Undiplomierte an Luzerner Schulen

Lehrerinnen ohne Diplom? Das hat auch Vorteile

Lehrerinnen ohne Diplom können für die Schulen in Luzern eine Bereicherung sein. (Bild: Adobe Stock)

Die Zeit vor den Sommerferien war für viele Schulen eine Zeit des Bangens. Vielerorts fehlten ausgebildete Lehrer. Einige Luzerner Schulen mussten deshalb auf Undiplomierte zurückgreifen. Für einige ist das allerdings ein Glücksfall.

Der Fachkräftemangel bei den Lehrerinnen hat den Volksschulen diesen Frühling grosse Sorgen beschert. Im Mai wurden noch 140 Lehrer gesucht, im Juli waren es dann nur noch 12 Vollzeitstellen (zentralplus berichtete).

Viele Schulen mussten allerdings zu kreativen Massnahmen greifen, um Stellen besetzen zu können. Die Dienststelle für Volksschulbildung (DVS) hatte in einem Schreiben die Pensionärinnen gebeten, für ein weiteres Jahr auszuhelfen (zentralplus berichtete).

Unterdessen ist es aber auch Usus, mit Lehrerinnen zu arbeiten, die kein Diplom für die besetzte Stelle haben. Vor allem sind das Studierende, die in Ausbildung sind, oder Lehrpersonen, die sich in einer Weiterbildung befinden.

Im Kanton Luzern machten sie im Schuljahr 21/22 auf Stufe Kindergarten und Primarschule rund 95 Prozent der nicht diplomierten Lehrpersonen aus. Auf der Sekundarstufe lag der Anteil bei rund 76 Prozent. Allerdings betrifft das keine Förderlehrpersonen wie Heilpädagoginnen oder IF-Lehrpersonen, heisst es von der Dienststelle für Volksschulbildung des Kantons Luzern.

Verschwindend klein, aber ...

An der Schule Ebikon ist man grundsätzlich zufrieden, wie man ins Schuljahr gestartet ist. «Der Anteil von Lehrpersonen ohne vollständige Lehrerausbildung ist verschwindend klein. Von 180 Lehrpersonen haben allein vier Personen kein Diplom für ihre jeweilige Stufe», sagt Rektor Ralph Späni. Das wichtigste für ihn ist, dass die Schlüsselpositionen wie zum Beispiel Klassenlehrpersonen mit vollständig diplomierten Lehrpersonen besetzt sind.

«Es war von Beginn weg unmöglich, genügend Lehrpersonen mit heilpädagogischer Zusatzausbildung zu finden.»

Ralph Späni, Rektor Schule Ebikon

Das sind vor allem die Klassenlehrpersonen und die Fachlehrpersonen der Fächer, die für die Selektion der nächsten Stufe relevant sind. Und auf dieser Stufe konnte die Schule alle Positionen entsprechend besetzen. Die vier Undiplomierten verteilen sich über die weiteren Bereiche.

In den Schulen in Kriens sieht die Situation ganz ähnlich aus. Die Lehrpersonen mit Klassenverantwortung sind alle vollständig ausgebildet und bei den Fachlehrpersonen fehlt nur wenigen das Diplom. In Kriens sind das sieben Personen. Für die zweitgrösste Stadt im Kanton ist das nicht viel.

Die Integrierte Förderung ist ein Sorgenkind

Anders sieht es allerdings im Bereich der integrativen Förderung aus. «Bei den IF-Lehrpersonen ist die Situation schon lange angespannt. Da verfügen weniger als 50 Prozent der Lehrpersonen über die vollständige Ausbildung», sagt Späni.

Die Situation relativiert sich zwar ein wenig, da die meisten IF-Lehrpersonen ohne den Master in der integrativen Förderung oder das Diplom in der Heilpädagogik lange Erfahrung als Klassen- oder Fachlehrperson haben. Aktuell befinden sich einige Lehrpersonen in berufsbegleitender Nachqualifikation mit Unterstützung von Kanton und Gemeinde. 

Doch die integrative Förderung bereitet den Schulen schon etwas länger Sorgen. «Das Problem besteht seit der Einführung der integrativen Förderung. Es war von Beginn weg unmöglich, genügend Lehrpersonen mit heilpädagogischer Zusatzausbildung zu finden», sagt Späni.

«Wir haben schon sehr viele Lehrpersonen aus ehemaligen Praktikantinnen und Praktikanten rekrutieren können.»

Auch in Kriens ist die Lage angespannt. «Im Bereich der Integrativen Förderung sind über die ganze Schule hinweg etwas mehr als 50 Prozent vollständig ausgebildet, einige sind in Ausbildung und einige sind teilweise ausgebildet», schreibt der Rektor der Schulen Kriens, Markus Buholzer, auf Anfrage.

