Protest gegen Luzerner Zwangsferien hat begonnen

Bei der Bildung sparen? «Huere Seich!»

Vor dem Luzerner Theater protestieren Lehrpersonen und Schüler gegen die Zwangsferien.  (Bild: rmu)

Statt vor ihren Schülern stehen die Mittelschullehrpersonen vor dem Luzerner Theater. Die Zwangsferienwoche hat begonnen. Seit heute Morgen mobilisieren Betroffene gegen die kantonalen Sparmassnahmen. Und bringen eigene Sparvorschläge in die Debatte.

«Man könnte anderswo sparen, bei den Radarkästen zum Beispiel», sagt Thomas Kuza aus Buchrain, «oder bei den Beamten, die produzieren viel Papierkrieg für nichts.» Thomas Kuza sprudeln die Beispiele nur so heraus. Man habe etwa die «Hündeler» zu Hundekursen verknurrt, jetzt merke man, dass es nicht funktioniere.

Unzählige Beispiele gebe es, wo Gesetze und Verordnungen erlassen würden, die nur Geld kosten, aber nichts nützen. Kuza wendet sich schon ab zum Gehen, aber er kommt nochmals zurück: «In der Bildung sollte man aber nie sparen, das ist das Dümmste, was man machen kann.»

Im Asylbereich statt in der Bildung sparen

Thomas Kuza ist einer von vielen Passanten, die an diesem Montagmorgen am Theaterplatz vorbeigehen und einen Flyer in die Hand gedrückt bekommen. Von Mittelschullehrerinnen und -lehrern, die hier die ganze Woche gegen die Zwangsferien protestieren, die ihnen der Kanton verordnet hat (zentralplus berichtete).

«Ich bin dagegen, dass man bei der Bildung Leistungen abschränzt.»

Passantin Helen Wermelinger

Für die Standaktion haben der Verband der Luzerner Mittelschullehrerinnen und -lehrer (VLM) und die Gewerkschaft VPOD ein Zelt, Transparente und eine Hau-den-Lukas-Maschine aufgefahren. Wer auf die Maschine haut, kriegt ein T-Shirt.

Feste draufhauen: Wer auf die Maschine haut, kriegt ein T-Shirt.  (Bild: rmu)

Feste draufhauen: Wer auf die Maschine haut, kriegt ein T-Shirt.  (Bild: rmu)

Auch Theres L. aus Luzern – sie will ihren vollen Namen nicht veröffentlicht sehen – findet die Zwangsferien schlecht. «Man spart am falschen Ort», findet sie. «Wenn man an den Schulen spart, so wie jetzt mit diesen Zwangsferien, ist diese Zeit für die Schüler verloren, man kann sie nicht mehr zurückholen.» Doch die Steuern heraufsetzen (wie das jetzt mit dem Konsolidierungsprogramm 2017 vorgesehen ist), ist für Theres L. auch keine Lösung. Sie will anderswo ansetzen. «Ich finde, im Asylwesen könnte man Geld sparen. Ich finde, Flüchtlinge sollten durchaus zu uns kommen können, aber sie sollten nicht alles bekommen.»

Etwas bescheidener sein

«Ich bin dagegen, dass man bei der Bildung Leistungen abschränzt», sagt Helen Wermelinger aus Luzern. «Sparen in der Bildung, das ist ein Witz, das ist falsch, und auch Sparen in der Kultur ist falsch», sagt sie, man könne anderswo sparen, zum Beispiel beim Sport. Und man müsse auch nicht jeden neuen Autobahnkilometer mit einer grossen Party mit Häppchen einweihen, da könne man durchaus bescheidener sein.

«Die Zwangsferien als Massnahme sind so drastisch. Viele finden das skandalös.»

Stefanie Thut, Lehrerin

Ihr Ehemann Antonio Wermelinger fügt hinzu: «Wir rüsten immer mehr auf und bauen immer mehr Strassen und vergrössern ständig die Infrastruktur, wir vernichten immer mehr Kulturland. Das ist eine Folge des Wettbewerbs um mehr Steuerkraft, da mache ich ein grosses Fragezeichen.»

Diese Meinungen sind nur eine Momentaufnahme. Doch sie decken sich mit den Erfahrungen der Mittelschullehrerinnen und -lehrer an der Standaktion. «Viele sagen, sie seien politisch nicht links positioniert, aber diese Zwangsferien finden sie trotzdem schlecht», sagt Edith Bollhalder, Geografielehrerin an der Kantonsschule Reussbühl. Und Stefanie Thut, Lehrerin für Sozialwissenschaften am Fach- und Wirtschaftsmittelschulzentrum in Luzern, staunt, wie gut die Passanten über die Zwangsferien Bescheid wissen. «Viele haben Enkel, die davon betroffen sind, oder sie haben selber Kinder, die nun zu Hause bleiben müssen. Ausserdem sind die Zwangsferien als Massnahme so drastisch, dass viele das als skandalös empfinden.»

Sind Zwangsferien das kleinere Übel?

Am Theaterplatz kommen auch drei Vorstandsmitglieder des Verbandes der Luzerner Schülerorganisationen (VLSO) vorbei. «Wir wollen nochmals unterstreichen, dass wir die Zwangsferien ablehnen», sagt Livia Unternährer, Schülerin an der Fachmittelschule Sursee, «und wir verlangen, dass sich das in den nächsten Jahren nicht wiederholt.»

Mit einem Hau den Lukas machen Schüler ihrem Ärger Luft.  (Bild: rmu)

Mit einem Hau den Lukas machen Schüler ihrem Ärger Luft.  (Bild: rmu)

Auch Aldo Magno, Leiter der kantonalen Dienststelle Gymnasialbildung, kommt zur Standaktion. «Es ist das Recht und die Aufgabe der Gewerkschaft, dass sie ihre standespolitischen Interessen wahrnehmen», sagt Aldo Magno. «Doch anderseits sind wir verpflichtet, ein gesetzeskonformes Budget vorzulegen, und dementsprechend hat der Kantonsrat über Sparmassnahmen entschieden.»

«In einem der reichsten Länder der Welt ist das schwierig zu erklären.»

Aldo Magno, kantonale Dienststelle Gymnasialbildung

Im Rahmen einer Verzichtsplanung seien die Zwangsferien aber gegenüber der Streichung von Lektionen das kleinere Übel. «Wenn man Lektionen streicht, sind sie weg, und zwar für immer.» Dennoch sei es bedauerlich, dass man die Mittelschulen für eine Woche schliesse. «In einem der reichsten Länder der Welt ist das schwierig zu erklären.»

Ein Riesenthema

«Skandalös» oder «huere Seich», diese Worte fallen häufig im Gespräch zwischen Mittelschullehrern und Passanten. Doch viele Vorbeigehende schnappen sich auch bloss den Flyer, schauen kurz darauf und stecken ihn in die Tasche. Was sie über die Zwangsferien denken, bleibt verborgen. Aber es ist klar, die Zwangsferien sind ein Riesenthema.

«Die grosse Aufmerksamkeit überrascht mich», sagt Martin Wyss, Geschäftsführer der Gewerkschaft VPOD, mit Blick auf die schweizweite Berichterstattung in den Medien. «Es ist eine völlig schwachsinnige Lösung, die dem Renommee des Kantons Luzern schadet.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Peter Bossi
    Peter Bossi, 18.10.2016, 08:39 Uhr

    > «Ich bin dagegen, dass man bei der Bildung Leistungen abschränzt», sagt Helen Wermelinger aus Luzern. «Sparen in der Bildung, das ist ein Witz, das ist falsch, und auch Sparen in der Kultur ist falsch», sagt sie, man könne anderswo sparen, zum Beispiel beim Sport. Und man müsse auch nicht jeden neuen Autobahnkilometer mit einer grossen Party mit Häppchen einweihen, da könne man durchaus bescheidener sein.

    Da nehme ich gerne an dass diese Person kein Auto hat und nichts vom Fussball hält? Wenn immer nur die anderen sparen müssen, dann sparen wir nirgends.

    Das sieht man auch an den Lehrern. Wie viele Angestellte in Kleinbetrieben mussten während der Finanzkrise für weniger Geld mehr leisten? Wie oft werden in der Privatwirtschaft Überstunden auch ohne Bezahlung geleistet, weil der Arbeitgeber sonst schliessen muss?

    Die Huldigung der Bildung als oberstes Gut würde man den Lehrpersonen vor dem Luzerner Theater abkaufen wenn sie denn gewillt wären eine Woche ohne Lohn zu unterrichten. Aber eben: Sparen ist was für andere.

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