Zuger Gemeinden fehlen die Schwimmbäder

Kinder haben zu wenig Schwimmunterricht – trotz Seeanstoss

Nicht jede Zuger Gemeinde hat ein Hallenbad wie Oberägeri und Unterägeri mit dem Ägeribad. Das braucht es auch nicht zwingend, meint Herbert Dörnberger von der Schweizer Lebensrettungs-Gesellschaft. (Bild: Andreas Busslinger/zVg) (Bild: Andreas Busslinger/zvg)

Mindestens drei Zuger Gemeinden können ihren Primarschülern nur gerade das Nötigste im Schwimmunterricht beibringen. Darunter befinden sich ausgerechnet Seegemeinden. Keine ideale Situation, findet die Schweizerische Lebensrettungsgesellschaft.

Es gibt sie. Die Schweizerinnen, die kein einziges Schwimmabzeichen haben. Nicht einmal das Seepferdchen. Zu ihnen gehört die Autorin, die nicht einen Schwimmkurs hatte. Und die sich deshalb umso glücklicher schätzen konnte, dass selbst ihre kleine Luzerner Gemeinde einen Schwimmunterricht in der Primarschule anbieten konnte.

Weniger rosig sieht es ausgerechnet beim reichen Nachbarkanton Zug aus. Zwar ist seit dem Lehrplan 21 der Schwimmunterricht zumindest in der 3. und 4. Klasse obligatorisch. Doch bereits bei der Einführung auf das Schuljahr 2019/20 hin war klar: Gewisse Zuger Gemeinden schaffen es kaum, diesen einzuhalten (zentralplus berichtete). Das Problem besteht auch gut drei Jahre später noch.

Zuger Politikerinnen sorgen sich um Schwimmunterricht

Eine kürzlich erschienene Recherche der «Zuger Zeitung» zeigt: In welcher Gemeinde ein Zuger Kind zur Schule geht, macht im Extremfall über 200 Stunden Schwimmunterricht mehr oder weniger aus. In einigen Gemeinden hat dieser Fakt die Politik auf den Plan gerufen. So macht sich beispielsweise die Stadtzuger SVP Sorgen um den Schwimmunterricht und fordert ein neues Hallenbad (zentralplus berichtete).

Die Schlusslichter der Auswertung – Risch, Steinhausen, Walchwil und Neuheim – sind zwar nicht untätig. Aber die nötigen Wasserflächen für den Schwimmunterricht bereitzustellen gestaltet sich schwierig.

«In einer idealen Welt mit unerschöpflichen Ressourcen gäbe es beim Schwimmunterricht einen Theorieteil und einen praktischen, in dem verschiedene Schwimmtechniken geübt werden.»

Herbert Dörnberger, Präsident SLRG Sektion Kanton Zug

So übt etwa in Steinhausen die Politik mittels Motion Druck auf den Gemeinderat aus, das Schwimmunterrichtsproblem zu lösen. Wie die Gemeinde gegenüber der «Zuger Zeitung» beteuert, nehme sich derzeit eine Arbeitsgruppe des Problems an. Auch die umliegenden Gemeinden seien bereits angeschrieben worden.

Zuger Hallenbäder sind meist unrentabel

Eine ähnliche Motion für ein Schwimmbad in Risch, das derzeit am Tabellenende bezüglich der Anzahl Schwimmlektionen liegt, ist 2019 abgelehnt worden. Unter anderem wegen den befürchteten Kosten. Denn nicht nur der Bau eines Hallenbads geht ins Geld, sondern auch der Betrieb.

Öffentliche Schwimmbäder sind selten selbsttragend. Wie das Nachrichtenportal aufführt, schloss etwa das Hallenbad Lättich in Baar 2019 mit einem Minus von einer Million Franken. Das Hallenbad Röhrliberg in Cham verzeichnete im selben Jahr ein Defizit von 700'000 Franken. In der Stadt Zug sind die Defizite beim Hallenbad Loreto und Herti zwar nicht ganz so hoch. Trotzdem blättert sie jährlich 96'000 respektive 56'000 Franken hin.

«Ein Hallenbad kostet, das schleckt keine Geiss weg.»

Auch für die Gemeinde Walchwil kommt deshalb der Bau und Betrieb eines eigenen Schwimmbads nicht infrage. Sie habe eine Lösung jenseits der Kantonsgrenzen gesucht und sie mit dem Hallenbad Brunnen auch gefunden. Da die Schwyzer Schüler andere Ferienzeiten haben, können sie deren Schwimmbad nutzen (zentralplus berichtete).

Trotzdem reicht der Schwimmunterricht nur für das Nötigste. Walchwil wie auch die Gemeinden Neuheim und Steinhausen haben sich deshalb vom Kanton für die Ziele des Lehrplans 21 dispensieren lassen. Ihr Minimalziel, das sie erfüllen müssen, ist der sogenannte «Wassersicherheitscheck». Dabei wird geprüft, ob sich ein Kind nach dem Fall ins Wasser orientieren, eine Minute an Ort über Wasser halten und eine Strecke von 50 Meter schwimmen kann.