Hinzu komme die Konkurrenz mit den Nachbarkantonen, besonders dem Kanton Zug (zentralplus berichtete). Da der Kanton Zug auf gewissen Stufen und für bestimmte Altersgruppen bis zu 20 Prozent mehr Lohn bezahle, sei es besonders in den Grenzregionen sehr schwierig, Lehrpersonen im Bereich der integrativen Förderung zu engagieren, erklärt Ralph Späni.

Lehrpersonen ohne Diplom sind gut vorbereitet

An den Schulen in Ebikon und Kriens ist also nur ein kleiner Anteil der Lehrpersonen auf der Fachstufe undiplomiert. Für Ralph Späni liegt das aber auch an der aktiven Zusammenarbeit mit den pädagogischen Hochschulen. «Eine gute Vernetzung mit den Ausbildungsstätten ist für uns sehr wichtig. Wir haben schon sehr viele Lehrpersonen aus ehemaligen Praktikantinnen und Praktikanten rekrutieren können», sagt Späni.

Für Späni ist das eine ideale Möglichkeit für eine Rekrutierung. Wenn angehende Lehrer ein gutes Praktikum absolvieren würden, haben sie mehr Einblick als bei jedem anderen Vorstellungsgespräch. «Wir machen aber auch sehr gute Erfahrungen mit Master-B-Studierenden, die noch nicht fertig sind mit der Ausbildung», fährt er fort. Diese können neben ihrem Studium Teilzeit an der Schule arbeiten und gewinnen wertvolle Arbeitserfahrung und können sich im Beruf vernetzen.

Die meisten hören nach zwei Jahren wieder auf

Für die Rektoren der Schulen in Kriens und Ebikon ist vor allem die Betreuung wichtig. Denn die meisten Lehrerinnen, die aus dem Beruf wieder aussteigen, machen das in den ersten zwei Jahren. «Die Gefahr der Überforderung und des Ausbrennens gibt es immer wieder, auch bei Ausgebildeten. Eine gute Begleitung und ein Mentoring in allen Bereichen ist notwendig», erklärt Markus Buholzer von den Schulen Kriens.

«An der Schule hat sich viel verändert. Vor allem die gesellschaftlichen Veränderungen merken wir.»

Darauf legt auch Ralph Späni besonderen Wert. «Wir haben ein Mentoratsprogramm für Berufseinsteiger in den ersten zwei Jahren und Lehrpersonen ohne vollständig abgeschlossene Ausbildung.» Allerdings seien die Studierenden der PH oft sehr gut vorbereitet auf die Ansprüche, die sie an der Schule erwarten, sagt er weiter.

Ältere Lehrer können genauso überfordert sein

Denn die Ansprüche kämen nicht primär von der Schule selbst, sondern eher von den Eltern. Und diese erfährt man dann erst beim Berufseinstieg. «An der Schule hat sich viel verändert. Vor allem die gesellschaftlichen Veränderungen merken wir. Die Ansprüche, die Eltern an Lehrpersonen stellen, sind teilweise hoch», führt Späni aus.

Das Mentorat würde allerdings viel abfangen. Da sei auch die Schulleitung gefordert. Der Austausch mit den Mentorinnen, in den Teams und ein niederschwelliger Austausch mit der Schulleitung sei sehr wichtig. So will die Schule in Ebikon ihre jungen Lehrerinnen unterstützen, wenn die Ansprüche zu hoch werden.

Ralph Späni weist allerdings darauf hin, dass auch ältere Semester nicht vor einer Überlastung gefeit seien. Wenn sich ältere Lehrerinnen nicht weiterentwickeln würden oder sich zu wenig abgrenzen können, seien sie in einer ähnlich schwierigen Situation.

Junglehrer haben an der PH hingegen gelernt, integrativ zu arbeiten und mit den technischen und pädagogischen Herausforderungen von heute zurechtzukommen.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Ralph Späni, Rektor der Schule Ebikon
  • Mailaustausch mit Markus Buholzer, Rektor Schulen Kriens
  • Mailaustausch mit Martina Krieg, Leiterin der Dienststelle Volksschulbildung, Kanton Luzern
  • Medienmitteilung des Kantons Luzern zum Schulanfang

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Albus
    Albus, 30.08.2022, 19:19 Uhr

    Vorteil im Nachteil – Propaganda ganz nach 1984.

    Ich hoffe die Schulen haben aber in Gesundheitsschutz – Lüftungen, Filter, Masken – investiert. Sonst haben wir wiederkehrend das gleiche Problem.

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