Erwin Kochs Reportagen auf der Theaterbühne

Berührende Geschichten aus dem Zentralschweizer Alltag

Adrian Furrer, Maximillian Reichert und Wiebke Kayser (v.l.) in «Die schwarze Null».

(Bild: Ingo Höhn)

Der preisgekrönte Luzerner Journalist Erwin Koch ist für seine sehr intimen und detailverliebten Reportagen bekannt. Fünf davon kann man nun im Luzerner Theater auf der Bühne sehen. Er selbst zeigt sich berührt – und hat nach drei eigenen Stücken gelernt, dass er eigentlich nichts vom Theater versteht.

Berührt und stolz habe er sich aus der ersten Hauptprobe von «Die schwarze Null» verabschiedet, sagt Erwin Koch. Berührt davon, was die Theaterschaffenden aus den Geschichten gemacht haben, und stolz, dass sie seine Texte zur Grundlage ihres Schaffens nehmen.

«Ich verstehe nichts von Theater.»
Erwin Koch

Vor zwei Jahren hatte Regula Schröter vom Luzerner Theater den Journalisten Koch gebeten, 20 seiner Reportagen ans Luzerner Theater zu schicken. Nun steht das daraus entstandene Stück über fünf «unbesungene Helden der Zentralschweiz und ihre unheroischen Kämpfe mit dem Berg, der Steuererklärung, der Liebe und anderen Zumutungen». «Archaische und alltägliche Geschichten aus der Region» nennt sie das Luzerner Theater.

Wie Theater funktioniert

«Erst jetzt habe ich realisiert, was es bedeutet, Profi auf diesem Fach zu sein», betont der 61-Jährige nach dem Probenbesuch. Noch so vieles sei offen, wenige Tage vor der Premiere am 6. Oktober, Texte würden erst gelernt. Ihm sei auch klar geworden: «Ich verstehe nichts von Theater.»

Obwohl es schon einige seiner Reportagen und Romane auf die Theaterbühne geschafft haben, bleiben die drei Theaterstücke, die er selbst geschrieben hat, in der Schublade liegen. «Die haben auch so gar nichts mit dem heutigen, modernen und professionellen Theater zu tun.» Beinahe jeden Schritt habe er bei seinen Stücken in akribischen Regieanweisungen notiert, erklärt er lachend.

Geniales Experiment

Dass aus fünf seiner Reportagen ein Theater entsteht, bei dem die Zuschauer den Faden nicht verlieren, konnte sich Koch zu Beginn kaum vorstellen. Doch es scheint zu funktionieren. «Es ist fast genial, wie sie das mit der Inszenierung machen», lobt er Regisseurin Ivna Žic.

Ein Experiment – etwas, das der Schriftsteller in seinem eigenen Beruf als unerlässlich betrachtet: «35 Jahre als Journalist – das macht man nur, wenn der Gestaltungswille immer da ist, wenn man sich beim Schreiben kein Korsett anziehen lässt und beim Erzählen von Geschichten experimentiert.» Beim «Magazin», dem «Spiegel» oder auch im «Geo» sind seine Reportagen erschienen, für welche er um die ganze Welt reiste.

Vertrauen und loslassen

Heute stehen bei Kochs Reportagen vor allem Menschen und ihre Geschichten im Fokus. Aktuell sitzt Koch an derjenigen eines 48-jährigen Bauern, der dabei ist, sich endlich in die Frau zu verwandeln, als die er sich schon seit Kindheit fühlt. Eine Geschichte, wie man sie jetzt öfters hört. «Doch im stockkatholischen Hinterland ist diese Veränderung wohl mit einem besonders grossen psychischen Aufwand verbunden», so Koch.

Die schwarze Null

Zentralschweizer Reportagen von Erwin Koch auf der Bühne des Luzerner Theaters, inszeniert von Ivna Žic. Dramaturgie Julia Reichert.

Die Premiere findet am 6. Oktober 2017 statt.

Ist eine Reportage fertig aufgeschrieben, dann ist sie für Koch meist auch innerlich abgeschlossen. Ausser bei der Geschichte von Sarah, einem Mädchen mit Leukämie, an deren Beerdigung Koch wegen einer Entzündung am grossen Zeh kaum gehen konnte und an die er seither immer denken muss, wenn er seine Zehennägel schneidet. «Keine Ahnung, welche Regionen meines Gehirns sich da jeweils kurzschliessen. Doch Fakt ist, dass mir Schicksale von Kindern länger hängen bleiben als andere.»

Intime Geschichten

Kochs Reportagen handeln von Verlust, von Liebe, oft sind es auch Geschichten des Strauchelns und des Scheiterns – intime Geschichten, bei welchen das Vertrauen der betroffenen Personen in Koch als Autor extrem wichtig ist. Einen «zärtlichen Beobachter» nennt das Luzerner Theater Erwin Koch und fasst damit wohl perfekt zusammen, weshalb auch seine Figuren sich so gut fürs Theater eignen.

Erwin Koch, Journalist und Schriftsteller, ist in diesem Jahr am Literaturfest «Luzern Bucht!» zu sehen.

Erwin Koch

(Bild: Marcel Kaufmann)

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon