Troller & Sartorius im Luzerner Südpol

Beglückende Grooves und beklemmende Beats

Zwei, die sich verstehen: Julian Sartorius (am Schlagzeug) und Manuel Troller.

(Bild: zvg)

Manuel Troller und Julian Sartorius improvisierten im Südpol-Club. Der Gitarrist und der Schlagzeuger sorgten für akustische Höhenflüge, ohne dabei ihre eigene Handschrift zu vergessen.

Den Auftakt gestalteten die beiden Experimentierfreunde zart und hellhörig. Nach einer Weile (es gelang ihnen binnen Minuten, das Zeitgefühl auszuhebeln) trommelte Troller mit dem Plektrum auf seiner halbakustischen Gitarre. Als würde ein Specht das Instrument in Stücke zerlegen.

Sartorius reagierte seinerseits damit, die Tonhöhen (das, was früher «Melodie» hiess) auf dem Drumset zu intonieren: Die klaren, schneidenden Töne, die er seinen Cymbals entlockte, gingen unter die Haut. Differenziert und bedacht platziert, flitzten sie durch den Club. Ein aufregender Rollenwechsel.

Trollers Plektrum-Staccati sind eines der vielen Tools, mit denen er neue Resonanzräume auslotet. Und wenn er die Tonrepetitionen nach und nach auf die Saiten zurückwandern lässt, gipfeln diese Experimente nicht selten in der allseits beliebten Schnellertollermeier-Radikalität, dieser kompromisslosen Mischung aus Noise, Rock und Minimal. Aus filigranen Geweben werden beklemmende Beats.

Rote Chappe, rotes Tschäppi

Dieser dynamische Verlauf war am Konzert am Donnerstagabend einige Male zu beobachten: Sowohl Sartorius als auch Troller zeichnet als Solokünstler beziehungsweise Individualmusiker ein ganz spezifischer Sound aus. Trotz der bisweilen fast symbiotisch anmutenden Klangforschungsreisen zogen sich beide hie und da in ihre Soundsphären zurück. Sartorius’ artifizielle Naturklänge und Trollers Signature-Flageoletttöne führten dann streckenweise eine reizvolle Parallelexistenz.

 

Man könnte meinen, das Narrativ dieses versierten Duos sei rasch erzählt: Beide rot behütet, sitzen sie auf Augenhöhe mit dem aufmerksamen Publikum – das kaum überraschend überwiegend aus lokalen Musikern bestand. Der bärtige Sartorius charakteristischerweise mit roter Chappe, der glatt rasierte Troller mit rotem Tschäppi.

Man könnte es wagen, den Kopfbedeckungen symbolische Kraft zuzuschreiben: Sartorius’ Mütze impliziert die erdige Naturverbundenheit, die zärtlichen Kuhglocken, und Trollers Cap die urbane Radikalität, die ratternde U-Bahn. Und wirft das Ying-Yang-Zeichen auf Trollers Hut hier nicht noch weitere Fragen nach Symbiose und Kontrast auf? Die Interpretationsräume scheinen riesig.

Kein Schnickschnack oder Eitelkeit

Der zweite Essay hob nach den feingliedrigen ersten 45 Minuten zunächst geräuschhafter, «noise»-iger an. Bis sich ein zauberhaftes Intermezzo etablierte: Sartorius und Troller evozierten ein Pianissimo, welches das Geschehen zurück auf Anfang setzte. Wie beim Leiterlispiel, wenn die Spieler kurz vor dem Ziel die lange Leiter runterrutschen.

Auf Samtpfoten spannte das Duo von dort aus den nächsten Spannungsbogen: Ratternde Patterns schlichen sich zurück in die Textur, die Klangkulisse erhob sich von Neuem. Troller experimentierte mit Scordaturen (verstimmte die Gitarre), Sartorius feuerte markige Wirbel durch den Club. Für Schickschnack haben weder Troller noch Sartorius noch Troller/Sartorius Zeit, Bühneneitelkeit sucht man bei beiden vergebens.

Stimmt er noch oder spielt er schon?

Reizvoll dann der Auftakt zum dritten Stück: Während Troller noch seine Gitarre stimmte, begleitete ihn Sartorius dabei am Schlagzeug. Die Limits des Konzertformats verwischten, ein Nebenprodukt der musikalischen Darbietung (das Stimmen der Saiten) wurde zu einem Bestandteil der Musik. Für solche Überraschungen darf man Troller und Sartorius dankbar sein. Diese Reflektiertheit macht sie in der Tat zu den Ausnahmemusikern, als die sie angekündigt wurden – und lösen ästhetische Überlegungen aus, die über den Konzertabend hinaus nachhallen.

Das Konzert endete mit einer Zugabe. Sartorius manipulierte die Snare mit seinem Fuss und offenbarte seine Schuhe einer einschlägigen Sneakers-Marke. Was beweist, dass es mit der oben genannten Chappe-Tschäppi-Dualität wohl doch nicht getan ist. Troller beendete die Zugabe mit einem Fade-out aus Blues-Country-artigen Licks, die auch schon zuvor immer wieder aufblitzten – erfrischend, weil sie immer dem Kitsch widerstanden.

Apropos: Was wäre, wenn …

… sich zwei Freunde am Abend eines Konzerts (sagen wir von Troller und Sartorius) auf einen Drink verabredeten? So geschehen gestern. Die zwei Freunde fanden sich vor dem dunklen Südpol wieder, der Föhnsturm brauste durch den Krienser Schlund, doch das Haus war nicht offen.

So mäanderten die Freunde den unfertigen Veloweg entlang zu einer Beiz namens Pallino. Gibt’s schon seit neun Jahren. Es hat sich gelohnt: Da stand ein Pony an der Bar! Trotzdem: Was wäre, wenn das Bistro oder die Bar an Konzerttagen auch abends und unter der Woche hie und da geöffnet wäre?

Katharina Thalmann

Dieser Beitrag ist in Kooperation mit Null41.ch entstanden und kann auch hier gelesen werden.

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