Zuger Stadtrat weiter in der Kritik

Aufsichtsbeschwerde gegen Kulturstelle wird zum Thema

Video-Installation von Jonathan Shohet Gluzberg am letztjährigen Lichtkunstfestival Illuminate in Zug. (Bild: zvg)

Die Querelen um die Kulturstelle in Zug gehen auch nach abgeschlossener Sonderprüfung und der Kündigung der langjährigen Kulturbeauftragten weiter. Doch dabei geht es nicht mehr um Kultur. Gleichzeitig wird deutlich, dass im Umfeld der Kulturstelle in den vergangenen Jahren tolle Projekte realisiert wurden.

Eigentlich wäre alles bereit, um in der Zuger Kulturpolitik ein neues Kapitel aufzuschlagen und in die Zukunft zu blicken. Das Stadtparlament beharrt darauf, dass die Regierung ein verbindliches Reglement zur Kulturförderung ausarbeitet (zentralplus berichtete). Und Jacqueline Falk, die als Kulturbeauftragte das Zuger Kulturleben während 15 Jahren massgeblich geprägt hat, verlässt im Sommer die Stadtverwaltung (zentralplus berichtete). Dies nachdem eine Sonderprüfung des Wirtschaftsprüfungsunternehmens BDO administrative Mängel bei der Kulturstelle und vereinzelte Interessenskonflikte bestätigt hat (zentralplus berichtete).

Doch Ruhe kehrt (vorerst) nicht ein: Der grünliberale Gemeinderat Stefan W. Huber und der SVP-Abgeordnete Gregor R. Bruhin haben im Namen ihrer Fraktionen am Freitag eine Interpellation eingereicht. «Umgang mit Aufsichtsbeschwerde: ‹Waren die Missstände auf der Zuger Kulturstelle dem Stadtrat längst bekannt?›», lautet ihr Titel.

Ereignis aus dem Jahr 2018

Im Oktober 2018 seien Mitarbeitern der Kulturstelle «Verstösse gegen Verordnungen und Umgehung von Bestimmungen» vorgeworfen worden, «darunter Missachtung der Ausstandspflicht und Nichteinhalten von Richtlinien und der städtischen Finanzverordnung», machen die beiden geltend.

Jedoch habe der Stadtrat im Januar 2019 in seiner Antwort geschrieben, dass die Vorwürfe völlig unzutreffend und unbegründet seien. Bei der Aufgabenerfüllung der Fachstelle Kultur seien «keinerlei Missstände und keine Vernachlässigung öffentlicher Aufgaben zu erkennen.» Ebenso wenig gebe es Hinweise darauf, «dass die beiden Mitarbeiterinnen der Fachstelle klares materielles Recht verletzt, wesentliche Verfahrensgrundsätze missachtet oder wichtige öffentliche Interessen gefährdet hätten.» Daher bestehe keine Veranlassung für ein aufsichtsrechtliches Einschreiten durch den Stadtrat. Auf die Aufsichtsbeschwerde trat er nicht ein.

«Fundamentaler Widerspruch»

Huber und Bruhin finden, die Antwort auf die Aufsichtsbeschwerde stehe «in fundamentalem Widerspruch zu den damals tatsächlich vorhandenen Missständen.» Dies habe die kürzlich veröffentlichte Sonderprüfung durch das Wirtschaftsprüfungsunternehmen BDO nun gezeigt. Deswegen stellen sie verschiedene Fragen an den Stadtrat.

Bezeichnenderweise gehen die beiden Gemeinderäte nicht auf die konkreten Umstände der Aufsichtsbeschwerde ein, die zentralplus vorliegt. Sondern sie stellen den Stadtrat und sein Verhalten ins Zentrum. Es geht also im Vorstoss nicht mehr nur um das Funktionieren der Kulturförderung in Zug, sondern in erster Linie um die Auseinandersetzung mit der Exekutive.