Keine ideale Situation

Zum Wassersicherheitscheck meint Herbert Dörnberger, der Präsident der Zuger Sektion der Schweizerischen Lebensrettungsgesellschaft SLRG: «Wenn ein Kind den besteht, geht man davon aus, dass es sich eine Zeit über Wasser halten kann.» Dass der Schwimmunterricht in drei Zuger Gemeinden nur diesen zum Ziel haben, sei OK. «Aber mehr ist sicher auch gut.»

Für die schwierige Situation der Gemeinden zeigt er Verständnis. «In einer idealen Welt mit unerschöpflichen Ressourcen gäbe es beim Schwimmunterricht einen Theorieteil und einen praktischen, in dem verschiedene Schwimmtechniken geübt werden.» Aber er fügt an: «Ein Hallenbad kostet, das schleckt keine Geiss weg.» Letztlich sei der Entscheid für oder gegen ein Hallenbad eine Güterabwägung.

Aus Sicht der Schweizerischen Lebensrettungsgesellschaft aber durchaus eine lohnenswerte. «Aus der Sicht der SLRG ist klar, dass für möglichst wenige Ertrinkungsunfälle in solche Infrastrukturen investiert werden sollte», hält Mediensprecher Christoph Merki auf Anfrage fest. Denn gerade in der Schweiz mit ihren vielen offenen Gewässern und der grossen Dichte an Schwimmbädern kämen Kinder früh in Berührung mit Wasser.

Zugersee statt Hallenbad?

Herbert Dörnberger führt aber an, dass nicht alle Lektionen zum Thema Sicherheit im Wasser zwingend in einem Hallenbad stattfinden müssen. Ein wichtiger Teil sei auch das Beibringen von Verhaltensregeln am und im Wasser. Und auch der praktische Teil müsse nicht zwingend in einem Hallenbad stattfinden. Schliesslich liegt der Kanton Zug an einer grossen, frei zugänglichen Wasserfläche: am Zugersee.

Diesen für den Schwimmunterricht zu nutzen sei zwar nicht ganz ohne Tücken. So müssen die Wetterverhältnisse, die Wassertemperatur und auch der Wind stimmen. Auch die Sichtverhältnisse seien anders als bei einem klar abgegrenzten Becken im Hallenbad. «Aber letztlich ist es eine Frage der Organisation.»

Vom Schwimmunterricht in Seen ist auch die SLRG Schweiz überzeugt. Ein Pilotprojekt diesen Sommer beim Luzerner Sempachersee «war ein Erfolg», so Mediensprecher Christoph Merki. «Es hat sich damit gezeigt, dass eine entsprechende Ausbildung auch in offenen Gewässern möglich ist.»

Dörnberger streicht beim Schwimmunterricht im Zugersee auch praktische Vorteile hervor: «Grundsätzlich wäre das zur Prävention des Ertrinkens fast besser. Wenn man schaut, wo Personen ertrinken, sind das meist Frei- oder Fliessgewässer.»

Gemäss Bademeister macht sich fehlender Unterricht bemerkbar

Schmerzlich bewusst wurde das den Zugern in diesem Jahr beispielsweise beim tragischen Unfall eines vierjährigen Mädchens in Freibad Lättich (zentralplus berichtete). Und auch der Bademeister des Strandbads Zug meinte im Sommer gegenüber zentralplus, dass er alle Hände voll zu tun habe. Unter anderem deshalb, weil wegen der Pandemie zahlreiche Schwimmkurse ausgefallen sind. Und weil die Schwimmkenntnisse vieler Kinder zu wünschen übrig liessen: «Viele Kinder schwimmen sehr schlecht, zum Teil noch im Hundeschwumm.»

Verwendete Quellen
  • Artikel «Zuger Zeitung» vom März 2022
  • Artikel «Zuger Zeitung» vom Oktober 2022
  • Medienarchiv von zentralplus
  • Bildungsratsbeschluss des Kantons Zug zur Reduktion des Lehrplan 21 im Bereich Schwimmen
  • Telefonat mit Herbert Dörnberger, Präsident SLRG Sektion Kanton Zug
  • Schriftlicher Austausch mit Christoph Merki, Mediensprecher SLRG
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Tinu Mase
    Tinu Mase, 15.10.2022, 00:37 Uhr

    Die Situation ist oberpeinlich und für den reichen Kanton eine Schande. Die Kinder haben alle 2 Wochen unterricht oder sogar ganze Semester keinen. Das alles verdanken wir der extrem rechtslastigen Regierung die lieber Reichen Steuergeschenke macht als für die Mittelschicht zu achten. Die Situation im Herti ist mittlerweile chaotisch mit Klassen über 20 Kindern und Gewaltexsessen auf dem Schulplatz weil einfach viel zu viele Kinder auf zu wenig Betreuung treffen.

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  • Profilfoto von Maria
    Maria, 13.10.2022, 07:53 Uhr

    Lehrplan 21 ist zwar gut und recht, aber dieser Schwimmunterricht reicht leider nicht aus um effektiv schwimmen zu können. Wer sich kein privaten Schwimmunterricht leisten kann, lernt nicht schwimmen. Dies sollte nicht sein. Für solche Kinder braucht es eine andere Lösung. Auch ist es nicht richtig, dass gewisse Gemeinden im Kanton Zug sooo viel mehr Schwimmunterricht als im LP21 bekommen und andere gar keinen. Nur an der Kapazität kann es nicht liegen. Eine generelle Überdenkung ist hier nötig.

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