Drittes Leben eines SBB-Wagens – nun als Bistro

Bald kann man auf Chamer Bahngeleisen schlemmen

Marco Müller und Thomas Werder hinter der Bistro-Theke.

(Bild: wia)

Auf dem Chamer Papieri-Areal entsteht derzeit ein neues Bistro. Das Aussergewöhnliche daran: Es befindet sich in einem alten Bahnwagen. Es ist das Projekt eines Kampfkunstvereins, der hier mit viel Liebe zum Detail, grosser Geduld und Unmengen an Isolationsmaterial arbeitet.

Seit geraumer Zeit steht auf dem Chamer Papieri-Gleisareal, gleich neben dem Lagerhaus, ein alter Passagierwagen. Zwar ist dieser längst ausrangiert und auch seine Zeit als mobiles Uniform-Schneideratelier der SBB ist schon lange vorbei. Nun jedoch kehrt im 25-Meter-Waggon zum dritten Mal Leben ein. Eine lokale Kampfkunstschule baut ihn derzeit zum künftigen Vereinsbistro um. Einem Ort, der auch öffentlich zugänglich sein wird.

Thomas Werder, Projektleiter und Leiter der Chamer Kampfkunstschule Shinson Hapkido, empfängt uns zusammen mit Marco Müller, dem Medienverantwortlichen der Schule vor dem Waggon. Werder erklärt: «Der Umbau des Wagens ist eine längere Sache. Nicht zuletzt, weil wir vieles selber machen und hier alle nebenberuflich an diesem Projekt arbeiten.»

Kampfkunstschüler packen an

Auch die Kampfkunstschule zieht hierher

Aktuell trainieren die Schüler des Shinson Hapkido noch an der Zugerstrasse in Cham. Es ist jedoch geplant, dass die Schule in einigen Jahren ins Lagerhaus im Papieri-Areal zieht. Dafür mietet der Verein knapp die Hälfte des Gebäudes von der Gemeinde. Die andere Hälfte wird von der IG Langhuus gemietet. Da der Umbau von verschiedensten Faktoren abhängig ist, ist aktuell noch nicht klar, wann das Lagerhaus fertig umgebaut sein wird.

Es sind vor allem Shinson-Hapkido-Schüler und Projektinteressierte, die hier in ihrer Freizeit Hand anlegen. Jedoch nicht nur. Gerade macht ein Jugendlicher der Zuwebe hier ein Praktikum. Auch Asylsuchende haben bereits mitgeholfen. Den Bahnwagen hat der Verein 2017 gekauft. Dass man diesen eigenhändig ausbaut, sei schon von Anfang an klar gewesen.

«Es ist Bestandteil des Trainings und des Projektes, dass wir beispielsweise selber putzen, oder eben auch handwerklich aktiv werden», sagt Werder. Die Schule habe gute Kontakte zu Schreinern, Sanitärinstallateuren und weiteren regionalen KMU-Betrieben, so könne man sichergehen, dass alles «verhebt».

In diesem Wagen wurden nicht nur Passagiere herumchauffiert, sondern auch SBB-Uniformen genäht.

In diesem Wagen wurden nicht nur Passagiere herumchauffiert, sondern auch SBB-Uniformen genäht.

(Bild: wia)

Auch wenn Werder beteuert, dass der Ausbau langsam vonstatten gehe, sieht es im Bahnwagen schon schick aus. Der Waggon verfügt bereits über eine weissgetäferte Schallschluckdecke und über Bistrotische. «Diese sind aus Eichenholz gefertigt. Zehn Stück davon sind nur an der Wand fixiert. Bei Bedarf kann man sie hochklappen», erklärt Müller.

Fünf Beistelltische sind modular einsetzbar und können erhöht werden. «Etwa, wenn wir einen Stehapéro durchführen», sagt Müller. In die Klapptische wurde millimetergenau ein Loch gefräst. Natürlich nicht für Sonnenschirme. «Nein, das sind Stromdurchlasse, etwa für Racletteöfen», so Thomas Werder mit einer Spur von Stolz in der Stimme. Die Löcher werden später noch abgedeckt.

Insgesamt 25 Meter lang ist der Zugwaggon. Da rein kommt ein Bistro mit Küche und WC-Anlagen.

Insgesamt 25 Meter lang ist der Zugwaggon. Da rein kommt ein Bistro mit Küche und WC-Anlagen.

