Bei Belästigungen und Übergriffen

Luzerner Polizei: So schlagt ihr Angreifer in die Flucht

«Lueg häre!», forderte die Organisation «Interteam» 2016 in einem Präventionsvideo gegen Gewalt an Frauen. (Bild: Screenshot)

Viele Frauen sind schon Opfer von sexuellen Übergriffen geworden. Roland Jost ist bei der Luzerner Polizei für die Prävention zuständig. Er sagt, was ihr tun könnt, um euch zu schützen.

Der junge Mann schlug jeweils in den frühen Morgenstunden zu, wenn kaum noch jemand auf den Strassen unterwegs war. Er passte Frauen ab, die alleine auf dem Nachhauseweg waren. Erst verwickelte er sie in ein harmloses Gespräch, dann griff er sie an und versuchte – zumindest in einem Fall – sie zu vergewaltigen (zentralplus berichtete).

Der geschilderte Fall liegt schon einige Jahre zurück. Aktuell kommen die Erinnerungen aber wieder hoch. In der Nacht auf Samstag ist in der Stadt Luzern erneut eine Frau auf offener Strasse angegriffen und vergewaltigt worden. Die Luzerner Polizei sucht Zeugen – und verstärkt die Kontrollen in der Neustadt (zentralplus berichtete).

Wie kann man verhindern, dass es zu solchen Übergriffen kommt? Das ist eine Frage, die sich Roland Jost schon öfters gestellt hat. Das Spezialgebiet des Luzerner Polizisten ist die Kriminalprävention. «Ich bin davon überzeugt: Man kann mit seinem eigenen Verhalten einiges tun, um das Risiko eines solchen Übergriffes zu vermindern», sagt er.

Die Empfehlungen zielen meist darauf ab, potenziellen Tätern zu signalisieren, dass man kein leichtes Opfer sein wird. Jost erklärt: «Wer einen Angriff plant, wird sich jemanden aussuchen, von dem er glaubt, dass mit wenig Widerstand zu rechnen ist.»

Vorher überlegen: Wie komme ich eigentlich heim?

Menschen, die alleine unterwegs sind, können einfacher überwältigt werden. Also: Plant den Heimweg vom Ausgang so, dass er gemeinsam angetreten werden kann. Wenn dies nicht möglich ist: Packt das Taxigeld schon mal ein – oder benutzt Busse oder Züge.

Im öffentlichen Verkehr ist es besser, sich in ein belebtes Abteil zu setzen. «Wenn das letzte Stück zu Fuss gegangen werden muss, lohnt es sich, allenfalls einen Umweg zu machen, wenn dieses schlecht beleuchtet ist», sagt Jost. Kaum frequentierte Schleichwege sind ein Risikofaktor, der sich meist gut umgehen lässt.

Betrunkene sind ein leichtes Ziel

Im erwähnten Fall hatte der Täter seine Opfer bereits vor dem Club beobachtet. Er sah, dass diese einiges getrunken hatten. «Alkohol führt dazu, dass die Menschen unvorsichtig werden», weiss Jost. Nicht nur die Aufmerksamkeit ist reduziert, auch die Reaktionszeit verzögert sich. Was dem Täter einen Vorteil verschafft – und die Hemmschwelle für einen Angriff senkt. «Jeder weiss, dass man nicht zu viel trinken sollte. Die Erhöhung der eigenen Sicherheit ist ja nur einer der positiven Effekte von massvollem Alkoholkonsum.»

Jost empfiehlt zudem, zu Betrunkenen Abstand zu halten, insbesondere, wenn man sie nicht kennt. «Manche werden leicht aggressiv und sind dann unberechenbar.»

Grenzen klipp und klar kommunizieren

Wenn einer unerwünscht Körperkontakt sucht, ist es wichtig, sich klar und deutlich abzugrenzen. «Ein unmissverständliches ‹Stopp› signalisiert, dass mit Widerstand gerechnet werden muss», sagt Jost. Dabei dürfe man durchaus auch mal laut werden.

Aber was tun, wenn die Person nicht ablässt, im Gegenteil immer zudringlicher wird? Die einfachste Möglichkeit: Die besagte Person stehen lassen und sich entfernen. Reicht dies nicht, ist es vorbei mit der Zurückhaltung. Jetzt gilt es, laut zu schreien, sich loszureissen, im Notfall sogar zu schlagen und zu boxen.

Um sich auf eine solche Situation vorzubereiten, kann es sinnvoll sein, einen Selbstverteidigungskurs zu besuchen (zentralplus berichtete). «Vorbeugen, Widerstandswille und Gegenwehr sind die sichersten Wege zur erfolgreichen Abwehr von sexuellen Übergriffen», sagt Jost.

Finger weg vom Smartphone – ausser bei einem Angriff

Beim Heimlaufen Musik zu hören oder sich mit dem Lesen eines Artikels von der bedrohlichen Situation abzulenken, mag verführerisch sein. Das Problem ist aber: Man bekommt von der Umgebung kaum noch was mit – was es Angreifern leichter macht, ihr Ziel zu erreichen.

Trotzdem ist es gut, das Handy griffbereit zu haben, damit im Notfall rasch um Hilfe gerufen werden kann. «Smartphones haben heute eine Funktion, mit der extrem schnell alarmiert werden kann», sagt Jost. Wird beim Iphone zum Beispiel fünfmal rasch hintereinander der On-/Off-Button gedrückt, kann man einen Notruf absetzen, ohne das Gerät erst entsperren zu müssen.

Wer sich einschüchtern lässt, hat schon halb verloren

Dem Auftreten kommt eine grosse Bedeutung zu. Aus der Körpersprache schliesst der Täter, ob er mit einem Gegenangriff rechnen muss oder nicht. Deshalb ist es wichtig, selbstbewusst aufzutreten. «Instinktiv läuft man beispielsweise schneller, wenn man verfolgt wird», sagt Jost. Besser sei es, normal weiterzulaufen und auch mal einen Blick zurückzuwerfen. «Damit signalisiert man: Ich habe dich gesehen. Ich weiss, dass du da bist. Es wird dir nicht gelingen, mich zu überraschen.»

Waffen sind gefährlich – auch bei der Verteidigung

Einen Pfefferspray dabei zu haben, mag dazu führen, dass man sich sicherer fühlt. Wenn dadurch das Auftreten selbstbewusster wird, kann dies einen positiven Effekt haben. Denn wie gesagt ist die Körpersprache wichtig: Ein aufrechter Gang schreckt Angreifer eher ab.

Kommt es aber tatsächlich zu einem Angriff, kann es sich negativ auswirken, wenn das Opfer beispielsweise einen Pfefferspray dabeihat. «Wenn der Täter körperlich überlegen ist, kann es extrem schnell gehen – und schon werden solche Gegenstände gegen das Opfer selber eingesetzt», warnt Jost. Er empfiehlt, stattdessen einen Taschenalarm dabeizuhaben. «Einmal gedrückt, schlagen diese mit 120 Dezibel Alarm – das treibt jeden Angreifer in die Flucht.»

Diese Verhaltensweisen können dazu beitragen, Risikofaktoren zu minimieren. «Hundertprozentigen Schutz bieten aber natürlich auch sie nicht», räumt Jost ein. Bei seiner Präventionsarbeit geht es darum, die Schutzfaktoren zu stärken. Eines ist ihm aber wichtig zu betonen: «Aus den Tipps den Umkehrschluss zu ziehen, dass Menschen eine Mitverantwortung tragen, wenn sie Opfer von Gewalt werden, wäre völlig falsch. Die Schuld liegt in solchen Fällen immer beim Täter.»

Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals im November 2019.

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