«Cello Inferno» gründet «Schutzschirm»-Verein

Aufmüpfiger Luzerner Strassenmusiker sucht Gleichgesinnte

Marcello Palermo und die Polizei – eine ewige Geschichte. (Bild: Pawel Streit)

Dass der Luzerner Strassenkünstler Marcello Palermo alias «Cello Inferno» sich immer mal wieder öffentlich mit der Polizei anlegt, ist nichts Neues. Doch diesen Herbst hat es ihm den «Nuggi» rausgehauen. Künftig will er nicht mehr alleine kämpfen.

Marcello Palermo alias Cello Inferno ist ein Luzerner Strassenmusiker mit Ausdauer und Wiedererkennungswert. Mit seiner brennenden Caffettiera, der selbstgebauten Cigarbox-Guitar und seinem verstärkten Blues-Trash ist er eine Ausnahmeerscheinung unter den Strassenmusikern (zentralplus berichtete).

Von «Sesselfurzer» und «Blockflötengrende»

Immer wieder fällt Palermo jedoch nicht nur seiner Musik wegen auf, sondern weil er sich auch regelmässig öffentlich über die Polizei und die Gesetze der «Sesselfurzer» aufregt. Denn mit seiner verstärkten Musik verstösst er gegen das Gesetz und wird deshalb regelmässig von der Polizei weggewiesen und gebüsst. Eine Tatsache, die dem Strassenmusiker gehörig auf die Nerven geht, wie in seinem öffentlichen Aufruf zu lesen ist:

Da Palermo jedoch weiterhin verstärkt auf den Strassen auftritt und die Polizei weiterhin auf die Regeln pocht, gibt es regelmässig Knatsch. Nach weiteren mühsamen Begegnungen mit «wichtigen Personen» hatte er genug und postete auf Facebook:

«Ich habe heute auf dem Schwanenplatz gespielt und einen recht grossen Zirkel gehabt und die Kasse hat geklingelt. Allerdings ist nach 20 Minuten ein Kellner des Schwanen Restaurants rausgekommen und hat mich mit einer sehr arroganten Art gebeten abzubrechen das sich seine versnobten Gäste gestört fühlen. Später an einem anderen Standort habe ich den Vorstand der City Vereinigung kennengelernt und er hat sich richtig aufgespielt als sei er eine richtig wichtige Person von Luzern. Er hat behauptet ich bin schon über einer halben Stunde am spielen. Er hat mir gedroht er werde die Polizei benachrichtigen. Tatsächlich waren es nur 20 Minuten. Ich habe ihm dann gesagt ich bin Cello Inferno und ich habe auch bald einen Verein!!»

Gesagt, getan. Also machte sich Palermo umgehend daran, weitere Strassenkünstler und Wohlgesinnte als Gründungsmitglieder des Vereins zu suchen, welcher noch im Oktober gegründet werden soll. Zwei hat er seit dem Aufruf auf Facebook bereits gefunden. Damit steht dem Unterfangen nichts mehr im Wege.

Immer mehr Regeln, immer mehr Zensur

Die Idee des Verein sei aber nicht «totaler Ungehorsam». Er wolle sich damit auch keiner politischen Seite anschliessen. Die Gruppe «soll bedingt aufmüpfig sein, aber keine Revolution auslösen». Man wolle immer mit Rücksicht auf Mitbürger, Wohnende und Arbeitende auftreten.

Doch organisieren müsse man sich nun endlich. «Die Regeln werden immer strenger», so Palermo. In gewissen Städten sei lauter Gesang verboten, in anderen könne man kaum eine halbe Stunde am selben Ort spielen. Es gibt teilweise Gebühren und die Bedingung von offiziellem Vorspielen bei den Behörden. «Die Kunstfreiheit wird beschnitten und quasi zensiert», so Palermo und ergänzt: «Es ist heuchlerisch, dass sich die Schweiz als Kultur- und Musikland zu präsentieren versucht.» Immer häufiger werde die Strassenmusik für Festivals kommerzialisiert und die echten Strassenmusiker verscheucht. «Man wird für die Ausübung von Kunst bestraft», so Palermo.

«Es ist heuchlerisch, dass sich die Schweiz als Kultur- und Musikland zu präsentieren versucht.»

In Luzern sei es beispielsweise auch nicht erlaubt, verstärkt auf der Strasse zu spielen – Palermos Hauptproblem, da er mit einem kleinen Verstärker unterwegs ist. Er betont: «Ein Kleinstverstärker mit 2,5 Watt ist wirklich nicht störend. Jede Baustelle verursacht massiv mehr Lärm.» Doch mit dieser Argumentation stösst er bei den Behörden auf taube Ohren.

