Debatte um Dozentin Andrea Franc

Faul und bekifft: Luzerner Studenten kontern die Vorwürfe

Studierende der Universität Luzern wehren sich gegen die Angriffe von Dozentin Andrea Franc.

Die Dozentin der Universität Luzern, Andrea Franc, hat mit Äusserungen zum Nutzen der Geisteswissenschaften eine hitzige Diskussion ausgelöst. Doch wie gehen die «faulen» Studentinnen mit der Debatte um?

Die Empörung um das Interview von Andrea Franc hat unterdessen alle Ebenen erfasst. Einen Shitstorm auf Twitter, eine Reihe von Medienberichten, Stellungnahmen von Fakultäten und Faktenchecks der Aussagen (zentralplus berichtete). Aber kaum wurden diejenigen angehört, die Franc angegriffen hat: Die Studenten.

Die Universität Luzern steht hinter ihnen, besonders jenen der Geisteswissenschaften. Auf Anfrage erklärt Lukas Portmann, Kommunikationsbeauftragter der Universität: «Die Aussagen von Frau Franc decken sich nicht mit der Ansicht und den Erfahrungen der Universität Luzern. Wir haben einen völlig anderen Eindruck von unseren Studierenden.»

«Interessanterweise stiessen Francs Äusserungen bei den meisten Studierenden auf Unverständnis – egal ob in den Geisteswissenschaften oder Wirtschaftswissenschaften.»

Noel Baumann, Vorstand Politik, Studierendenorganisation Universität Luzern

Die Absolventinnen der Geisteswissenschaften würden sehr gut im Berufsleben ankommen und ihre Fähigkeiten optimal einsetzen können, fährt Portmann fort. Doch wie erleben die Studenten selbst die Vorwürfe und Beleidigungen der Historikerin und Ökonomin Andrea Franc?

Grosse Solidarität unter den Studentinnen

Unter den Studenten der Universität Luzern haben die Aussagen von Andrea Franc für viel Ärger gesorgt. Sie haben aber auch Solidarität hervorgerufen. Über 100 Studentinnen haben sich am 8. Juni mit einen offenen Brief, der der Redaktion von zentralplus vorliegt, an die Universitätsleitung gewandt und Forderungen gestellt (zentralplus berichtete). Bis am 22. Juni wollen sie eine Antwort haben.

Im Brief fordern sie eine offizielle Stellungnahme der Universitätsleitung wie auch einen wissenschaftlichen Nachweis von den Thesen, die Franc aufgestellt hat. Zudem aber auch eine Stellungungnahme der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, inwiefern sich der Unterricht von Andrea Franc von dem in den Geisteswissenschaften abhebe.

«Und Studierende verschiedener Richtungen gegeneinander auszuspielen - auch eine Strategie Francs - ist kontraproduktiv.»

Christoph Schram und Jonathan Biedermann, Initianten des offenen Briefs an die Universitätsleitung

Die Initianten des Briefs sind zwei Studenten der Universität Luzern, Christoph Schram und Jonathan Biedermann. Sie erzählen: «Wir haben von Kommilitoninnen viel Zuspruch und Unterstützung auf unsere Initiative erhalten. Das zeigte sich in den zahlreichen Unterschriften, aber auch in den vielen Anregungen, die in die Ausrichtung des Briefs eingeflossen sind.»

Die Studierendenorganisation der Universität Luzern SOL hat sich an dem Brief zwar nicht beteiligt, begrüsst aber die Eigeninitiative der Studenten. Noel Baumann vom Vorstand Politik der SOL, betont die grosse Solidarität unter ihnen: «Interessanterweise stiessen Francs Äusserungen bei den meisten Studierenden auf Unverständnis – egal ob in den Geisteswissenschaften oder Wirtschaftswissenschaften.»

Wohin führt ein Schubladendenken?

