Geister in Luzern

Bei dir spukt’s wohl?

Sam Hess lebt und arbeitet als Heiler und Seher in Luzern. (Bild: jav)

Spuk und Geister sind Tabu und Faszination zugleich. Das Spukhaus von Stans beispielsweise ist in der ganzen Schweiz bekannt. Und wo haben es sich die Geister in Luzern gemütlich gemacht? Der Historiker Kurt Lussi und der Seher Sam Hess fassen ihre Erfahrungen zusammen.

Kurt Lussi, Konservator für Volkskunde und Historiker in Luzern, befasst sich seit Jahren mit Volksglaube und magischer Heilkunde. Und hat in dieser Zeit so einiges an Geschichten und Sagen gesammelt und publiziert.

Sam Hess, Seher und Heiler, lebt in Luzern und kennt sich ebenfalls mit Geistern aus. Seit seiner Kindheit könne er Geister sehen und mit ihnen sprechen, sagt er. Irgendwann sei ihm bewusst geworden, dass er anderen Menschen damit helfen könne. Sechs bis sieben Mal pro Monat wird er mittlerweile gerufen, um Geister aus Gebäuden zu entfernen. Wir haben die beiden ausgefragt, um zu erfahren, wo sich die Geister in Luzern denn so herumtreiben.

Richtplätze und Schlachtfelder

Besonders betroffen von Geistern seien Orte, an welchen Menschen gewaltsam umgekommen seien, sind sich der Geister-Experte und der Volkskundler einig. Daher sei vor allem bei ehemaligen Schlachtfeldern und Richtplätzen Vorsicht geboten. Hess sagt, er habe bei Häusern, welche in der Nähe solcher Plätze stehen, eindeutig mehr Einsätze als in anderen Gebieten. Aber auch in Quartieren rund um Friedhöfe sei die Belastung durch Geister höher als allgemein. «Früher hat man noch auf solche Dinge geachtet. Man hätte nie an einem solchen Platz gebaut», sagt Hess. Das Schlachtfeld von Sempach sei ein besonders heikler Standort für Wohnhäuser, warnt Hess. Es sei so viel Leid und Schmerz an diesen Platz gebunden, da geschätzte 2’000 bis 3’000 Mann bei dieser Schlacht ihr Leben verloren und grausame Qualen erleiden mussten. Eine solche Energie könne man nicht einfach ignorieren.

Richt- und Schlachtplätze sind in und um Luzern gut belegt. Bei der Sentimatt wurden früher beispielsweise Todesurteilen vollstreckt, darunter vor allem Enthauptungen. Ausserdem wurde auch der untere Teil des Weinmarkts im Mittelalter als Richtplatz genutzt. Auf Anfrage wollte jedoch keiner der befragten Anwohner etwas von unerlösten Seelen wissen, die an diesen Stellen noch umgehen sollen. Man müsse doch für solche Geschichten aufs Land rausfahren, meinen die Leute in der Stadt.

Geister in der Neustadt

Lussi sagt jedoch, er könne in der Häufigkeit von unerklärlichen Ereignissen keine Unterschiede zwischen Stadt und Land ausmachen. In ländlichen Gebieten gäbe es natürlich den Dorfklatsch, und Geistergeschichten würden schneller die Runde machen. Wohingegen solche Vorkommnisse in der Stadt anonymer behandelt würden und noch eher ein Tabuthema darstellten. Aber sogar aus der Luzerner Neustadt kann der Historiker Lussi von einem Vorfall berichten, der ihm persönlich vom Betroffenen erzählt worden sei.

An der Voltastrasse beispielsweise habe sich ein junger Mann Ende der 80er Jahre nach seinem Einzug in eine Mehrfamilienhaus immer häufiger unwohl gefühlt. Er habe vor allem nachts das Gefühl gehabt, von etwas auf das Bett gedrückt und gewürgt zu werden. Er habe angefangen, Stimmen zu hören und Traum und Realität hätten zu verschwimmen begonnen. Nach erfolglosen Versuchen, das Ganze durch psychologische Abklärungen zu verstehen, sei der junge Mann von der Anwesenheit eines Geistes überzeugt gewesen. Und habe es schliesslich gewagt, den Hauswart darauf anzusprechen. Dieser habe auf Nachfrage gleich gesagt: «Ist es wieder da!» Bereits die Vormieterin des jungen Mannes sei nach einigen Vorfällen von der Präsenz eines Geistes überzeugt gewesen. Der Hauswart berichtete auch, im Haus sei vor ungefähr zwanzig Jahren eine Frau verstorben und einige Tage nicht gefunden worden, schreibt Lussi in seinem Buch «Im Reich der Geister».

Von einem Vorfall an der Geissmattstrasse sei sogar in einer Zeitung berichtet worden, erzählt Lussi. Im Jahre 1930 wurde der Mordfall am Hauseigentümer Carl G. ungeklärt zu den Akten gelegt. Einige Jahre nach seinem Tod zogen Nachkommen des Ermordeten in das Haus. Den Kindern der Familie sei anschliessend über Jahre hinweg immer wieder eine weisse Gestalt erschienen, berichtet Lussi. Die Familie habe sehr unter der Situation gelitten und sei schliesslich ausgezogen. Die Tochter sei Jahre später bei ihrer Verwandten, der Witwe von Carl G., zu Gast gewesen. Dort habe sie auf einem Bild von Carl G. den Geist aus ihrer Kindheit wiedererkannt.

