Luzerner Künstler Sipho Mabona geht neue Wege

Ausbrechen aus den harten Linien des Origami

Sipho Mabona vor einer seiner Skulpturen in der Galerie Vitrine.

(Bild: jwy)

Mit seinen Origamis brachte er es zu weltweiter Beachtung. Nun ist in Luzern die neuste Einzelausstellung von Sipho Mabona zu sehen. Diese hat auf den ersten Blick nichts mehr mit Origami zu tun. Aber der Künstler belehrt uns eines Besseren. Und er sagt, warum er Luzern verlassen will.

Die Galerie Vitrine liegt gut sichtbar unterhalb der Hofkirche. Der Künstler Sipho Mabona ist zu Fuss gekommen, sein Atelier am Löwenplatz ist nur ein paar Gehminuten entfernt. Noch jedenfalls, doch dazu später.

Mit einem Kaffee sitzen wir in der Galerie, um uns seine Werke. Wer dabei an kleine, filigrane Papierkraniche denkt, liegt komplett falsch. Mabona schuf hier eine raumfüllende Installation, die den Betrachter förmlich aufsaugt.

Die Muster ziehen sich über die Leinwände hinaus, sind mit Ölkreide über Wände und Boden miteinander verbunden und verstärken so den Eindruck, dass man mittendrin steht. «Eine Landschaft geht immer über den Bilderrand hinaus, die kannst du nicht festhalten», sagt Mabona.

Die Gemälde an den Wänden erhalten einen «skulpturalen Charakter», wie er es nennt. Im Raum stehen zudem zwei weisse Objekte, die wie abstrakte Pflanzen emporwachsen. Die Muster an den Wänden gleichen Projektionen dieser Objekte. «Eine Einheit aus Raum und Installation war das Ziel», sagt er, und das ist ihm hier gelungen. Nur: Was hat das noch mit Origami zu tun?

Blick in die Ausstellung von Sipho Mabona in der Galerie Vitrine.

Blick in die Ausstellung von Sipho Mabona in der Galerie Vitrine.

(Bild: jwy)

Am Anfang ein Falz …

Origami, das ist immer ein quadratisches Stück Papier – und schliesslich ein erster Falz. Aus dieser einfachen Idee hat Sipho Mabona über die Jahre eine erstaunliche Palette an künstlerischen Ausdrucksformen entwickelt. Wie jetzt in der neusten Serie «In Gardens of Rivers and Circles», die in der «Vitrine» zu sehen ist. Knickkanten ergeben Achsen auf einer Leinwand, um sie herum verlaufen Ringe aus Acrylfarbe, die sich zu organischen Formen fügen.

Mabona hat die fernöstliche Faltkunst einst ganz klassisch gelernt und perfektioniert, hat damit experimentiert und das Handwerk immer mehr ausgereizt: Aus lebensechten Figuren wurden lebensgrosse (Stichwort Elefant). Die filigranen Papierwerke hat er in dauerhaften Gips und Bronze gegossen. Und schliesslich fing er an, Figuren zu entfalten – zu dekonstruieren –, und zeigte sie so in ihrem Anfangsstadium.

Der Künstler Sipho Mabona neben seinem Werk.

Vor drei Jahren sorgte der Künstler Sipho Mabona mit einem lebensgrossen gefalteten Elefanten für Aufsehen.

(Bild: zvg/Philipp Schmidli)

Der 37-jährige Sipho Mabona sieht sich als Wandler zwischen den Welten und verbindet das alte Handwerk mit Kunst, das Vergängliche mit dem Permanenten, die fernöstlichen Weltbilder mit den westlichen. Oder wie er es sagt: «Meine Arbeit ist immer eine Gegenüberstellung der Kultur, in der ich sozialisiert worden bin, und der Kultur, wo Origami herkommt.»

Eine Theorie aus den 70ern

Sipho Mabona nimmt ein Blatt Papier und erklärt, was es mit den Kreisen auf den neuen Bildern auf sich hat. Die Idee geht auf den amerikanischen Origamitheoretiker und Physiker Robert J. Lang zurück. Er hat in den 70er-Jahren Faltmuster analysiert und herausgefunden, dass jeder Teil eines Origami durch einen Kreis repräsentiert wird. Je grösser der zu faltende Teil, desto grösser der Kreis.

«Ich will keine Deutungshoheit über das, was ich mache.»

Mabona demonstriert das mit dem A4-Papier, auch wenn man es nicht ganz versteht. Zwischen den sich berührenden Kreisen gibt es Talfalten, daraus ergeben sich Muster und schliesslich die raumfüllenden Gemälde. «Das ist die Grundlage des Ganzen», sagt er, als wäre es das Logischste der Welt.

Vom Korsett befreien

Mabona sieht seine neue Werkserie als logischen Schritt in seiner Origami-Karriere: «Zuerst habe ich klassische Origami nachgefaltet, dann selber welche entwickelt und sie später dekonstruiert und die Faltmuster präsentiert. Jetzt zeige ich den theoretischen Hintergrund», sagt er.

