Kritische Fragen zur Entlassung an der Kanti

Entlassung in Menzingen: Regierung unternimmt nichts

Die Zuger Regierung beantwortet Fragen zur entlassenen Lehrerin an der Kanti Menzingen. (Bild: woz)

Die Linke ist mit einigen kritischen Fragen zur Entlassung einer Lehrerin an der Kantonsschule Menzingen an die Zuger Regierung gelangt. Nun nimmt diese Stellung.

Medien haben letzten Herbst über den Fall einer Lehrerin der Kantonsschule Menzingen berichtet, die von der Schulleitung keine Vertragsverlängerung erhielt (zentralplus berichtete). Der Entscheid steht im Zusammenhang mit einer Sexualkunde-Doppellektion.

In besagten Schulstunden, an der nur erwachsene Schülerinnen und die Lehrerin teilgenommen hatten, ging es um weibliche Sexualität, Selbstbefriedigung, die Vorstellungen von einer Beziehung sowie Selbstachtung.

Kurz nach Bekanntwerden des Falls reichte die Fraktion Alternative – die Grünen gemeinsam mit der SP-Fraktion im November eine Interpellation beim Zuger Regierungsrat ein. Dieser hat am Montag Stellung genommen.

Die Wichtigkeit des «pädagogischen Settings»

Zunächst betont die Exekutive darin, dass sie die Ansicht teile, dass es in einem geschützten Rahmen und bei einem guten Vertrauensverhältnis nicht nur möglich, sondern auch wünschenswert sein solle, dass Lehrpersonen speziell auch an einer Kantonsschule mit ihren Schülerinnen und Schülern über gesellschaftspolitisch heikle Fragen diskutieren.

Der Regierungsrat dazu: «Weder die Behandlung der weiblichen Sexualität noch die Behandlung eines anderen Themas führt zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.»

Thema Sexualität war offenbar nicht Streitgegenstand

Doch betont er: «Werte und Normen des Lehrberufs bedingen, dass solche Sequenzen durch die Lehrpersonen besonders behutsam sowie politisch und weltanschaulich zurückhaltend gestaltet werden.» Wichtig sei diesbezüglich das «pädagogische Setting».

«Aus Sicht des Regierungsrats können Probleme und Schwierigkeiten entstehen, wenn die freie Meinungsbildung oder der Schutz der Persönlichkeit und der Intimsphäre nicht gesichert sind», führt dieser aus. «Es ist Aufgabe der Schulleitung, von ihren Lehrpersonen zu verlangen, ihre Unterrichtsgestaltung kritisch zu reflektieren. Dies ist kein Eingriff in die Freiheit der Lehrperson.»

Weiter erläutert die Zuger Regierung: «An der Kantonsschule Menzingen bestand der Streitgegenstand zu keinem Zeitpunkt darin, dass die Sexualität im Unterricht thematisiert wurde.» Damit wiederholt der Regierungsrat die ersten Antworten von Bildungsdirektor Stephan Schleiss gegenüber den Medien (zentralplus berichtete). Die Schule habe das Thema erst im September 2021 in einer Studienwoche zu «Das andere Geschlecht», in welcher es vorwiegend um Feminismus ging, intensiv behandelt.

Linke kritisieren «Maulkorb» der Lehrerin

Die Linken erläutern, dass es gemäss Zeitungsrecherchen eine Lehrperson gewesen sei, die sich bei der Schulleitung gemeldet habe, und nicht etwa eine der Schülerinnen. Die Schulleitung habe anschliessend nicht das Gespräch mit den betroffenen Schülerinnen gesucht.

Sie habe stattdessen «den Vertrag mit der Lehrerin auslaufen lassen und dieser zudem einen Maulkorb verpasst: Die Lehrerin durfte ihre Schülerinnen nicht darüber informieren, wieso es zur Trennung gekommen war.»

Auf die Frage, ob dieser Maulkorb eine berechtigte Massnahme gewesen sei, weist die Regierung auf das Amtsgeheimnis respektive auf das Gesetz über das Arbeitsverhältnis des Staatspersonals hin.

