Seit 2014 betreibt der Kanton Luzern eine Kampagne, um die Berufsmatura zu fördern: auch wegen des Fachkräftemangels. Doch zuletzt lief es nicht so wie geplant.
Der Kanton Luzern hat sich seit 2014 auf die Fahne geschrieben, die Berufsmatura (BM) zu fördern. Gegen den Fachkräftemangel und für eine frühe Förderung von Talenten – so lautet die Devise. Doch die Bemühungen scheinen nur wenig zu fruchten. Denn seit Jahren wächst die Anzahl der Anmeldungen nur schleichend. Und zuletzt sank sie sogar, wie soeben veröffentlichte Zahlen des Kantons zeigen.
Die Frage, wie die Berufsmatura attraktiver gestaltet werden kann, beschäftigt daher den Kanton. Doch einfache Lösungen gibt es nicht.
Studieren mit der Berufsmatura
Die Berufsmaturität lässt sich während der Lehre (BM1) oder danach absolvieren (BM2). Bei der BM1 besuchen die Schüler entweder neben ihrer Lehre an einem Tag pro Woche den BM-Unterricht. Oder sie besuchen eine fachspezifische Schule plus ein Praktikumsjahr in einem Betrieb. Die BM2 wird dagegen an eine abgeschlossene Lehre angehängt. Bei einem Vollzeitpensum benötigen Schüler dafür ein Jahr.
Mit der Berufsmaturität dürfen Absolventen an Schweizer Fachhochschulen studieren. Selbst ein Studium an einer Universität oder an der ETH ist möglich, wenn die Berufsmaturanden eine Ergänzungsprüfung, die sogenannte Passerelle, ablegen.
Berufsmaturität während der Lehre ist eine Doppelbelastung
Mit 19 Jahren einen Beruf zu haben und dazu die Möglichkeit, studieren zu gehen, klingt attraktiv. Doch nicht alle Schülerinnen sind für die Berufsmaturität geeignet. «Disziplin, Zielstrebigkeit, Leistungsbereitschaft und eine hohe Selbständigkeit», fordert der Kanton in einem Informationsflyer von den Bewerbern.
«Eine Berufsmaturität und eine Lehre parallel zu machen, ist eine grosse Belastung.»
Christof Spöring, Leiter Dienststelle Berufs- und Weiterbildung
Besonders die BM1 stelle eine Herausforderung dar, sagt Christof Spöring, der die kantonale Dienststelle Berufs- und Weiterbildung leitet, gegenüber zentralplus. «Eine Berufsmaturität und eine Lehre parallel zu machen, ist eine grosse Belastung.» Schweizweit nehme die Nachfrage nach der BM1 daher ab.
Ausserdem würden nicht alle Lehrbetriebe mitziehen. Denn wenn die Lehrlinge parallel die Schule besuchen, sind sie seltener im Betrieb. «In den technischen und kaufmännischen Branchen sind Berufsmaturanden gut vertreten. In der Gewerbebranche noch nicht», erklärt Christof Spöring.
BM nach der Lehre ist beliebter
Während die Anmeldungen für die BM1 seit fünfzehn Jahren stagnieren und abnehmen, nahm das Interesse an der Berufsmaturität nach der Lehre zu (BM2). Insbesondere während der Pandemie stieg die Anzahl der Eintritte enorm.
«Aufgrund der unsicheren Entwicklung des Arbeitsmarkts während der Pandemie haben viele eine BM2 gewählt», sagt Christof Spöring. Wer nach der Lehre nicht direkt eine Anschlusslösung hatte, wählte häufig diesen Weg. Doch schon im Folgejahr 2022 sei der Effekt verflogen, und die Anmeldungen seien gesunken.
«Bezüglich Fachkräftemangel ist der Trend zur BM2 nicht zu begrüssen, da die Lernenden ein Jahr dem Arbeitsmarkt entzogen werden.»
Gaudenz Zemp, Direktor des Luzerner Gewerbeverbandes
Doch der Trend zur Berufsmaturität nach der Lehre gefällt nicht jedem. Gaudenz Zemp, Direktor des Luzerner Gewerbeverbandes (KGL), sieht auch die Schattenseite: «Bezüglich Fachkräftemangel ist der Trend zur BM2 nicht zu begrüssen, da die Lernenden ein Jahr dem Arbeitsmarkt entzogen werden.»
Der Kanton will nachbessern
Für den Kanton scheint dies zweitrangig. 2014 lancierte er wie erwähnt eine Kampagne, um BM1 und BM2 zu fördern. Seitdem besuchen Bildungsbotschafter die Schulen und erklären, dass leistungsstarke Schülerinnen auch eine Lehre und die Berufsmaturität in Betracht ziehen können. Zusätzlich wurde mit den Branchen zusammengespannt.
Nun geht der Kanton auch bei den Aufnahmebedingungen über die Bücher. Bereits ab diesem Sommer können Lehrlinge prüfungsfrei in die BM2 einsteigen, wenn sie die Lehre mindestens mit der Note 5 abschliessen (zentralplus berichtete). Im Sommer 2024 sollen dann die Kriterien für den Einstieg in die BM1 angepasst werden.
Die Berufsmatura leichter zu machen, komme nicht infrage. Ein Studium nachher sei anspruchsvoll, darauf müssten die Schülerinnen vorbereitet werden, meint Christof Spöring.
- Schriftlicher Austausch mit Gaudenz Zemp, Direktor des Gewerbeverbandes des Kantons Luzern
- Medienmitteilung der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung
- Schriftlicher Austausch mit Christof Spöring, Leiter Dienststelle Berufs- und Weiterbildung
- Flyer zur Berufsmatura
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