(Bild: wia)

Isolation ist ein grosses Thema

Der vordere Teil des Wagens, in dem wir uns befinden, ist bereits isoliert. Und zwar gehörig. 30 Zentimeter dick ist die Isolationsschicht im Boden, 20 Zentimeter an den Wänden. Ausserdem sind die Fenster dreifachverglast. Mit gutem Grund.

«Wir haben uns im Voraus schlaugemacht, indem wir bei anderen Bahnbistros in der Schweiz zu Besuch waren und uns ausgetauscht haben», sagt Werder. «In Winterthur etwa gibt es ein wunderschönes Bahnbistro. Doch wird es im Winter derart kalt dort drin, dass es zeitweise unbenutzbar ist, weil sonst die Heizkosten sehr hoch wären», ergänzt Müller. Darum lege man beim Projekt im Papieri-Areal den Fokus besonders auf die Isolierung.

«Wir möchten den Wagen so weit wie möglich nach dem Feng-Shui-Prinzip bauen.»

Thomas Werder, Kampfkunstlehrer

Aber auch auf die Ästhetik lege man wert. «Wir möchten den Wagen so weit wie möglich nach dem Feng-Shui-Prinzip bauen. Es ist uns wichtig, dass sich die Leute hier wohlfühlen», sagt Werder. Schon jetzt wirkt das Ganze stimmig und professionell. Dies, obwohl man keinen Architekten für die Planung des Wagenprojekts angestellt hatte.

«Wir machen vieles aus Erfahrung und aus dem Bauch heraus», sagt Werder. Müller ergänzt: «Die Materialien Eichenholz, Eisen und Schiefer sind uns wichtig. Dies insbesondere, da sie alle mit der Eisenbahn zu tun haben.»

Viele Bauelemente sind Secondhand

Eichenholz? Schiefer? Das klingt teuer. Wie finanziert sich das Ganze? «Wir hatten das Glück, dass wir am Projektwettbewerb gewonnen haben, den die Zuger Kantonalbank 2017 durchgeführt hatte», sagt Werder. «So wurden uns 50’000 Franken zugesprochen.»

Das gesamte Geld floss in den Bahnwaggon, erklärt der Projektleiter. Und weiter: «Sehr vieles, was wir hier verbaut haben, wurde bereits verwendet. Beispielsweise hochwertige Mehrschichtplatten, die wir bei der Wandgrundverkleidung verwenden.» 

Hier steht einst die Küche. Die Abwaschmaschine deutet bereits darauf hin.

Hier steht einst die Küche. Die Abwaschmaschine deutet bereits darauf hin.

(Bild: wia)

Diese habe man von einer Baufirma bekommen, nachdem die Platten beim Bau der Dreifachturnhalle der Kanti Zug bereits eingesetzt worden waren. «Auch die Gastroabwaschmaschine ist gebraucht. Wir haben sie von einem Cateringservice, der keine Verwendung mehr dafür hatte», so Werder.

Noch steht diese etwas verloren im hinteren Teil des Waggons. Dort entsteht derzeit eine Gastroküche. «Wir möchten nicht nur Snacks anbieten können, sondern richtige Menüs», sagt Werder.

Soft-Eröffnung im Herbst

Auch wenn das Gastrokonzept noch nicht ganz stehe. «Im Herbst planen wir eine Soft-Eröffnung des Eisenbahnwagens für unsere Vereinsmitglieder. Später wollen wir auch für die Bevölkerung offen sein.»

Und da stünden viele Möglichkeiten offen. «Wir können uns vorstellen, den Handwerkern aus der Umgebung ein Znüni anzubieten. Oder aber, auch mal einen Jassnachmittag für Senioren zu veranstalten. Weiter wollen wir ein Ort sein, wo Passanten in guter Atmosphäre etwas essen und trinken können.»

Womöglich bald schon an der Flaniermeile

Noch wäre die Laufkundschaft spärlich, liegt der Wagen doch etwas abseits in der ehemaligen Industrie. Das könnte sich jedoch bald ändern. An der kommenden Gemeindeversammlung entscheidet die Gemeinde Cham über den Realisierungskredit für den Velo- und Fussgänger-Highway der ehemaligen Papieri-Gleisanlage. Dieser würde direkt vor dem Bistro enden.

Wann das stationäre Bahnbistro jedoch für die Öffentlichkeit zugänglich sein wird, ist bis dato noch nicht klar. «Wir sind froh, dass es kein Stichdatum gibt, an dem wir fertig sein müssen», sagt Werder. Lieber wolle man langsam und sorgfältig vorgehen.

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