Clown-Urgestein an der Määs

Ballone statt eigene Kinder

Charles' Trick, damit die Ballone den Kinderhänden nicht entgleiten: Am Ende der Schnur befestigt er ein Jo-Jo. (Bild: aka)

Ständig auf Achse, immer mittendrin im bunten Treiben – das Leben als Schausteller stellt man sich vergnüglich vor. Dass es auch andere, schwierige Seiten hat, wissen Charles und Esther Stey nur zu gut. Seit Jahrzehnten reisen sie gemeinsam von Messe zu Messe und verzichten dafür auf vieles.

«Einen Pinguin, bitte», sagt der gross gewachsene Mann im grauen Shirt zu Charly. Der Clown nickt und beginnt an der ellenlangen Ballonleine zu ziehen, an der rund 150 Ballone – Hello-Kitty-Köpfe, Tintenfische, Schweinchen – befestigt sind. «Nein, warte!», ruft der Määs-Besucher ihm nun zu und beugt sich zu seinem etwa vierjährigen Sohn runter. Es wird diskutiert, verglichen. Charly wartet geduldig. «Wir nehmen ein Feuerwehrauto.» Der Ballon-Clown lächelt und erfüllt mit wenigen geübten Handgriffen den Wunsch seines kleinen Kunden.

 

Hoch ragt Charles' Ballon-Traube an der Määs in den Himmel.

Hoch ragt Charles› Ballon-Traube an der Määs in den Himmel.

(Bild: aka)

«Mein ganzes Leben habe ich in Wohnwagen gelebt.»

Charles Stey        

Alter Hase an der Määs

Charles Stey ist eine ebenso schillernde Erscheinung wie seine immense Ballon-Traube: Der 50-Jährige trägt ein wild-kariertes Hemd, weite, orange-gelbe Hosen und, wie es sich für einen Clown gehört, riesige Schuhe. Sein langes Haar hat er zu einem Pferdeschwanz gebunden.

Schon seit zwölf Jahren ist der Zürcher als Charly Ballony an der Määs anzutreffen. «Heute kommen Mütter mit ihren Kindern zu mir, die selbst schon als Kinder meine Ballone gekauft haben», erzählt Stey schmunzelnd. Mit Leib und Seele ist er Schausteller; zusammen mit seiner Frau Esther und einigen Angestellten betreibt er einen Ballon- und Spielwarenstand, eine Spielbude («Woody-Peng») und neuerdings auch einen Churro-Stand.

Ein Leben auf Rädern

Charles Stey wurde die Schaustellerei in die Wiege gelegt. Väterlicherseits ist er mit den Betreibern des Zirkus Stey verwandt. Eine aufregende Welt – in seiner Kindheit besuchte Charly alle paar Wochen wieder eine andere Schule. «Mein ganzes Leben habe ich in Wohnwagen gelebt», berichtet er. Weil ein kleiner Zirkus nicht genug Beschäftigung für alle Familienmitglieder bot, sattelte Charles’ Vater bald auf Varieté um. Nach und nach kamen dann die Chilbis und Messen auf – heute Charlys Welt. Seine Frau Esther hingegen ist in Sursee aufgewachsen und führte ein bürgerliches Leben als Büroangestellte, bis sie Charly – wie könnte es anders sein – an der Määs kennenlernte. Sie krempelte ihr Leben komplett um und tingelte fortan mit ihrem Mann von Messen zu Weihnachtsmärkten, vom Knabenschiessen zur Olma – kurz: durchs ganze Land.

«Irgendwann mussten wir uns entscheiden – für das Business, gegen eigene Kinder.»

Charles Stey

Bewährungsprobe für eine Ehe

Als Kind sei das Rumreisen kein Problem gewesen, sagt Charly Ballony und rückt seine rot getönte Sonnenbrille zurecht. Schliesslich seien Freundschaften für ein Kind etwas Unverbindliches. Heute besteht sein Freundeskreis vor allem aus anderen Schaustellern – das ständige Unterwegssein und die viele Arbeit am Wochenende gestalten das Pflegen von Beziehungen ausserhalb der familiären Schaustellertruppe schwierig. Charles und Esther Stey teilen sich aber nicht nur den Freundeskreis, sondern auch ihren Wohnwagen und ihre Arbeit. «Natürlich ist es nicht immer einfach, wenn man 24 Stunden zusammen ist. Wir müssen viel an der Beziehung arbeiten, aber es funktioniert», meint Charly. Auch Esther ist zufrieden: «Ich würde das auf keinen Fall gegen mein altes Leben tauschen wollen.»

 

Die Spielbude «Woody-Peng» ist Esther Steys Reich.

Die Spielbude «Woody-Peng» ist Esther Steys Reich.

(Bild: aka)

So unbeschwert seine Kindheit auch war – das Schausteller-Leben wollte Charles Stey eigenen Kindern nicht zumuten. Die Schulbildung würde zu sehr leiden, sagt er, eine Familie soll ein geregeltes Leben haben, sagt sie. «Irgendwann mussten wir uns entscheiden – für das Business, gegen eigene Kinder», erklärt der Ballon-Clown. Bedauern schwingt in seiner Stimme nicht mit – «Ich würde wieder genau dieses Leben wählen. Alles andere wäre mir sowieso zu langweilig.»

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