Es braucht neue Preismodelle

Auslaufmodell ÖV? So reagiert der Verkehr in Luzern auf Corona

Wegen der Corona-Pandemie ist die Nachfrage im öffentlichen Verkehr gesunken. (Bild: ber)

Busse und Züge sind seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie so leer wie nie. Der Verkehrsverbund geht davon aus, dass es mindestens noch zwei Jahre dauern wird, bis sich der öffentliche Verkehr davon erholt hat. Wir sagen, von welchen Szenarien der Kanton Luzern ausgeht.

Wegen der Corona-Pandemie sind weniger Menschen in den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Nachdem im März 2020 das Angebot deutlich zurückgeschraubt wurde, stieg in Luzern die Nachfrage im Sommer auf ein Niveau von rund 70 bis 90 Prozent des Vorjahres an. Die zweite Welle brachte dann einen erneuten Rückgang, wie dem öV-Bericht des Kantons zu entnehmen ist. Seither sei ein «langsames, aber stetiges Wachstum» festzustellen.

«Es ist noch unklar, wann der Rückgang über die gesamte ÖV-Nachfrage vollständig wettgemacht ist. Aktuelle Prognosen der ÖV-Branche gehen in etwa von 2023 aus», heisst es im Bericht weiter. Dabei rechnet der Verkehrsverbund mit den folgenden Szenarien:

  • Mehr Homeoffice: Es wird davon ausgegangen, dass sich langfristig ein partielles Homeoffice etabliert, weshalb mit weniger Pendlerverkehr gerechnet wird. Öfters wird ganze Tage oder einzelne Stunden von zu Hause aus gearbeitet. So werden die Spitzenzeiten entlastet.
  • Umstieg aufs Auto oder aufs Velo: Ein vermutlich geringer Teil der Bevölkerung wechselt aufgrund von Bedenken wegen dem Ansteckungsrisiko und der Maskenpflicht auch mittel- bis langfristig das Verkehrsmittel. Konkret: vom öffentlichen Verkehr hin zum eigenen Auto oder Velo. Dies hätte negative Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit der Busse. Zudem brächte das eine Verlagerung von Jahresabos auf Einzelbillette mit sich.
  • Stärkeres Distanzempfinden: Die Reisenden reagieren nach der Pandemie sensibel auf die hohen Personendichten, wie sie bisher zu Spitzenzeiten vorkamen, und sie fordern deshalb mehr Platz im öffentlichen Verkehr.
  • Finanzierungsprobleme: Treffen die oberen drei Szenarien ein, könnte für die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs weniger Geld zur Verfügung stehen, unter anderem, weil weniger Billette verkauft werden. Ausbauten müssten verschoben werden, was zu einer weiteren Verlagerung aufs Auto führen könnte.
  • Zunahme des Freizeitverkehrs: Diese Entwicklung dürfte teilweise oder gar vollständig durch zusätzlichen Freizeitverkehr kompensiert werden. In diesem Bereich wird heute meist das Auto genutzt. Das Umsteigen könnte negative Auswirkungen auf die Kapazität und Zuverlässigkeit des öffentlichen Verkehrs zur abendlichen Hauptverkehrszeit haben. Eine vorübergehende Entlastung bringt der Wegfall von Grossveranstaltungen – und damit der Reisegründe.
  • Flucht aufs Land: Sollten sich vermehrte Wegzüge aus der Stadt aufs Land bewahrheiten, resultiert dadurch trotz vermehrtem Homeoffice Mehrverkehr durch längere Wege. Zudem dürften die Bevölkerungs- und die Arbeitsplatzentwicklung für zusätzliche Mobilität sorgen.

Die grosse Chance: Homeoffice, um Rushour zu umgehen

Was braucht es, um diesen Entwicklungen gerecht zu werden? Als Schlussfolgerung hält der Verkehrsverbund im ÖV-Bericht fest, dass die zentralen Stossrichtungen weiterhin richtig seien. Eine noch höhere Bedeutung komme dem Mobilitätsmanagement zu. Homeoffice böte beispielsweise die Chance, die Umgehung der Spitzenzeiten «breit zu etablieren», heisst es im Bericht.

Auch bei den Abopreisen muss der Verkehrsvebrund möglicherweise über die Bücher. Weniger Arbeitstage und mehr Freizeitreisen könnten flexibleren Tarif- und Preismodelle nötig machen. Zudem werde flächendeckendes Bikesharing noch wichtiger.

Ob es noch weitere Massnahmen braucht? Das zeigt sich möglicherweise in den nächsten Monaten. Der Entwurf des ÖV-Berichts 2022 bis 2025 ist derzeit in der Vernehmlassung (zentralplus berichtete). Interessierte Verbände und Organisationen können sich bis zum 28. Januar 2022 dazu äussern und ihre Ideen einbringen. Voraussichtlich im Sommer 2022 wird der Bericht dann im Kantonsrat besprochen.

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4 Kommentare
  • Profilfoto von Untertane
    Untertane, 27.10.2021, 16:01 Uhr

    Ist doch gut – die Chefs haben jetzt hoffentlich entdeckt, dass die Untertanen auch ohne Überwachung liefern können – und somit entfällt hoffentlich die lästige Pendlerei langfristig.

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 26.10.2021, 20:13 Uhr

    Hallo Pendler warum Kauf ihr nicht ein e-Klapfahrrad das ihr im Zug gratis mitnehmen könnt Eventuell sogar ins Geschäft(Büro)es braucht ja sozusagen kein Platz(sogar im Lift)

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 26.10.2021, 20:03 Uhr

    Mit gutem ÖV Anschluss würde ich als Pendler oder Pensionist
    ein e- Klapfahrrad kaufen und dies Etappenweise ausnutzen.Und so könnte man auch für sportliche Rentner klein
    reisen ausbauen.
    Aber an den Preisen könnte man noch Arbeiten,zB für das GA 2400.- würde sich das noch mancher überlegen.

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    • Profilfoto von Kommentarschreiber
      Kommentarschreiber, 27.10.2021, 12:23 Uhr

      Österreich macht’s vor:

      «Für 1095 Euro durch das Land: Nach harten Verhandlungen führt Österreich nach dem Vorbild des GA ein «Klimaticket» ein.»
      NZZ, 2.10.21, Ivo Mijnssen

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