Reportage aus dem SCB-Block in Postfinance-Arena

Berner Fankurve feiert: «Zug entgleist»

Bereits in meisterlicher Stimmung: Die SCB-Fankurve am Heimspiel diesen Samstag.

(Bild: Facebookseite SCB)

Déjà-vu für die Zuger in Bern: Wie in der ersten Partie ging der EV Zug im dritten Auswärtsspiel der Final-Serie am Samstag chancenlos unter. Wie erlebte der Berner Anhang den Triumph seines Teams, das nur noch einen Sieg von der erfolgreichen Titelverteidigung steht? Ein Bericht aus der grössten Fankurve der Schweiz.

 

Damit konnte nicht gerechnet werden: Nachdem sich der EVZ mit zwei Siegen in der Serie zurückgemeldet und das vielbeschworene Momentum auf seine Seite gezwungen hatte, verlor er in Bern diskussionslos mit 6:1 (zentralplus berichtete). Das klare Ergebnis und der einseitige Spielverlauf überraschten auch die optimistischsten Berner Fans – wie sich in der Fankurve in der Postfinance-Arena zeigte. Doch zunächst der Reihe nach.

Eine halbe Stunde vor Spielbeginn, als noch nichts auf den Ausgang des Abends hindeutet, ist die Stimmung in der Kurve angespannt. Der SCB war im letzten Heimspiel kurz vor Schluss auf bestem Weg zu einer vorentscheidenden 3:0-Führung. Dass er nun nicht bereits den Meistertitel erringen kann, sondern sich gegen den drohenden Rückstand wehren muss, scheint viele Fans auf dem falschen Fuss erwischt zu haben und ihnen entsprechend Unbehagen zu bereiten.

Der ausgeglichene Stand in der Serie wird vor allem auf Fehler der Berner und weniger auf die Qualitäten des EVZ zurückgeführt. «Wir müssen aktiver spielen und hinten weniger Fehler machen», lautet beispielsweise die an sich simple Botschaft einer fünfköpfigen Fangruppe an ihr Team.

Bange Momente nach dem Führungstreffer

Die Prognosen drücken eher verhaltenen Optimismus oder Trotz aus anstatt grosse Erwartungen. «Hoffentlich erwischt Torhüter Genoni wie in den ersten beiden Partien einen hervorragenden Tag», sagt ein Fan, der ein Leibchen der Berner Torhüterlegende Tosio trägt. Seine Begleiterin, in einer mit zahlreichen Stickern und Buttons verzierten Jeans-Jacke, warnt, dass «wir den Beginn nicht verschlafen dürfen».

Es sind genau diese Worte, die sich ihre Lieblinge offenbar zu Herzen genommen haben. Die Berner legen los wie die Feuerwehr und drängen die Zuger in die eigene Zone zurück. Bereits nach weniger als zwei Spielminuten nutzen sie das erste Power-Play und gehen in Führung. Der Jubel will jedoch nicht so richtig ausbrechen: Denn die Schiedsrichter zeigen sofort an, dass sie sich die Szene im Video anschauen werden.

Zwischenzeitlich ist es dermassen ruhig, dass nur noch die Fangesänge aus dem EVZ-Sektor zu hören sind.

Zwischenzeitlich ist es dermassen ruhig, dass nur noch die Fangesänge aus dem EVZ-Sektor zu hören sind.

(Bild: les)

Das minutenlange Warten stellt die SCB-Anhänger auf die Probe. Die Anspannung ist mit Händen zu greifen. Mehrere Fans murmeln pessimistisch: «Das war wohl kein Tor.» Zwischenzeitlich ist es dermassen ruhig, dass nur noch die Fangesänge aus dem EVZ-Sektor zu hören sind, die sich von diesem ersten, potenziellen Rückschlag nicht aus dem Konzept zu bringen scheinen.

Als der Schiedsrichter mit der ausgestreckten Hand auf den Mittelkreis den Treffer anzeigt, entladen sich die Emotionen – weniger in überschwänglichem Jubel als in einem Gefühl der Erleichterung. Doch das sollte sich bald ändern: Deutlich gelöster ist die Stimmung wenige Minuten später, als zuerst Bodenmann und kurz darauf Müller die SCB-Führung ausbauen und das Spiel definitiv in die für die Heimfans gewünschten Bahnen lenken.

«Zug macht sich selber kaputt»

Der EVZ wird erst im Verlauf des zweiten Drittels zum Thema, als Helblings dritte Strafe zum 4:0 führt – und in der Berner Fankurve mit den Worten «Zug macht sich selber kaputt» kommentiert wird. Der anschliessende Ehrentreffer der Zuger wird im schwarz-rot-gelben Hochgefühl als Randnotiz zur Kenntnis genommen.

Dass er die Gemüter doch mehr beschäftigt als zunächst angenommen, zeigt sich nach der prompten Berner Reaktion durch Arcobello, der den Vier-Tore-Vorsprung wiederherstellt. Nach kurzem Jubel folgen ausfällige Gesten und hämische, nicht zitierfähige Kommentare von einigen Fans in den Mitt-Zwanzigern in Richtung des Gästesektors, der sich zumindest stimmungsmässig das Resultat nicht anmerken lässt. Die Berner Kurve skandiert das passende «Zug entgleist». Und ein älterer Herr mit prächtigem schneeweissen Playoff-Bart äussert nach mehreren kernigen Zuger Checks lautstark seine Bedenken, dass die Gäste nun aggressiv und mit unfairen Mitteln kämpfen würden. 

Hatten am Samstag in Bern wenig zu feiern: Die EVZ-Fans in der Postfinance Arena.

Hatten am Samstag in Bern wenig zu feiern: Die EVZ-Fans in der Postfinance-Arena.

(Bild: les)

Das dritte Drittel markiert den Auftakt zur Berner Party-Nacht. Vorbei sind die anfänglichen Zweifel. Die Kurve feiert sich und ihr Team, während das Geschehen auf dem Eis nur noch untergeordnete Priorität geniesst. Die allgemeine Begeisterung mündet in mehreren Versuchen einer La-Ola-Welle. Ein Schauspiel, das in der mit über 17’000 Zuschauern ausverkauften Arena beeindruckender aussieht als in anderen Stadien. Die Grösse der Kurve und die Gewalt der Stimmen kommen nun so richtig zum Tragen.

Keine Zweifel mehr

Die eindrückliche Demonstration des Titelverteidigers scheint alle Zweifel der SCB-Fans weggefegt zu haben. So drehen sich die Diskussionen auf dem Weg aus dem Stadion um die Frage, ob dies der beste Auftritt der Berner Saison gewesen sei und ob es aus party-technischen Gründen besser wäre, am Montag aus der Ferne den Meistertitel zu bejubeln oder lieber noch einige Tage zu warten, um die erste Titelverteidigung im Schweizer Eishockey seit 16 Jahren live vor heimischer Kulisse zu erleben.

Dass der EVZ im Kampf um den Titel eventuell noch ein Wörtchen mitzureden hat, wird dabei nicht in Erwägung gezogen.

Der SCB fegt Zug weg: Dass der EVZ beim Meistertitel noch ein Wörtchen mitreden kann – für die Berner Fans kein Thema.

Der SCB fegt Zug weg: Dass der EVZ beim Meistertitel noch ein Wörtchen mitreden kann – für die Berner Fans kein Thema.

(Bild: Yannick Ringger)

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