«Es bestehen im vorliegenden Fall gute Gründe dafür, dass der Inhalt der Aktennotiz unter das Amtsgeheimnis fällt.»

Zuger Regierung in ihrer Antwort

«In der im Zeitungsartikel erwähnten Aktennotiz wird die Nachbearbeitung der fraglichen Doppellektion abgehandelt. Die Aktennotiz wurde – wie bei Personalunterlagen üblich – als vertraulich vereinbart.» Die Exekutive weiter: «Es bestehen im vorliegenden Fall gute Gründe dafür – nicht zuletzt zu schützende Persönlichkeitsinteressen der betroffenen Schülerinnen –, dass der Inhalt der Aktennotiz unter das Amtsgeheimnis fällt.»

Im Übrigen hätten Mitarbeiter die berechtigten Interessen des Kantons in guten Treuen zu wahren. Sowohl das Amtsgeheimnis als auch die allgemeine Interessenwahrungspflicht würden nicht mit dem Arbeitsverhältnis enden, sondern auch danach andauern.

Denunziantentum? Die Regierung widerspricht

Die linken Fraktionen fragen weiter, ob es aus Sicht der Zuger Regierung vertretbar sei, dass sich die Schulleitung der Kantonsschule Menzingen auf die Bedenken einer Drittperson, also einer «denunzierenden Lehrperson», und allfälligen eigenen Bedenken von einer Lehrkraft trenne. Dies, bevor die Schulleitung nicht auch die Sicht der betroffenen Schülerinnen eingeholt habe.

Darauf erklärt der Regierungsrat: «Selbstverständlich müssen Lehrpersonen der Schulleitung Bedenken zur Unterrichtsqualität melden können.» Und er betont: «Sofern sich die Angelegenheit nicht kollegial lösen lässt, sind sie sogar dazu verpflichtet.» Aufgrund der Sachlage sei es richtig gewesen, dass die zweite Lehrperson die Schulleitung informiert habe, nachdem sie im Gespräch mit der Lehrperson nicht weitergekommen sei.

Weiter verweist die Regierung auf das Personalhandbuch des Kantons Zug, in welchem das Vorgehen im Zusammenhang mit Whistleblowing beschrieben sei.

Schulleitung hat die Klasse nicht befragt

Bei der Meldung von möglichen Qualitätsdefiziten im Unterricht sei die Schulleitung verpflichtet, als Erstes mit der entsprechenden Lehrperson das Gespräch zu suchen. Dies sei auch gemacht worden. «Die Schulleitung hat die Lehrperson zu einem klärenden Gespräch eingeladen, um von ihr persönlich den Sachverhalt zu erfahren und diesen zu klären.»

Im Gespräch habe die Lehrperson die Aussagen ihres Kollegen zum Verlauf der Lektion bestätigt. «Aus diesem Grund sah die Schulleitung davon ab, die Klasse zu befragen.»

Kantonsschule Menzingen: Zuger Regierung sieht keinen Handlungsbedarf

Auf die Frage nach der Einschätzung zum Grund der Nichtverlängerung des Vertrags, erklärt die Exekutive: «Die Schulleitung und die Lehrperson konnten die Spannungen, die aus der unterschiedlichen Auffassung zur Rolle der Lehrperson im Unterricht resultierten, im Zuge der Nachbearbeitung nicht auflösen.»

Weiter schreibt die Zuger Exekutive: «Der Regierungsrat sieht aufgrund des aktuellen Falls zuständigkeitshalber keinen Handlungsbedarf.»

«Es ist darauf hinausgelaufen, dass man sich über pädagogische Auffassungen nicht einig wurde.»

Stephan Schleiss, Zuger Bildungsdirektor

Bildungsdirektor Stephan Schleiss konkretisiert auf Anfrage: «Nicht der Inhalt der Lektion war das Problem, sondern letztlich deren Nachbearbeitung.» Will heissen? «Es ist im Endeffekt darauf hinausgelaufen, dass man sich über pädagogische Auffassungen nicht einig geworden ist.»