Für Schram und Biedermann ist klar: Das Schubladendenken von Andrea Franc ist nicht mehr zeitgemäss. «Zahlreiche Menschen sehen sich mit schwerwiegenden Unsicherheiten konfrontiert: Klima- und Wirtschaftskrise, Covid und Inflation. Dafür brauchen wir ein transdisziplinäres Denken, das darum bemüht ist, alle Studienrichtungen zusammenzubringen», fordern Schram und Biedermann, die sich beide im Studium des interdisziplinären Studiengangs «Philosophy, Politics and Economics» befinden.

«Und Studierende verschiedener Richtungen gegeneinander auszuspielen - auch eine Strategie Francs - ist kontraproduktiv», ergänzen Schram und Biedermann.

Noel Baumann äussert sich genauso besorgt über die Haltung von Andrea Franc. «Ich frage mich ernsthaft, welchen demotivierenden Eindruck diese Äusserungen auf irgendeinen lernwilligen jungen Menschen hinterlassen, sagt er. Baumann hält die Aussagen für kontraproduktiv, sie würden dem Lernklima insgesamt schaden. Der SOL-Vorstand könne deshalb die Forderungen im offenen Brief der Studentinnen nachvollziehen.

Welche Motive stecken hinter Francs Aussagen?

Für Christoph Schram und Jonathan Biedermann geht es aber um mehr. Sie wollen sich nicht allein gegen die Beleidigungen und Vorwürfe von Franc wehren. Denn sie sehen klare Motive in den Äusserungen der Dozentin. Die Studenten erklären: «Zunächst einmal gilt es zu realisieren, dass es sich hier nicht um eine polemische Debatte rund um Gepflogenheiten innerhalb der Akademie handelt, sondern um eine polemische Debatte um bildungspolitische Ziele».

Aus ihrer Sicht zielen Francs Aussagen auf eine bestimmte Frage ab: «Welchen Zielen dient Bildung in einer liberalen Gesellschaft?» Die Antwort liefere Franc laut Schram und Biedermann gleich mit: «Bildung habe den Zweck, Menschen anpassungsfähig zu machen, so dass sie sich reibungslos in den ökonomischen Verwertungs-Apparat einspannen lassen.»

Mit dem offenen Brief wollten Schram und Biedermann diese Frage ins Zentrum der Diskussion stellen, erklärten sie, um die Antwort darauf zu verhandeln.

«Selbstverständlich interessieren wir uns für Bildungsmotive und Interessenbindungen von Lehrbeauftragten. Das bedeutet aber nicht, dass wir solche grundsätzlich als problematisch erachten. Wichtig ist vor allem, dass sie transparent sind.»

Christoph Schram und Jonathan Biedermann, Initianten des offenen Briefs

Den Nutzen von Studiengängen beziffern zu wollen, wie es Franc tat, erscheint ihnen wenig sinnvoll. «Die komplexen und neuartigen Herausforderungen unserer Zeit verlangen nach neuen Kriterien», sagen sie.

Das Potential der Bildung – und auch der Geisteswissenschaften – sehen sie vielmehr darin, Denkräume zu schaffen, in denen Mittel und Ziele neu verhandelt werden können. «Eine bloss ökonomische Verwertbarkeit reicht hier als Kriterium nicht aus. Eine demokratische und liberale Gesellschaft verdient eine Wissenschaft, die solche Freiräume bewusst zu schaffen weiss», führen die Studenten aus.

Dozenten haben an der Universität nur einen Nebenjob

Die Motive hinter den Aussagen von Andrea Franc standen in den zahlreichen Medienberichten eher im Hintergrund. Dass sie wirtschaftsliberale Ideen vertritt, war zwar schnell klar. Dass aber auch klare Interessenbindungen dabei mitspielen, erhielt wenig Aufmerksamkeit. Denn Andrea Franc hat bereits mehrfach Aufträge und Förderung vom wirtschaftsliberalen Verein «economiesuisse» erhalten.

