Juristische Odyssee um illegale Bauten dauert an

Bausünden im Hochmoor: Krienser Gemeinderat steckt fest

Ilegale Bauten in den Krienser Hochmooren beschäftigen die Gemeinde seit Jahren. 

(Bild: zvg)

Über hundert unbewilligte Bauten wurden in geschützten Mooren und Hochwäldern oberhalb von Kriens errichtet. Das Bundesgericht verknurrte die Gemeinde vor acht Jahren, für Ordnung zu sorgen. Doch der Prozess stockt, es herrscht ein juristisches Hickhack. Pro Natura und die Grüne Partei kritisieren den Gemeinderat scharf. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Oberhalb von Kriens liegen Moorlandschaften, welche wichtige Lebensräume für seltene Arten darstellen. Sie sind in der Schweiz per Verfassung und Gesetz seit 30 Jahren streng geschützt. Dennoch verschlechtert sich der Zustand der verbleibenden Moore zusehends, schreibt Pro Natura Luzern. Dieser Befund gelte in besonderem Masse auch für die Moore im Krienser Hochwald.

Über hundert Bauten stehen im Krienser Hochwald seit Jahren auf wackeligen Beinen – denn viele davon wurden ausserhalb der Bauzonen und ohne Baubewilligung gebaut oder erweitert. Ein Bundesgerichtsentscheid aus dem Jahr 2010 zwang den Krienser Gemeinderat zu einer Reaktion: Die Liegenschaftsbesitzer mussten nachträglich Baugesuche vorlegen. 2015 flatterten deshalb laut der Gemeinde Kriens 88 Gesuche von den Besitzern ein. Gegen 56 dieser nachträglichen Bewilligungsanträge hat Pro Natura Einsprachen eingereicht (zentralplus berichtete).

«Zu wenige Abbrüche vorgenommen»

Eigentlich sollte die Abwicklung dieser Bewilligungsverfahren relativ speditiv über die Bühne gehen: «Wir hoffen, alle Entscheide im Verlauf dieses Jahres fällen zu können», sagte der damals zuständige Krienser Gemeinderat und heutige Präsident Cyrill Wiget (Grüne) im Januar 2015.

Doch die Realität ist eine andere. Bis jetzt wurden laut Samuel Ehrenbold, Geschäftsführer von Pro Natura Luzern, lediglich rund die Hälfte der nachträglichen Bewilligungsgesuche von der Gemeinde behandelt. Und es zeigt sich: Bei den Umweltschützern kommt das bisherige Vorgehen des Gemeinderats gar nicht gut an.

«Wir erwarten, dass Kriens dem Moorschutz Vorrang gibt.»

Samuel Ehrenbold, Geschäftsführer Pro Natura

«In den inzwischen zahlreich gefällten Entscheiden trägt die Gemeinde Kriens dem Schutz der Lebensräume oft nicht genügend Rechnung», sagt Samuel Ehrenbold. «In zu wenigen Fällen wird ein Rückbau angeordnet.» Zu oft dulde Kriens die Bauten, in der Regel dauerhaft, sagt Ehrenbold.

Duldung trotz verweigerter Baubewilligung

Der Krienser Gemeinderat Matthias Senn (FDP) bestätigt, dass nur in ganz wenigen Fällen das Hauptgebäude abgebrochen werden muss. In den meisten Fällen müssen Anbauten, Holzschöpfe, Holzunterstände, Terrassenbauten, Vorplätze oder Cheminées rückgebaut werden. In bisher 30 Fällen haben die Eigentümer freiwillig eingelenkt oder auf Verfügung der Gemeinde einen Rückbau vorgenommen.

Doch der Kanton als zuständige Behörde verweigert öfters eine nachträgliche Baubewilligung. Dann spricht der Gemeinderat zuweilen eine teilweise oder vollständige Duldung der Gebäude aus. Die Statistik von Ende Dezember 2016 zeigt: In acht Fällen wurde eine Duldung ausgesprochen, in fünf Fällen eine Teilduldung. Für die Umweltschützer ist die Situation unbefriedigend. «Wir erwarten, dass Kriens dem Moorschutz auf den wenigen verbleibenden Flächen absoluten Vorrang gibt», sagt Ehrenbold.

Samuel Ehrenbold, Geschäftsführer von Pro Natura Luzern.

Samuel Ehrenbold, Geschäftsführer von Pro Natura Luzern.

(Bild: giw)

Meiste Bauten in Wald und Landwirtschaftszone

Faktisch legitimiere die Gemeinde mit der Duldung Ferienhäuser, Schuppen, improvisierte Strassen oder Unterstände auch in national geschützten Hoch- und Flachmooren. Und zwar unbefristet, über Generationen hinweg. «Damit wird der Moorschutz ausgehebelt», sagt der Geschäftsführer von Pro Natura Luzern.

Senn widerspricht hier – die meisten Objekte des Krienser Hochwaldes lägen nicht in einer Schutzzone. Die grössten Flächen umfassten Wald und Landwirtschaftszone. Ehrenbold betont jedoch: «Auch im Wald und in der Landwirtschaftszone sind Bauten nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zulässig.»

Politik wird aktiv

Gegen zwei Entscheide von unbefristeten Duldungen vonseiten des Gemeinderates hat Pro Natura Einspruch eingelegt. Nicht nur der Verband stört sich am Vorgehen des Gemeinderates. «Auch die Politik ist in Kriens zunehmend sensibilisiert für das Thema», sagt Ehrenbold.