Ständiger Kampf

Nun gehören Machtkämpfe zwischen Exekutive und Legislative im Parlamentarismus zwingend dazu. Doch das Zuger Stadtparlament zelebriert das Kompetenzgerangel seit Jahren mit besonderer Inbrunst. Was es vor wenigen Jahren noch anhand der Parkordnung auf dem Postplatz durchexerzierte, versuchen nun die Gemeinderäte anhand der Kulturpolitik oder der Frage nach einem unabhängigen Ratssekretariat dem Stadtrat zu zeigen: Dass sie die oberste Instanz im Gemeinwesen sind und eine Oberaufsicht über die Regierung ausüben.

Dennoch lohnt sich ein genauerer Blick auf die Umstände, die 2018 zur Aufsichtsbeschwerde führten. Sie stehen nämlich symbolhaft für die Arbeit der Kulturstelle in den vergangenen Jahren.

Es ging um Lichtkunst

Bei der Auseinandersetzung ging es um das Lichtkunstfestival Illuminate, das in Zug zweimal durchgeführt und von einem Verein organisiert wurde (zentralplus berichtete). In diesem Verein waren auch Leute engagiert, die gleichzeitig in einem kleinen Pensum für die Kulturstelle von Zug arbeiteten, dort ein Praktikum machten oder früher für Projekte der Kulturstelle tätig gewesen waren.

In der Beschwerde wurde diese personelle Verbindung kritisiert und behauptet, dass von der städtischen Kulturstelle Arbeiten fürs private Projekt Illuminate geleistet worden seien. Ausserdem wurde die unorthodoxe Weise bemängelt, mit der die Initiantinnen Mittel für ihr Projekt organisierten.

Kritische Würdigung

Das Festival Illuminate war eine ziemlich grosse Kiste und kostete über 100'000 Franken. Geld, das aus der Kulturförderung der öffentlichen Hand stammte, von grossen Kulturstiftungen, aber auch von der lokalen Wirtschaft, die sich mit Sponsorengeldern engagierte.

Nun sind die Sachverhalte in der Aufsichtsbeschwerde nicht ganz von der Hand zu weisen und wurden vom Stadtrat in seiner Antwort durchaus kritisch betrachtet. Dennoch ist es nachvollziehbar, dass er die Behauptungen der Beschwerde, bei Illuminate handle es sich um einen «Scheinverein» oder die Kulturbeauftragte Jacqueline Falk betreibe «Staatskultur», zurückwies und darauf beharrte, dass formal alles rechtens war.

Coole Sache

Was in der Nachbetrachtung des Lichtkunstfestivals indes besonders auffällt, ist die hohe künstlerische Qualität der Veranstaltungsbeiträge. Und das gilt auch für viele andere Projekte, die Jacqueline Falk in den vergangenen 15 Jahren angestossen oder unterstützt hat. Sie war erst die zweite Kulturbeauftragte der Stadt Zug. Ihre Vorgängerin in der Stabsstelle Sonja Hägeli hatte zur Ernst-Göhner-Stiftung gewechselt.

Davor hatte sich Christoph Luchsinger (FDP), Stadtpräsident von 1999 bis 2006 bei der Kulturförderung auf sein eigenes Urteil verlassen – ebenso seine Vorgänger. Bis zu einer Ausgabenlimite von 20'000 Franken konnten sie entscheiden, was sie wollten. Das gibt die Finanzordnung der Stadt Zug vor und das gilt auch heute noch für Stapi Karl Kobelt.

Leidenschaftlich und innovativ

Falk galt als leidenschaftliche und innovative Kulturbeauftragte, die viele neue Formate möglich machte. Sie funktionierte ein Kopierkämmerchen im Haus Zentrum zum städtischen Ausstellungsraum um, in welchem sie lokale Kunstschaffende präsentierte. In Erinnerung bleibt die Gestaltung des neuen Stadthauses auf dem Landis & Gyr-Areal, das sie mit Werken aus der städtischen Sammlung und mit Schenkungen zu einer Art Galerie machte.

Falk stand für ihre Ansichten ein und beschränkte sich nicht nur aufs Verwalten. «Ich habe ihre etwas unkonventionelle Art toleriert, weil aus meiner Sicht Engagement und Innovationsgeist einer Kulturbeauftragten gut anstehen», sagt alt Stapi Dolfi Müller (SP), dem sie 12 Jahre lang unterstellt war. Er hielt Falk die Treue – ebenso sein Nachfolger Karl Kobelt, der Jacqueline Falk eineinhalb Jahre lang den Rücken stärkte.