Dass dieser klare bildungspolitische Ziele verfolgt, dürfte ebenso bekannt sein. Wie stark dürfen sich also Dozentinnen einer Universität politisch engagieren und welche Interessenbindungen sind für die Universität problematisch?

Die Universität Luzern sagt auf Anfrage, sie verlange nur von Professoren einen Nachweis von Mitgliedschaften und Anstellungen. Lehrbeauftragte können neben ihrer Anstellung an der Universität Luzern beliebigen weiteren Verpflichtungen nachgehen.

Der Kommunikationsbeauftrage, Lukas Portmann, erklärt: «Das Engagement von Lehrpersonen beschränkt sich in der Regel auch nur auf wenige Stunden. Viele Lehrbeauftragte sind denn auch nicht hauptberuflich Dozierende, sondern in den unterschiedlichsten Branchen tätig.» Und diese Einbindung in andere Tätigkeiten sei für die Studenten auch sehr hilfreich. Portmann erklärt: «Das hat den Vorteil, dass die Studierenden interessante Einblicke in die Praxis erhalten.»

Schram und Biedermann teilen diese Ansicht grundsätzlich: «Selbstverständlich interessieren wir uns für Bildungsmotive und Interessenbindungen von Lehrbeauftragten. Das bedeutet aber nicht, dass wir solche grundsätzlich als problematisch erachten. Wichtig ist vor allem, dass sie transparent sind.»

Verwendete Quellen

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


5 Kommentare
  • Profilfoto von Karl Ottiger
    Karl Ottiger, 13.06.2022, 22:19 Uhr

    Ja gut die Wissenschaft darf man ja nicht angreifen die wissen ja alles.Seit ich auf der Welt bin korrigiert sich die Wissenschaft alle paar Jahre a/ weil sie nichts wissen oder b/ weil sie wirklich bekifft sind wenn ich mich noch zurück erinnere wie besoffen,bekifft und voll Koks die Studenten waren weiss ich als nicht Wissenschaftler wie nach meinem Ableben ungefähr die neue Regierung aussehen wird ich wünsche meinen Enkelkinder viel Glück mit dem was jetzt noch auf sie zukommt in diesem Sinne hopp nicht Wissenschaft.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎1Daumen runter
    • Profilfoto von Logi
      Logi, 14.06.2022, 08:58 Uhr

      Sie haben genau erfasst, für was die Wissenschaft steht: Sie weiss eigentlich nichts, denn alles kann widerlegt werden!
      Doch solange etwas nicht widerlegt wird und aussreichend belegt ist, gilt es als wahr.
      Das ist der grosse Unterschied zur Religion, wo das gegebene Wissen nicht in Frage gestellt werden darf.

      👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎0Daumen runter
      • Profilfoto von Michel von der Schwand
        Michel von der Schwand, 14.06.2022, 14:35 Uhr

        @Karl Ottiger und Logi: Spontan kommt mir bei Euren Aussagen der Dunning-Kruger-Effekt in den Sinn. Bumm!

        👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
    • Profilfoto von Alois von Zingen
      Alois von Zingen, 14.06.2022, 11:22 Uhr

      Ohne Wissenschaft müssten wir auch nicht ihre Kommentare lesen, denn wir hätten ohne Wissenschaftlichen Erkenntnisse auch kein Strom, Internet, usw.

      👍0Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Heinz Hanselkranzmeier Dipl. Ing.
    Heinz Hanselkranzmeier Dipl. Ing., 13.06.2022, 07:51 Uhr

    Diesen Streit sollte man doch wissenschaftlich lösen. In dem man eine statistische Analyse der Einkommen mit oder ohne Geisteswissenschaftsstudium durchführt (vergleich mit wissenschaftlichen Fächern sowie mit gelernten).

    Diese Wissenschaftler sind doch fähig sowas zu machen? Statistik ist ja Grundstein der Wissenschaft.

    👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon