Wer soll die Lockdown-Ausfälle bezahlen?

Behördlich angeordneter Mieterlass erfährt Gegenwind aus Luzern

Die Luzerner Regierung will die Vermieter von Gewerbeflächen nicht zu einem Mietzinserlass zwingen. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Während des Lockdowns hatten Hunderte von Betrieben keine Einnahmen – sollten aber Miete bezahlen. Der Bund will nun die Vermieter verpflichten, auf 60 Prozent davon zu verzichten. Die Luzerner Regierung lehnt ein derartiges Gesetz ab.

Der Lockdown bedeutete in der Schweiz für viele Betriebe Komplettstillstand. Während die Einnahmen vollkommen oder zu grossen Teilen wegfielen, flatterten schon bald die Mahnungen der Vermieter ins Haus. Wer soll sie bezahlen?

Der Bund schlägt im neuen Covid-19-Geschäftmietegesetz den folgenden Schlüssel vor: Die Mieter sollen 40 Prozent bezahlen, die Vermieter auf 60 Prozent des Mietzinses verzichten. Eine handliche Lösung, die für alle gilt.

Nicht jeder Vermieter ist reich

Bei der Luzerner Regierung jedoch kommt diese Idee nicht gut an. Sie äussert sich in der Vernehmlassung gegen eine gesetzliche Regelung und damit auch gegen eine pauschale Lösung des Problems. «Es sind Vereinbarungen zwischen den einzelnen Vermiet- und Mietparteien zu suchen, die den individuellen Gegebenheiten Rechnung tragen», heisst es in ihrer Vernehmlassungsantwort.

Sonst komme es zu einer Problemverschiebung, warnt die Luzerner Regierung. Immobilienbesitzer seien nicht nur grosse Investoren. Es gebe auch kleine und mittlere Unternehmen oder Handwerkerinnen, die Gewerbeliegenschaften besässen. Deren Situation würde mit einem pauschalen Vorgehen zusätzlich verschärft.

Besteht eine Entschädigungspflicht?

Zur Frage, wer aus rechtlicher Sicht für die Mietkosten behördlich geschlossener Geschäfte aufkommen muss, äusserte sich Paul Richli, emeritierter Rechtsprofessor und Gründer der juristischen Fakultät der Universität Luzern, in einem Exposé, das im April auf dem Online-Portal «Unser Recht» erschienen ist.

Richli sieht den Bund in der Pflicht. Die Schliessung der Geschäfte wirke sich auf die Inhaber ähnlich aus wie eine Enteignung, für die es gemäss dem Landesversorgungsgesetz Abgeltungen gibt. «Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Bund diesbezüglich nicht auch entschädigungspflichtig werden sollte», schreibt Richli.

Drei Rechtsgrundlagen weisen die Richtung

«Das Notrecht ist kein Freipass für entschädigungslose staatliche Betriebsschliessungen», titelt Richli seine Ausführungen. Auch das Epidemiengesetz sehe Entschädigungsbestimmungen für einzelne Personen vor, wenn diese wegen Krankheit, Krankheitsverdacht oder Ansteckungsverdacht nicht arbeiten könnten.

«In einer Krise, wie sie heute gegeben ist, ist aber eine analoge Anwendung auf ganze Berufsgruppen geboten», meint Richli. Sprich: Aus seiner Sicht kann auch dieses Gesetz herangezogen werden, um eine Entschädigungspflicht des Bundes zu begründen.

Vermieter müssen den Mietern entgegenkommen

Die dritte Rechtsgrundlage, die Richli ins Feld führt, ist der Grundsatz «clausula rebus sic stantibus» (auf Deutsch: Bestimmung der gleich bleibenden Umstände). Diesem zufolge bestehe ein Anspruch, dass ein Vertrag angepasst wird, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht – beispielsweise weil sich die Umstände vorhergesehen massiv verändern.

Aus Richlis Sicht ist dies beim Lockdown der Fall. Die Vermieter seien daher in der Pflicht, sich auf eine Vertragsänderung mit den Mietern einzulassen. Aufgrund dieser Überlegungen schlägt er vor, dass der Bund ein Drittel oder die Hälfte der Mietkosten während des Lockdowns übernimmt – und die Vermieter und die Mieter den übrigen Betrag teilen.

Bund hilft nur in Notlagen aus

Dass sich der Bund an den Mietkosten beteiligt, ist im Gesetzesentwurf allerdings nicht vorgesehen. Nur wenn Vermieter infolge von Miet- oder Pachtzinsausfällen in eine «erhebliche wirtschaftliche Notlage» geraten, sollen sie eine finanzielle Entschädigung durch den Bund beantragen können.

Dieser Vorschlag spaltet die Parteien. SP und Grüne begrüssen den Vorschlag des Bundesrats. Aus ihrer Sicht liegt kein Eingriff in die Eigentumsgarantie vor, wenn ein Mietzinserlass von 60 Prozent gesetzlich verordnet wird. Die 40 Prozent, welche die Mieter noch bezahlen müssten, sind aus Sicht der SP immer noch zu viel.

Ganz anders ist die Haltung von SVP und FDP: Erstere spricht von «staatlich angeordneter Enteignung» und Letztere davon, dass eine Pflicht zum Mietzinserlass verfassungswidrig sei. Nachdem die Vernehmlassung nun abgeschlossen ist, überarbeitet der Bundesrat nun den Gesetzesentwurf. Es ist vorgesehen, dass er Mitte September eine Botschaft an das Parlament verabschiedet.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Don Meyer
    Don Meyer, 20.08.2020, 13:50 Uhr

    60/40 ist eine faire Lösung. Falls ein Vermieter dadurch ins Schwanken kommt, tut’s mir leid. Der absolute Grossteil der Vermieter (mich inklusive) profitiert von hohen Marktpreisen und bester Zahlungsbereitschaft der Mieter. Ein Stück vom Kuchen mal nicht zu essen, schadet keinem …

    Habe nie verstanden wie man FDP oder SVP wählen kann. Das Kleingewerbe interessiert die nicht, sondern nur Steueroptimierungen, Aktienkurse, Macht und die Vermehrung von Vermögen.

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  • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
    Kasimir Pfyffer, 20.08.2020, 07:22 Uhr

    Diese Immobilienlobby mit ihrer nackten Geldgier und ihre Sockenpuppen sind sowas von zum Kotzen. Als würde die Welt untergehen, wenn auch die Vermieter einen – kleinen!! – Beitrag leisten müssen, neben all den 100’000en, die wegen Corona Kurzarbeit, Existenzängste, Stellenabbau, Angehörigen- und Nachbarbetreuung, Homeschooling ohne adäquate Infrastruktur etc. kennenlernen durften.
    Jeder Gewerbler, aber jeder, soll sich bitte gut merken, wie die «Wirtschafts»parteien FDP und CVP zum 100. Mal dem Kleingewerbe das Messer in den Rücken stossen und nur den grossen Vermietern helfen wollen. Wer immer noch solche verlogenen und gewerbefeindlichen Parteien wählt, hat echt nichts begriffen.

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