Inzest und Selbstmord

Oft stünden tragische Hintergründe und Familiendramen hinter den Geistergeschichten, erzählt Lussi. Wie bei einem Bauernhof, in der Umgebung von Luzern, wo über Jahrzehnte hinweg das Vieh einging. «Als schliesslich eine Versegnerin geholt wurde, wies diese die Besitzer an, das Güllenloch auszupumpen», erzählt Lussi. Dabei habe man im Güllenloch Kinderknochen vorgefunden. Nachforschungen der Betroffenen ergaben, dass es sich um unerwünschte Kinder aus einer inzestuösen Beziehung eines Geschwisterpaares handeln musste, welches früher den Hof bewirtschaftete. Die unerlösten Seelen der ermordeten Kinder mussten das Vieh krank gemacht haben – durch den Kreislauf der «Gülle» im Boden und damit im Gras, welches die Tiere assen – erklärt Lussi und fügt an: «Mit der Bergung der sterblichen Überreste verschwanden auch die Krankheiten».

Am Ämmerberg in Ruswil zog sich die Geschichte um eine Tafel über Jahrzehnte durch das Leben der Bewohner eines Bauernhofes. Eine alte Metalltafel hing in jenem Bauernhof im Teil zwischen Stall und Wohnbereich. Auf der Tafel ist das einzig Leserliche der Name «Melchior Schenker». Der Name eines ehemaligen Bewohners, welcher sich nach familiären Streitigkeiten in jenem Zwischenteil des Hauses Ende des 19. Jahrhunderts erhängt haben soll. In den 1920er Jahren seien die Kinder der Familie im selbigen Bauernhaus immer wieder durch Geister erschreckt worden. Nach dem Entfernen der Tafel sie der Spuk unterträglich geworden und habe sich erst beruhigt, nachdem die Tafel wieder an ihren Platz gehängt wurde.
Als vor einigen Jahren ein Unternehmer aus Luzern das Haus gekauft habe, sei dieser vom guten Zustand und der Lage überzeugt gewesen, erzählt Lussi. Er habe die Tafel im Bauernhaus bald abgenommen und an den Historiker Lussi weitergegeben. «Innerhalb weniger Jahre ist anschliessend die Zufahrtsstrasse abgerutscht, der Brunnen vor dem Haus ist versiegt und der Mittelteil, wo die Tafel früher hing, ist eingestürzt», erzählt Lussi. Das Bauernhaus musste abgetragen werden und heute ist davon nur die Tafel geblieben.

Die Tafel aus dem Bauernhof am Ämmerberg.

Die Tafel aus dem Bauernhof am Ämmerberg.

(Bild: zvg)

Geister auch am Bahnhof und an Konzerten

Aber nicht nur die Seelen gewaltsam verstorbener Menschen seien noch unterwegs, sagt Sam Hess. Hess kann überall Geister sehen. «Es hat viele am Bahnhof, die warten am Perron und fahren auch oft mit den Zügen mit», erzählt er. Auch an Konzerten hielten sich viele Geister auf, «die müssen ja auch keinen Eintritt bezahlen», amüsiert sich Hess. «Wanderer» nennt er die Geister, die sich bewegen und nicht an einen Ort gebunden sind. Diese würden die Lebenden grundsätzlich nicht auf sich aufmerksam machen wollen, wie die Seelen, die sich an einen Ort, eine Person oder auch eine ganze Familie hängen. Nur in diesen Fällen würden sich schwierige Verhältnisse im Zusammenleben von Lebenden und Toten entwickeln.

Höflich mit Geistern kommunizieren

Altbekannte Mittel zum Schutz vor Geistern sind Amulette, Gebetszettel, Palmbüschel und Weihwasser. Die Tipps von Sam Hess zum Umgang mit Geistern sind simpel: Man solle den Geist ansprechen, wie man es mit lebenden Menschen tut. Man solle ihn fragen, was er wolle, «und ihn höflich bitten, er solle dich in Ruhe lassen.» Man solle sich nicht fürchten, das sei wichtig. Denn meist fürchte sich der Geist genauso.

Diese Seelen zu entfernen sei eine heikle Arbeit, erklärt er. Oftmals müsse er den Geistern als Erstes klar machen, dass sie verstorben sind. Dann ginge es darum, ihnen zu erklären, dass sie an diesem Ort nicht mehr willkommen sind und sich von dort fernhalten sollen. Er könne keine Seelen ins Licht führen, er könne sie nur dazu bringen, dass sie einen Ort verlassen. Meist wird er von Privatpersonen gerufen. Hauptsächlich in Wohnungen, Bauernhäusern und Ställen finde seine Arbeit statt. Aber auch Schulhäuser und andere öffentliche Gebäude habe er bereits von Seelen befreit. Er sei sich bewusst, dass viele Leute ihn für einen Spinner halten würden und seine Arbeit nicht ernst nähmen, aber das sei ihm egal. Er sei damit aufgewachsen und lebe damit.

Andere Menschen, die mit Geistern sprechen können, habe er bisher nicht kennengelernt, sagt er. «Das ist eigentlich schade. Ich will ja nicht gleich eine Gewerkschaft gründen, aber es wäre schön, sich austauschen zu können», lacht Hess.

 

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