Kloster öffnet seine Tore für weitere 200 Ukrainer

Viel Solidarität im 4500-Seelen-Dorf Menzingen zu spüren

Im Kloster Menzingen werden bald 200 Geflüchtete untergebracht. Regierungsrat Hostettler spricht von einer grossen Herausforderung. Nicht nur für Menzingen. (Bild: Regine Giesecke)

Kommende Woche werden in Menzingen neben den aktuellen 120 Geflüchteten 200 weitere Ukrainerinnen aufgenommen. Neben der Sorge betreffend der Beschulung und der Finanzierung ist bei der Menzinger Bevölkerung aktuell eines spürbar: eine bemerkenswert grosse Solidarität.

Wo vor nicht allzu langer Zeit Klosterfrauen lebten und beteten, ziehen bald ukrainische Flüchtende ein. Im derzeit freistehenden Südtrakt des Klosters Menzingen wird deshalb gerade geschuftet wie wild (zentralplus berichtete). Denn bereits ab dem nächstem Montag sollen hier rund 200 Geflüchtete eine vorübergehende Bleibe finden.

Es ist nicht die erste Kollektivunterkunft für Ukrainerinnen in Menzingen. Bereits seit Mitte März in Betrieb ist der Luegeten-Pavillon, der 120 Personen Zuflucht bietet. Was die Gemeinde aktuell zu stemmen hat, ist nicht ohne und sorgt bei der Bevölkerung für Beunruhigung. Darum ist es nicht erstaunlich, dass bei der entsprechenden Informationsveranstaltung am Mittwochabend alle Stühle im Zentrum Schützenmatt belegt sind.

«Wir sind massiv gefordert.»

Andreas Hostettler, Direktor des Innern

Andreas Hostettler, der zusammen mit Stephan Schleiss den Regierungsrat an der Veranstaltung vertritt, nimmt denn auch kein Blatt vor den Mund: «Wir sind massiv gefordert durch die schiere Anzahl an Menschen, die in die Schweiz und auch nach Zug kommen.»

Bereits knapp 440 ukrainische Geflüchtete in Zug

Er zählt sogleich die aktuellsten Zahlen auf: «Im Moment sind in Zug 448 ukrainische Flüchtlinge untergebracht, 160 davon in Kollektivunterkünften, 288 bei Privaten zu Hause. Gesamthaft sind 104 schulpflichtige Kinder im Kanton.» Es sind flüchtige Zahlen, die der Direktor des Innern aufzählt. Denn: «Täglich bekommen wir 15 bis 20 Personen zugewiesen. Insgesamt rechnen wir mit 1500 Geflüchteten in Zug.»

Für die Behörden sei es insbesondere eine Herausforderung, dass die Menschen unterschiedlich untergebracht seien, privat, kollektiv, aber auch in leeren Wohnungen und Ferienhäusern. Ausserdem verlaufe die Zuweisung durch den besonderen Schutzstatus S anders als gewohnt.

Ein grosser Teil der Asylsuchenden sind schulpflichtige Kinder, entsprechend ist auch die Beschulung ein grosses Thema. Das gilt generell im Kanton, für die kleine Gemeinde Menzingen jedoch ganz besonders.

Schule als sicherer Hafen

Bildungsdirektor Stephan Schleiss dazu: «Die Schulen leisten einen wichtigen Beitrag, dass Menschen in einer Gemeinde ankommen können. Es geht nicht darum, aus den Kindern möglichst schnell Hochleistungsschüler zu machen.» Vielmehr geht es um Integration in die Schulgemeinschaft, darum, einen geregelten Alltag zu führen und ab dem ersten Tag Deutsch und damit auch das lateinische Alphabet zu erlernen.

«Ich bin nicht besonders zuversichtlich, dass diese Menschen so bald zurück in die Ukraine können.»

Stephan Schleiss, Zuger Bildungsdirektor

Schleiss mit Nachdruck: «Für mich ist völlig klar, dass wir die ukrainischen Kinder ins Zuger Schulsystem integrieren müssen. Egal, ob sie bald wieder zurück können in ihre Heimat oder hier in der Schweiz den Anschluss finden müssen.» Und weiter: «Ich bin nämlich nicht besonders zuversichtlich, dass diese Menschen so bald zurück in die Ukraine können.»

Menzinger Flüchtlingskinder werden separat unterrichtet

Die Gemeinden könnten zwar selber entscheiden, ob sie separate Klassen für die Flüchtlingskinder machen wollen oder ob sie diese in die regulären Klassen integrieren. Der Menzinger Rektor Walter Holdener dazu: «Wir haben uns für Integrationsklassen entschieden, also für ein separates Setting. Unser oberstes Ziel ist es, die Kinder erst einmal ankommen zu lassen und ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Dies mit einem strukturierten Tagesablauf.» Schrittweise sei die Hinführung ans Regelsystem geplant.