Freiheiten genutzt

Dolfi Müller mochte sich auf Anfrage nicht zu den aktuellen Vorgängen äussern. Zu seiner Zeit als Stadtpräsident von 2007 bis 2018 sagt er: «Ich habe meine Freiheiten bei der Kulturförderung bewusst ausgenutzt, um Kultur zu ermöglichen.» Auch wenn er in der Regel auf die Ratschläge der Kulturkommission gehört habe.

Zum geplanten Kulturreglement, das künftig die Freiheiten des Zuger Stapis bei der Vergabe von Fördergeldern einschränken wird, sagt Müller: «Ich hoffe einfach, dass dadurch nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird.» Es sei wichtig, dass die Kultur im Vordergrund bleibe und Überreglementierungen vermieden würden.

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4 Kommentare
  • Profilfoto von nemoios
    nemoios, 18.01.2021, 19:08 Uhr

    Aber selbstverständlich geht es immer noch um Kultur, nämlich die berühmt-berüchtigte Zuger Geschenkkultur.

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  • Profilfoto von Stefan Ernst
    Stefan Ernst, 18.01.2021, 00:10 Uhr

    Es mutet ja beinahe putzig an, wenn die grössten Fans von Regulierungen und Verordnungen plötzlich davor warnen, wenn es um den eigenen Garten geht.

    Seltsam auch, dass der Bericht suggeriert, die Nichteinhaltung der Regeln wäre durch die (doch sehr subjektiv beurteilte) Qualität der Ergebnisse zu rechtfertigen.

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  • Profilfoto von Stefan W. Huber
    Stefan W. Huber, 17.01.2021, 20:23 Uhr

    Völlig unerwähnt bleibt in diesem Bericht, dass in der Vergangenheit zahlreiche Gesuche für innovative Projekte bereits in der ersten Jahreshälfte aus vorgeschobenen Budgetgründen abgelehnt wurden. Nur um genug Budget für intern geplante Projekte zu haben. Weder geht es um eine qualitative, noch um eine inhaltliche Beurteilung der geförderten Kultur, sondern einzig und allein darum, dass es Prinzipien gibt, an welche sich der Staat und seine Verwaltung zu halten hat. Wie der externe Untersuchungsbericht der BDO schwarz auf weiss zeigt, gab es nicht nur Verletzungen der Ausstandspflicht, nein – teilweise fehlten für Ausgaben Belege, oder gar ganze Gesuche.

    Richtlinien und Verordnungen wurden nicht eingehalten, Beträge querverbucht, falsche Angaben gemacht usw. Selbst die einzige rechtlich verbindliche Grundlage (Regelung über die Finanzkompetenzen) wurden nur deshalb eingehalten, weil «zufällige» Fehlbuchungen dazu geführt haben, dass Beträge nicht von den eigentlich dafür vorgesehenen Konten, sondern anderswo abgebucht wurden. Hätte man diese Beträge ordnungsgemäss verbucht, dann wären auch die Finanzkompetenzen nicht eingehalten worden.

    Das ist nichts mit einem Gerangel zu tun und ist erst recht nicht mit der Diskussion um die Parkgebühren vergleichbar. Diese Auseinandersetzung ist eine Folge der Art und Weise wie mit Hinweisen auf Missstände aus der Bevölkerung und wie mit dem GGR umgegangen wird. Niemand will «überregulieren» – wie kommt man überhaupt auf diese Idee? Es braucht eine gesetzliche Grundlage auf die sich die Kulturschaffenden verlassen können, denn wenn die Vergangenheit und der Untersuchungsbericht etwas gezeigt haben: Auf die salbungsvollen Worte des Stadtrates ist kein Verlass, am Ende können sich die Kulturschaffenden nur auf das verlassen, das vom Stadtrat verbindlich eingehalten werden muss.

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    • Profilfoto von Stefan W. Huber
      Stefan W. Huber, 17.01.2021, 20:43 Uhr

      (btw. Gemäss Gemeindegesetz besteht einer der drei Aufträge des GGRs darin, die Oberaufsicht über den Stadtrat und die Verwaltung zu führen – die Kompetenzen sind also ziemlich klar)

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