Die Grüne Fraktion hat im vergangenen September einen Vorstoss eingereicht, der Klarheit schaffen soll. Die Partei verlangt ein umfassendes Register aller Objekte inklusive rechtlichem Status. Die Grünen sprechen von einem unzumutbaren Zustand.

Der Gemeinderat habe versprochen, nach zwei Jahren die illegalen Häuser von den legalen zu trennen und für Ordnung zu sorgen. «Ausser ein paar freiwilligen Abbrüchen und wenigen Rückbauten ist bis heute wenig passiert», monieren sie. In einem Leserbrief schreibt der Fraktionschef der Grünen, Bruno Bienz, die Verfahren dümpelten vor sich hin. «Wenn dem Bauvorsteher die Umwelt nicht am Herzen liegt, dann soll er das Ressort abgeben», schrieb er.

Matthias Senn: 53, seit 2008

Der Krienser Bauvorsteher Matthias Senn.

(Bild: Benedikt Anderes)

Abwicklung der Fälle stockt

Samuel Ehrenbold beobachtet ebenfalls Probleme bei der Abwicklung, diese hätten sich verschärft. «Bis vor rund einem Jahr wurden die Fälle langsam, aber stetig abgearbeitet. Inzwischen geht es nur noch langsam vorwärts», sagt der Geschäftsführer von Pro Natura Luzern.

«Wir mussten von Kritik bis zur Drohung schon einiges einstecken.»

Matthias Senn, Krienser Gemeinderat

Zu den Gründen, weshalb die Abwicklung der Fälle ins Stocken geraten ist, verweist der zuständige Gemeinderat Matthias Senn auf den Vorstoss der Grünen Fraktion. Dieser werde noch im Januar zuhanden des Einwohnerrates beantwortet. Inklusive aktueller Statistik.

Dass man hinter dem eigenen Zeitplan liege, dafür seien die Einsprachen von Pro Natura mit ein Grund. Auch würden viele Eigentümer eine Rechtsvertretung beiziehen, was zu weiteren Verzögerungen führt. Und auch die knappen personellen Ressourcen beim Kanton führt der Gemeinderat als Grund auf.

Noch einmal vor Bundesgericht?

Der Vorsteher des Bau- und Umweltdepartements verteidigt die Arbeit des Gemeinderates. Die meisten der illegalen Bauten sind laut Senn im letzten Jahrhundert gebaut worden, zum Teil noch vor der neuen Gesetzgebung zum Moorschutz.

Über Jahrzehnte sei dies toleriert worden – erst der aktuelle Gemeinderat habe für alle nicht bewilligten Bauten und Anlagen nachträgliche Baubewilligungsverfahren gestartet. Keine dankbare Aufgabe, das gesteht auch Ehrenbold im Gespräch ein. Dennoch stehe die Gemeinde in der Pflicht.

Gemeinderat Senn verspricht, dranzubleiben: «Wir mussten von Kritik bis zur Drohung schon einiges einstecken, aber wir haben es bisher durchgezogen und werden es bis zum Schluss durchziehen.»

Und es wird nicht einfacher: Bei den nachträglichen Baugesuchen, welche noch auf eine Entscheidung warten, handelt es sich aus Sicht des Gemeinderates um tendenziell schwierige Verfahren. Bisher wurden laut Senn gegen fünf Entscheide des Gemeinderates von den Eigentümern oder von Pro Natura Beschwerde an das Kantonsgericht eingereicht. 

An das Bundesgericht wurde bisher kein zweiter Fall weitergezogen. Doch noch hat das Kantonsgericht nicht alle Fälle entschieden. Ob sich nach dem wegweisenden Urteil aus dem Jahr 2010 also noch einmal das Bundesgericht zum Moorschutz in Kriens äussern muss, «ist nicht ausgeschlossen», sagt der Gemeinderat.

Streit um illegale Kegelbahn geht weiter

Kaum ein Bau im Krienser Hochwald ist derart zum Politikum geworden in den vergangenen Monaten wie die Freiluft-Kegelbahn neben dem Naturfreundehaus. Diese wurde in den 1970er-Jahren illegal erbaut.

Nachdem die Gemeinde nachträglich Baugesuche beantragte, sprach der Gemeinderat eine Duldung aus. Begründet hat er den Entscheid damit, dass es sich bei der Kegelbahn um ein erhaltenswertes Kulturobjekt handle. Darauf reichte die Naturschutzorganisation Pro Natura Beschwerde beim Kantonsgericht ein.

Vorstoss angenommen

Nach Absprache mit dem Umweltschutzverband haben die Besitzer daraufhin einem Rückbau der Anlage bis Ende des Jahres 2018 zugestimmt. Dies, um einen langen Rechtsstreit zu verhindern. Pro Natura sagte gegenüber der «Luzerner Zeitung», es gehe nicht um die Kegelbahn an sich. Eine solche Anlage würde man tolerieren – aber nur an einem bewilligungsfähigen Standort.

Obwohl eine aussergerichtliche Einigung erzielt wurde, geht das Verfahren nun in die nächste Runde: SVP, FDP und CVP ein dringliches Postulat überwiesen, das den Gemeinderat dazu auffordert, sich für den Erhalt der Kegelbahn einzusetzen.

Der Vorstoss wurde diese Woche von der bürgerlichen Mehrheit im Krienser Einwohnerrat angenommen. Der Gemeinderat hat nun die Aufgabe, sich für den Erhalt der Kegelbahn einzusetzen. Das hat er jedoch nicht in der eigenen Hand. Laut Matthias Senn könne der Gemeinderat lediglich versuchen, Pro Natura umzustimmen, schreibt die «Luzerner Zeitung».

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