder, rennen den Spitälern die Pflegerinnen davon. Der häufigste Grund ist gemäss den Spitälern, dass das Personal ausgebrannt sei. Zwei Jahre Pandemie hätten die Pflegefachleute ausgelaugt. Umso dringender werden deshalb die Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen und der Umsetzung der Pflegeinitiative.

So hat beispielsweise das Luzerner Jugendparlament eine Petition eingereicht, dass das Luks künftig seine Gewinne in bessere Arbeitsbedingungen für den Pflegebereich reinvestieren soll. Die zuständige Kommission des Luzerner Kantonsrats, die Kommission für Gesundheit, Arbeit und soziale Sicherheit (GASK) stimmt dem Grundanliegen der Petition zu. Eine zweckgebundene Verwendung der Luks-Dividende sieht sie jedoch kritisch.

Deshalb hat sie einen Kommissions-Vorstoss eingereicht. Der Luzerner Regierungsrat wird darin angehalten, zu prüfen, «in welcher Form allfällige Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der Pflege auch in Bezug auf Aus- und Weiterbildungsbeiträgen möglich sind».

Auch die SP will die Umsetzung der Pflegeinitiative vorantreiben. SP-Kantonsrätin Melanie Setz Isenegger verlangt mittels Postulat die Schaffung eines kantonalen «Pflegeverantwortlichen». Dieser soll das Parlament in gesundheitspolitischen Geschäften beraten, in national relevanten Gremien mitwirken und eigene Projekte zur Weiterentwicklung der Pflegeberufe initiieren.

Spitäler werden (mehr oder weniger) aktiv

Bevor allfällige politische Forderungen umgesetzt werden, wird jedoch noch viel Wasser die Reuss hinunterfliessen. Gemäss Miriam Rittmann, Präsidentin des Zentralschweizer Pflegeverbands, sind deshalb nun die Spitäler und Pflegebetriebe selbst gefragt. Besonders bei den Arbeitsbedingungen könnten die Unternehmen schon jetzt den Hebel ansetzen.

Ein Beispiel ist die Siloah-Gruppe in Bern, wie «SRF» berichtet. Diese betreibt mehrere Langzeitpflegezentren. Und will nun schrittweise die Arbeitszeit ihrer rund 400 Pfleger verringern. Statt 42 Stunden sollen sie künftig nur noch 38 Stunden pro Woche arbeiten müssen – bei gleich bleibendem Lohn. Gemäss Stiftungsratspräsident Martin Gafner wünschen sich die Angestellten nämlich nicht mehr Lohn, sondern mehr Freizeit.

Das Luks geht aber nicht ganz so weit. Immerhin gewährt es ab 2022 allen Mitarbeiterinnen einen zusätzlichen Ferientag. Und eine Lohnerhöhung um 2,6 Prozent für Berufe im Pflegebereich, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt. Zudem tritt per 1. Juli der neu erarbeitete Gesamtarbeitsvertrag in Kraft. Dieser regelt beispielsweise Urlaubs- und Ferienansprüche, Arbeitszeiten und Löhne. So werden neu unter anderem die Nachtzeitzuschläge erhöht.

Damit die Anliegen der Pflege Einzug in verschiedene Führungsgremien finden, sei zudem die «Luks Gruppe» gegründet worden, so von Rotz.

Zuger Kantonsspital nicht betroffen

Dass es auch anders geht, beweist der Blick über die Kantonsgrenze. Im Gegensatz zum Luzerner Kantonsspital haben die Zuger Kollegen nicht mit Pflegemangel zu kämpfen, wie die Zeitung weiter schreibt. Die Nachfrage von zentralplus zeigt: Gerade einmal eine Stelle im Pflegebereich sei offen, so Mediensprecherin Sonja Metzger.

Zurückzuführen sei dies auf die Mitarbeiterzufriedenheit: «Die Fluktuationsrate ist sehr niedrig, ausserdem kehren viele unserer ehemaligen Mitarbeitenden wieder ins Zuger Kantonsspital zurück, was uns natürlich sehr freut.» Für Metzger spielt dafür ihr Gesamtarbeitsvertrag eine grosse Rolle. Darin setzt das Zuger Kantonsspital beispielsweise auf «marktübliche Löhne» oder «zahlreiche Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten».

Weiter achte das Spital «wenn immer möglich» auf eine gute Work-Life-Balance. Und auch die Unternehmenskultur spielt gemäss Metzger eine Rolle: So würden Mitarbeiter durch die eher flache Hierarchie von kurzen Kommunikationswegen und raschen Entscheidungen profitieren.

