Stadt Luzern will Regeln gegen «laute» Werbung

Baubewilligung für Werbung in Luzerner Schaufenstern

SP-Grossstadtrat Mario Stübi fordert, dass die Stadt Luzern bei Werbetätigkeiten im öffentlichen Raum nicht passiv zusehe.

 

(Bild: ida)

2,5 Millionen Franken nimmt Luzern jährlich mit Werbung ein. Doch nun reicht es mit den Anzeigen in der Stadt. So will der Stadtrat für bewegte Werbung in privaten Schaufenstern zukünftig eine «vereinfachte Baubewilligung» einfordern, heisst es in der Antwort auf eine Interpellation. Wir haben uns auf die Suche nach der unerwünschten Werbung gemacht.

«Im Internet kann man gegen Werbung Adblocker installieren, im öffentlichen Raum jedoch nicht», sagt Mario Stübi, SP-Grossstadtrat. Wir schlendern durch die Luzerner Altstadt und sind auf der Suche nach «lauter» Werbung.

Werbung ist heutzutage fast allgegenwärtig. Das Internet ist voll damit – und auch in der Öffentlichkeit ist man der Werbung nahezu ausgeliefert. Die SP-Grossstadträte Simon Roth und Mario Stübi haben vergangenen November eine Interpellation eingereicht, die sich mit der Frage auseinandersetzt: «Wie viel Werbung erträgt Luzern?»

Die Interpellanten meinen, dass besonders im Stadtraum Werbung oft «laut» sein müsse, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Roth und Stübi fordern darum eine einheitliche Regelung und fordern die Stadt auf, Werbetätigkeiten im öffentlichen Raum zu beobachten. Denn Werbung bestimme zu einem wesentlichen Teil das Erscheinungsbild der Stadt mit.

Einheitliche Regeln verlangt

Stübi meint, dass die Entwicklung von Werbung mit der zunehmenden Digitalisierung und dem Aufkommen von Screens, das heisst Werbung in Form von Bewegtbildern auf Flachbildschirmen, im Auge behalten werden müsse. «Man muss nicht alles überreglementieren. Aber gerade diese Werbe-Trends müssen beobachtet werden, damit sie nicht Überhand nehmen.» Und weiter: «Die Stadt darf hier nicht hinterherhinken.» Man dürfe den neuen Entwicklungen nicht passiv gegenüberstehen. Und die Stadt soll einheitliche Regeln für das Aufschalten von Werbung schaffen, die für alle Läden und Detailhandelsbetriebe gelten sollen. «Die Stadt wird nicht schöner durch die viele Werbung», meint Stübi.

Der SP-Grossstadtrat erklärt, dass sie mit der Interpellation keineswegs ein komplettes Werbeverbot im öffentlichen Raum erwägen. «So wie es jetzt ist, ist es völlig okay», so Stübi. Eine Begrenzung gäbe es nun insofern schon, dass für Werbung im öffentlichen Raum ein Konzessionsvertrag beansprucht werden müsse.

Für Werbung, die den öffentlichen Raum bespielt, ist eine Baubewilligung notwendig. Jedoch gäbe es dazu nur wenige Richtlinien, beispielsweise dürfen in der Altstadt nur an wenigen Orten Plakate gehängt werden. Jetzt bestehe das Problem, dass immer mehr Geschäfte auf Bewegtwerbung in den Schaufenstern wechseln, was den Bemühungen der Stadt zuwiderlaufen, sagt Simon Roth, Vize-Präsident der SP Stadt Luzern.

Auch Umfragen haben gezeigt, dass die zwei digitalen Werbescreens mit interaktivem Stadtplan, die auf dem Bahnhof- und dem Schwanenplatz angebracht sind, auf grosse Akzeptanz stossen. Nur 27 Prozent der 1’001 Befragten meinten, dass Werbung schöne Plätze und Strassen verschandeln würde.

Stossen auf grosse Akzeptanz, wie eine Umfrage gezeigt hat: ein digitaler Werbescreen, hier am Schwanenplatz.

Stossen auf grosse Akzeptanz, wie eine Umfrage gezeigt hat: ein digitaler Werbescreen, hier am Schwanenplatz.

(Bild: ida)

Digitale Werbescreens im Auge

Der Luzerner Stadtrat sagt in seiner Antwort, dass die geltenden Rechtsgrundlagen bisher zu keinen Beanstandungen geführt haben. Jedoch ist die Werbung im öffentlichen Raum einer dynamischen Entwicklung ausgesetzt. «Vor einigen Jahren war noch nicht absehbar, dass digitale Werbescreens auch im öffentlichen Raum stehen könnten und auch zunehmend die Schaufenstergestaltung mittels Screens vorgenommen wird», schreibt der Stadtrat in seiner Antwort auf die Interpellation von Roth und Stübi. Und diese neuen Entwicklungen gelte es zu berücksichtigen. Nun soll eine Beurteilung im Rahmen eines vereinfachten Baugesuchsverfahren – Bewilligung, Nicht-Bewilligung – vorgenommen werden.

In der Stadt Luzern gäbe es bereits eine Art «Schutzzone» für Plakatstellen. In der Alt- und Kleinstadt sei es verboten, Plakatstellen – abgesehen von Bushaltestellen und anderen öffentlichen Einrichtungen – anzubringen. Jedoch könne nicht von einer werbefreien Zone gesprochen werden, da es in der Altstadt Werbung in Form von Schaufenstern und Stechbildern gibt. «Der Stadtrat anerkennt aber das Bedürfnis von Läden und Detailhandelsbetrieben, ihre Lokale öffentlich wirksam zu beschriften.»