Vor einer Woche habe man in Menzingen mit einer Klasse gestartet, «es handelt sich um 17 Schüler zwischen 6 und 15 Jahren». Nun sei als Nächstes geplant, mehr Räume und Personal zu beschaffen, damit man die Schüler ihrem Niveau gerecht unterrichten könne.

Nach den Frühlingsferien gibt's eine stärkere Durchmischung

Bereits nach den Frühlingsferien sollen die Kinder schrittweise in die Regelklasse integriert werden. Dies zunächst in den Fächern Sport, Zeichnen oder Werken. Holdener weiter: «Für Kinder, die im Kloster leben werden, haben wir eine Lösung gefunden. Sie werden in der Gemeinde Baar zur Schule gehen. Es ist schön zu sehen, dass die Solidarität gemeindeübergreifend gross ist.»

Vom Kanton habe die Gemeinde aufgrund der überdurchschnittlichen Anzahl der Schulkinder zusätzliche Ressourcen erhalten auf der Ebene Rektorat. So weit, so gut also. Eine weitere Herausforderung an der Situation bleibt jedoch: nämlich die Finanzierung.

Stephan Schleiss sagt dazu: «Es braucht einen Ausgleich zwischen den Gemeinden und dem Kanton Zug. Doch haben wir dafür noch keine gesetzliche Grundlage. Das heisst, es braucht einen Kantonsratsbeschluss.» Angedacht sei eine zusätzliche Pauschale sowie eine Handhabung für den gemeindeübergreifenden Ausgleich für «Cluster», also Gemeinden, welche kantonale Grossunterkünfte betreiben.

Und was ist mit der Sicherheit?

Im Anschluss auf die Wortmeldungen steht das Mikrofon allen Menzingern zur Verfügung. Auffallend dabei: Nur gerade bei einer Wortmeldung wird die Sicherheit thematisiert. Besagter Herr äussert sich wie folgt: «Ich schätzte es damals bei den Gubel-Flüchtlingen, dass man wusste, wohin man sich wenden konnte, wenn etwas war. Ausserdem war stets jemand von der Polizei da.»

Darauf sagt die zuständige Gemeinderätin Barbara Beck-Iselin: «Auch wir haben uns die sicherheitstechnischen Aspekte überlegt. Wer sich unsicher fühlen sollte, darf sich bei der Abteilung Sicherheit melden.» Und weiter: «Was wir jedoch nicht machen werden, ist, zur Vorbeugung Patrouillen loszuschicken.»

«Betreffend Nachtruhestörungen bitten wir Sie, diese gleich zu behandeln, wie sie das bei Ihrem Nachbarn tun würden.»

Michael Metzger, Chef Regionenpolizei

Michael Metzger, der Chef Regionenpolizei, sagt darauf: «Es sind Menschen wie wir, die hier herkommen, auch die haben ihre ‹Mödeli›. Auf relativ engem Raum mit Fremden zu leben, wird für sie nicht nur einfach sein.» Die Polizei werde jedoch erst eingreifen, wenn strafrechtliche Probleme auftauchen. «Dann jedoch werden wir konsequent durchgreifen, um zu zeigen, wie die Regeln sind.»

Betreffend potenzieller Nachtruhestörungen sagt Metzger: «Da bitten wir Sie, diese gleich zu behandeln, wie Sie das bei Ihrem Nachbarn tun würden.»

Einige wollen helfen – nur wie?

Weitere Inputs kommen von Menzingerinnen, die mehr Klarheit wollen. Sie würden sich wünschen, dass die Gemeinde, etwa auf ihrer Webseite, klar und gebündelt formuliere, was die aktuellen Bedürfnisse seien, respektive, wie die Bevölkerung helfen könne.

Dazu äussert sich mitunter Violetta Szikriszt, die Leiterin der Unterkunft Luegeten. Sie sagt: «All die Hilfsangebote berühren mich persönlich. Im Moment ist jedoch das Wichtigste, dass die Leute ankommen können, zu Essen und ihre Ruhe haben. Danach können wir über all die vielen Angebote sprechen.» Was jedoch bereits jetzt bei den Einwohnern der Luegeten gut ankäme: Deutsch- und Englischkurse, El-Ki-Turnen sowie Tanzen.

«Ich kann Ihnen sagen, wir alle werden völlig überrollt.»

Catherine Wehrli, Leiterin Soziales, Steinhausen

Ins gleiche Horn bläst mitunter Catherine Wehrli, die Leiterin Soziales in Steinhausen, welche an diesem Abend ebenfalls in Menzingen ist. Sie sagt: «Ich kann Ihnen sagen, wir alle werden völlig überrollt und sind auf den Verwaltungen noch nicht fit für die vielen Angebote. Meine Bitte darum: Haben Sie Geduld. Die Flüchtlinge sind auch in einem, zwei Monaten noch da. Und auch dann brauchen sie Ihre Hilfe noch.»

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