Ein weiterer Lichtblick ist die Beliebtheit des Pflegeberufs bei den Jungen. Die Ausbildung als Fachperson Gesundheit ist die zweitbeliebteste – nur das KV zieht mehr Schulabgänger an (zentralplus berichtete). Nun gilt es für die Spitäler und Pflegeheime jedoch, den Beruf so zu gestalten, dass sie die Neueinsteigerinnen auch halten können.

Gesundheitsdirektoren spannen zusammen

Auch die Zentralschweizer Gesundheitsdirektorinnen- und -direktorenkonferenz (ZGDK) hat den Handlungsbedarf erkannt. In einem Bericht ist prognostiziert worden, dass der benötigte Bedarf an Pflegepersonal 2029 trotz des derzeitigen Pflegebooms nur zu rund 80 Prozent gedeckt wird (zentralplus berichtete).

Die ZGDK setzt deshalb auf eine verstärkte gemeinsame Koordination und Umsetzung von Massnahmen in der Zentralschweiz. Als Sofortmassnahme unterstützt die ZGDK die Wiedereinstiegs- und Quereinstiegskampagne. Bevor jedoch weitere Massnahmen beschlossen werden, ermittelt die ZGDK nun ein mögliches Leistungsportfolio und die notwendigen Ressourcen für eine vertiefte Zusammenarbeit.

Hinweis: Inzwischen hat sich Mediensprecher Markus von Rotz gemeldet. Aufgrund seiner Antwort wurden Angaben zu den offenen Pflege-Stellen der «Aargauer Zeitung» inzwischen berichtigt.

Verwendete Quellen
  • Medienbericht «Aargauer Zeitung»
  • Petition des Luzerner Jugendparlaments und Stellungnahme der Kommission
  • Beitrag SRF, Umsetzung der Pflegeinitiative bei der Siloah-Gruppe
  • Postulat SP über die Schaffung der Funktion einer/s Pflegeverantwortlichen
  • Petition des Luzerner Jugendparlaments und Bericht der GASK
  • Gesamtarbeitsvertrag Luzerner Kantonsspital (gültig ab 1. Juli 2022)
  • Gesamtarbeitsvertrag Zuger Kantonsspital (gültig seit 1. Januar 2021)
  • Schriftlicher Austausch mit Sonja Metzger, Mediensprecherin Zuger Kantonsspital
  • Schriftlicher Austausch mit Markus von Rotz, Mediensprecher des Luzerner Kantonsspital
  • Medienmitteilung Zentralschweizer Gesundheitsdirektorinnen- und -direktorenkonferenz
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Frau Roggenmoser
    Frau Roggenmoser, 10.05.2022, 07:26 Uhr

    Die Gewinne gehören Wenigen,aber die Auswirkungen des Personalmangels in der Pflege betreffen die Patienten und Pflegende direkt. Die gute Absicht wird wiederholt, wie die Gebete im tibetanischen Kloster. Gemacht wird fast nichts, die 2,6 % der Lohnsumme für alle im LUKS sind ein schlechter Witz und mit ein Zeichen, dass die kapitalistische Vermarktung von Krankheit und Gesundheit nur denen nützt, die Millionen abschöpfen und sich dumm und dünner daran verdienen.

    Der so oft genannte Mechanismus von Angebot und Nachfrage bleibt hier genauso wirkungslos, weil eben niemand für die Pflege Geld ausgeben will! Die Privatisierung der Spitäler dient nur zum Zweck der Deregulierung der Löhne und inzwischen noch mieseren Arbeitsbedingungen. Die Macht der Lobbyisten angefangen von den Ärzten bis zu den Krankenkassen, fahren die Pflege zusätzlich an die Wand. Früher haben wir Kollegen in der Pflege gewitzelt, dass eines Tages die ebenfalls privatisierten und deregulierten Reinigungsdienste gleich noch die Pflege dazu übernehmen. So weit sind wir nicht mehr davon entfernt, wenn die Pflege von jungen und günstigen Mitarbeitern mit Rotkreuzschnellbleichekurs erledigt werden und die eine HF auf der Station nur noch am PC sitzt (aktuelle Wirklichkeit in einigen Pflegeheimen).

    Die andere Wirklichkeit ist dass in der Schweiz seit Jahre die Temporärfirmen boomen und mit den Pflegenden Millionen verdient wird! Schön wenn man hin und wieder mal ein Beispiel findet wie im Artikel, dass es auch anders geht, wenn man nur wollte!

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