Schleiss weiter: «In diesem Fall haben sich die Schülerinnen offenbar alle wohlgefühlt in diesem Setting. Was jedoch, wenn jemand sich aus Gruppendruck gezwungen gesehen hätte, im Unterricht von einer Erfahrung zu sprechen? Zum Beispiel weil er oder sie vom Thema überrumpelt wurde?» In einem solchen Fall wäre letztlich das Rektorat zur Verantwortung gezogen worden.

ALG ist nur bedingt zufrieden mit den Antworten

Tabea Zimmermann, Fraktionschefin der ALG, ist nur beschränkt zufrieden mit der Regierungsratsantwort auf die Interpellation. Insbesondere beanstandet sie, dass in der Antwort auffällig oft auf Gesetzesparagrafen verwiesen wird. «Inhaltlich werden dadurch mehrmals unsere Fragen umschifft. Beispielsweise im Fall unserer Frage, wo Denunziantentum aufhört und wo Whistleblowing anfängt.»

Dort zitiert der Regierungsrat einen Paragrafen aus dem Personalgesetz. «Darin geht es jedoch lediglich um schwerwiegende Verstösse. Im vorliegenden Fall haben wir es jedoch vielmehr mit einer Lehrperson zu tun, die etwas nicht gut findet, was eine andere Lehrperson getan hat. Das ist aber keine Verfehlung und gehört in den Bereich der Lehrfreiheit.»

«Wann ist es Pflicht, die Schulleitung zu informieren, wann jedoch sollten Themen kollegial gelöst werden?»

Tabea Zimmermann, Fraktionschefin ALG

So wie es die Regierung formuliere, klinge es, als wenn die Lehrpersonen die Aufgaben hätten, die Unterrichtsqualität ihrer Kollegen zu überprüfen und es der Schulleitung zu melden, wenn unterschiedliche Sichtweisen vorliegen.

Lehrpersonen sollen Ecken und Kanten haben dürfen

«Eine gute Schule zeichnet sich dadurch aus, dass Lehrpersonen verschiedene Ansichten haben und dass es Lehrpersonen geben darf, die Ecken und Kanten haben», sagt Zimmermann, die selber an einer Kantonsschule im Kanton Luzern unterrichtet.

«Wenn die Zusammenarbeit mit einer Lehrperson ansonsten in vielen Punkten stimmig ist, muss es eine Schulleitung aushalten können, wenn deren Idee von gutem Unterricht nicht zu 100 Prozent jener der Lehrperson entspricht.»

Zimmermann weiter: «Ist es tatsächlich das Qualitätsmanagement an den kantonalen Schulen, dass sich Lehrpersonen mittels Ganggesprächen gegenseitig überprüfen? Wir wüssten gern, wo die Grenzen sind. Wann ist es Pflicht, die Schulleitung zu informieren, wann jedoch sollten Themen kollegial gelöst werden?»

Weitere Fälle aus Menzingen sind mittlerweile bekannt

Besagter Fall ist der erste in einer Reihe von verschiedenen Vorkommnissen an der Kantonsschule Menzingen. Gemäss einer Recherche der «Zuger Zeitung» scheint es in der Vergangenheit zu mehreren problematischen Situationen gekommen zu sein. Die Zeitung spricht von Verschwiegenheitsvereinbarungen, Andeutungen einschneidender Konsequenzen und einem Klima der Angst, das unter der neuen Schulleitung herrsche (zentralplus berichtete).

Auf die Frage, ob der Regierungsrat plane, auf die besagten Umstände zu reagieren, sagt Stephan Schleiss: «Das ist grundsätzlich nicht Sache des Gesamtregierungsrats. Amtsleitung und Schule selber haben Schritte unternommen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Dies etwa am Dienstag mit einer Konferenz, bei der auch ein unabhängiger Mediator dabei sein wird.»

Verwendete Quellen
  • Recherche CH Media zu Menzinger Lehrerin
  • Bericht und Antrag Zuger Regierung
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