Die Formen der Kreise sind japanischen Zengärten nachempfunden, die für seine Arbeit eine wichtige Rolle spielen. In den Gärten sind die Kreise in Kies gerecht, auf seinen Bildern in Acrylfarbe festgehalten und in einen Rahmen gesetzt.

Als Teaser auf die Ausstellung hat Sipho Mabona mit Kreide Werke auf die Strassen Luzern gemalt und auf Instagram dokumentiert:


Strenge Theorie und Spiritualität – wie passt das zusammen? «Zentral war für mich das Aufbrechen der harten, geometrischen Linien des Origami», sagt er. Auch dass er über die Leinwand hinaus malt, zeugt davon. Aber bei aller gestalterischen Freiheit beruht seine Arbeit doch auf einer stringenten Theorie.

Keine Deutungshoheit

Und wie schlimm ist es, wenn ein Betrachter keinen Schimmer von der Origamitheorie hat? «Gar nicht, er setzt es in einen anderen Kontext», sagt Sipho Mabona gelassen. «Ich will keine Deutungshoheit über das, was ich mache.» Bei einigen Leuten hätten die neuen Arbeiten den Effekt eines Zaubertricks: Wie zum Teufel hat er das nur gemacht? Das ist ganz in seinem Sinn: «Ich bin zufrieden, wenn ich bei Leuten Fragen aufwerfe und sie nicht nur mit Antworten nach Hause gehen.»

Die grossen Gemälde sollen den Betrachter förmlich anspringen.

Die grossen Gemälde sollen den Betrachter förmlich anspringen.

(Bild: jwy)

Zu klare Deutung seien ihm sowieso fremd: «Als ich Origamifiguren in ihr Anfangsstadium entfaltete und zeigte, rieten mir Leute, daneben die fertige Figur zu zeigen», erzählt er. Aber das mache null Sinn: «Das tötet jeden Gwunder im Betrachter, es findet dann keine Auseinandersetzung mehr statt.»

Nächste Termine in den USA

Die Ausstellung in der «Vitrine» läuft noch bis Mitte Januar – es lohnt sich auch ein Besuch, wenn die Galerie geschlossen hat. Bei Dunkelheit sieht man die erleuchtete Rauminstallation schön von aussen.

Und ein Besuch lohnt sich auch deshalb, weil es nicht mehr so schnell wieder die Gelegenheit einer Einzelausstellung von Sipho Mabona in Luzern geben dürfte. Seine nächsten Termine sind an Kunstmessen in Miami und New York, eine Galerie in den USA vertritt ihn da. Und auch Südafrika, ein Teil seiner Herkunft, steht wieder auf dem Programm. «Mein Ziel ist jetzt, in eine grössere Galerie reinzukommen», sagt er.

Bald weg von Luzern?

Sipho Mabona schielt mit seiner Ausstellung aber nicht in erster Linie auf den Markt, «ich mache es, weil ich es cool finde». Aber seine Bilder haben inzwischen durchaus ihren Preis, seine neuen Werke kosten zwischen 1’900 und 18’000 Franken.

«Wenn du ehrgeizig bist und nach mehr strebst, muss du in einen grossen Markt.»

Der Künstler kann von seinen Arbeiten leben, kann aber noch nicht gänzlich auf Auftragsarbeiten verzichten. «Mein Ziel ist es aber, irgendeinmal nur noch freie Arbeiten zu machen», sagt er.

Dafür wird der Künstler, der schon lange im internationalen Markt mitmischt, früher oder später seinen Arbeitsort in eine grössere Metropole verlegen, auch wenn er in Luzern nach wie vor sehr gut verankert ist. «Wenn du ehrgeizig bist und nach mehr strebst, muss du in einen grossen Markt», sagt er. Er denkt dabei an Städte wie Berlin, Paris, London oder Shanghai – vor allem New York und Los Angeles würden ihn reizen. Sein Traum, ausschliesslich von der freien Kunst zu leben, wäre dort einiges realistischer als hier.

Hinweis: Die Ausstellung in der Galerie Vitrine (Stiftstrasse 4, Luzern) läuft noch bis 13. Januar 2018. Geöffnet Donnerstag und Freitag, 14 bis 18.30 Uhr, Samstag 12 bis 16 Uhr.

Zur Person

 
Der 37-jährige Sipho Mabona lebt und arbeitet in Luzern. Er fing schon klein mit Papierflugzeugen an, mit 20 kreierte er seine eigenen Entwürfe und er entdeckte so die Origamikunst. Mabona ist als Sohn einer Schweizerin und eines Südafrikaners geboren. Er ist ausgebildeter Primarlehrer, studierte Psychologie, lebt aber heute vor allem von seiner Kunst. «Ich wollte nie einen 9-to-5-Job und nie einen Chef», sagt er. Mabona ist inzwischen international bekannt und hat in Museen und Galerien rund um den Globus ausgestellt, etwa in Kapstadt, Miami, Tokio oder London. Für Aufsehen sorgte er vor einigen Jahren mit einem lebensgrossen Elefanten aus Papier im KKLB in Beromünster (zentralplus berichtete). 
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