Man sehe jedoch bestimmten Handlungsbedarf, da immer mehr Werbescreens die Schaufenster von Läden prägen oder diese von grossflächigen Werbeplakaten verklebt seien. Ein komplettes Werbeverbot lehne er jedoch ab, da rund 2,5 Millionen Franken an Einnahmen verlorengehen würden.

«Komplette Aufmerksamkeitsindustrie»

Ein Spaziergang durch die Strassen Luzerns beweist: Werbung ist omnipräsent. Beispielsweise wirbt die Kantonalbank am Hauptsitz in der Stadt mit einem grossflächigen Plakat für ihre Eigenheim-Messe. «Im Einzelfall ist dies nicht störend», so Stübi. Jedoch sei es für Luzerner nicht mehr so «angenehm», wenn auch zunehmend andere Liegenschaften von derart grossen Werbeflächen Nutzen nehmen.

«Werbung ist eine komplette Aufmerksamkeitsindustrie.»

Mario Stübi, SP-Grossstadtrat

Einige Schaufenster sind mit grossflächigen Werbungen ausgestattet. Aber auch auf einige Bildschirme treffen wir, die mit Bewegtbildern die Aufmerksamkeit von Passanten auf sich ziehen. «Werbung ist eine komplette Aufmerksamkeitsindustrie», so der SP-Grossstadtrat. Der gegenwärtige Zustand sei zwar akzeptabel, allerdings sei es nicht auszuschliessen, dass immer mehr Schaufenster Werbung mit Bewegtbildern aufschalten.

Auch der Bahnhof Luzern, an dem über 160’000 Leute pro Tag zusammenkommen, sei «voll mit Werbung». Die SBB selbst kann entscheiden, welche Werbung sie aufschaltet. Für Stübi ist das zu viel: «Ich bin froh, gibt es im öffentlichen Raum nicht so viel Werbung, wie hier.

Eine Werbung mit Bewegtbildern in einem Schaufenster in der Luzerner Altstadt.

Eine Werbung mit Bewegtbildern in einem Schaufenster in der Luzerner Altstadt.

(Bild: ida)

«Werbung ist ökonomische Macht»

«Niemand will Werbung – in dem Haus, in dem ich wohne, steht auf jedem Briefkasten ein Aufkleber ‹Keine Werbung!› und trotzdem ist dauernd alles voll davon», sagt Valentin Groebner, Geschichtsprofessor an der Universität Luzern. Im Januar hielt er im Neubad einen Vortrag zum Thema «Was wir schön finden, bestimmt die Werbung».

Groebner findet Werbung jedoch interessant – nicht zuletzt deswegen, welche fiktiven Idealbilder sie sichtbar mache. Fotografie und Schönheit würden in einem bestimmten Spannungsverhältnis stehen. Die Gesichter, die auf Werbeplakaten zu sehen sind, sind natürliche Fotografien – aber derart stark überarbeitet, dass man sie genauso als «bemalte Bilder» bezeichnen könnte, so Groebner.

Auch gäbe es einen ziemlich guten Grund, sich mit der Werbung genauer auseinanderzusetzen. Und das ist Geld. Werbung sei ökonomische Macht. Seit gut 150 Jahren ist sie Teil unserer alltäglichen Strassenbilder. Abgesehen von einigen wertvollen Kunsthandwerken, die bei Auktionen ersteigert werden können, gäbe es keine anderen Bilder, für die mehr Geld ausgegeben werde, als für Plakate, Anzeigen und Werbespots.

«Die Stadt Luzern verkauft den öffentlichen Raum an eine private Firma, die als Monopolist diese Plakatwände weiterverkauft.»

Valentin Groebner, Geschichtsprofessor an der Universität Luzern

Seit 2016 bewirtschaftet die Firma «Clear Channel» alle Plakate, digitale Plakatstellen und Plakatstellen an Bushaltestellen in Luzern. Rund zwei Millionen Franken zahlt die Firma jährlich an die Stadt Luzern. «Man könnte es auch anders ausdrücken: Die Stadt Luzern verkauft den öffentlichen Raum – also das, was sie und ich jeden Tag anschauen müssen, unsere Aufmerksamkeit – an eine private Firma, die als Monopolist diese Plakatwände weiterverkauft.»

Klare Bestimmungen für Werbescreens

Handlungsbedarf besteht namentlich bei bestimmten Werbeformen wie Werbescreens auf privatem Grund beziehungsweise in Schaufenstern, erklärt Baudirektorin Manuela Jost. Auch solche Werbeformen wirken auf den öffentlichen Raum.  

Es soll deshalb geprüft werden, inwiefern es spezifische Bewilligungsgrundlagen bezüglich der Anzahl, Grösse sowie der Dynamik von Bewegtbildern in Schaufenstern brauche. Die Luzerner Altstadt habe aufgrund der kleinteiligen Gebäudestruktur zudem eine hohe Dichte an Namensschildern an der Fassade. Es ist deshalb zusätzlich zu prüfen, ob es klare Bestimmungen bezüglich Anzahl und Grösse dieser «Stechschilder» brauche.

Bei seinem Referat zeigte Groebner anhand eines Kunstprojekts von Wien auf, wie gut ein temporärer Verzicht auf Werbeplakate funktioniert. Jedoch sei ein öffentlicher Raum, der frei von Werbeplakaten sei, eine reine Fantasievorstellung. «Das ist eine Utopie, ich weiss.» Der Historiker ist dennoch der Meinung, dass eine Stadt durch eine Werbepause attraktiver und geräumiger werde. Und: «Wahrscheinlich auch irgendwie ein bisschen schöner, ohne all die Schönheiten von den Plakaten.»

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