Fürs Vermitteln und für finanzielle Mittel

Der Verein soll künftig zwischen Behörden und Künstlern vermitteln und auch die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen. Er soll den Mitgliedern als Schutzschirm dienen und «die Angst vor Polizei und Repressionen nehmen». Zudem soll es eine Vereinskasse geben, aus welcher die Mitglieder bei Bussen die Beträge an die Polizei bezahlen können.

Um Geld in die Kasse zu bekommen, will Palermo mit dem Verein Veranstaltungen organisieren. Er weist dabei auf den Benefizanlass hin, welcher vor wenigen Monaten im Konzerthaus Schüür für ihn stattfand (zentralplus berichtete). 1600 Franken sind dabei zusammengekommen. Das reicht Palermo wieder eine Weile für seine Bussen.

Verdient hätten Strassenmusiker eigentlich Anerkennung statt Strafe, betont Palermo. Denn um sich den Lebensunterhalt in der Hochpreisinsel Schweiz auf der Strasse mit Kunst zu verdienen, müsse man sich ganz schön durchbeissen.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Wolfgang Reuss
    Wolfgang Reuss, 13.11.2022, 14:49 Uhr

    «Cello Inferno» (was sagt uns das?) mit seiner «brennenden Caffettiera», der selbstgebauten «Cigarbox-Guitar» (Schall UND Rauch?) gründet «Schutz-Schirm». Er nennt Lärmopfer beispielsweise «Sesselfurzer» und «versnobten Gäste».
    Ich finde, der tatsächliche «Schutz-Schirm» sollten die Gesetze sein, die in der Schweiz gelten und hoffentlich auch durchgesetzt werden (sonst hätten sie kaum Sinn).
    Bei Lärm (sei es Open Air, sei es Wohnenlärm indoor, sei es . . .) sehe ich, dass es zwei Gruppen gibt: Stillebedürftige (der Naturzustand) und Lärmenthusiasten. Damit beide Gruppen happy sind, sollte man sie geografisch trennen. Das gilt primär fürs Wohnen (My Home Is My Castle), denn die WHO nennt nach Luftverschmutzung Lärm als grösste Gesundheitsgefahr. Besonders gesundheitsschädlich ist Abruptlärm wie etwa Türen-/WC-Knalle, Schläge auf Boden, Bellen. In Medien/Gesetzen gibt es die Begriffe «Barrierefreies Bauen», allerdings sehe ich dies leider einzig gleichgesetzt mit Rollstuhl. Ich sehe die Barriere im Lärm. Zumindest für Menschen mit Dauerkopfschmerzen, Herz/Kreislauf, Stressfolgeerkrankungen etc. fordere ich «Häuser der Stille». Denn bereits der Volksmund weiss: Schlaf ist die beste Erholung. Und Lärm schädigt nicht nur während des Schlafs.

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  • Profilfoto von M. Luetolf
    M. Luetolf, 30.09.2016, 10:13 Uhr

    Als konstruktiver Beitrag zur Diskussion und von wegen «Die Regeln werden immer strenger». Diese gelten seit 2011 und lauten wie folgt:

    VI. Besondere Vorschriften für Strassendarbietungen
    Art. 25 6 Auflagen
    1 Strassenmusik, Strassenartistik oder Strassenmalerei in Gruppen bis zu sieben Personen oder von Einzelpersonen sind ohne ausdrückliche Bewilligung erlaubt, wenn folgende Auflagen eingehalten werden:
    a. werktags zwischen 17.00 und 21.30 Uhr;
    b. pro Tag nicht mehr als 30 Minuten am gleichen Standort und ausser Hörweite von anderen Darbietungen von Strassenmusik und Strassenartistik. Dabei ist ein Mindestabstand von 50 Metern einzuhalten. Dieser Mindestabstand darf unmittelbar bei Boulevardbetrieben unterschritten werden, sofern die Betreiberin oder der Betreiber einverstanden ist;
    c. pro Person und Gruppe an höchstens vier Tagen pro Monat;
    d. Strassenmalereien mit kommerzieller Ausrichtung dürfen nicht angebracht werden.
    2 Guuggenmusig darf nur während der Fasnacht und an fasnachtsbezogenen Anlässen gespielt werden.
    3 Es dürfen keine Verstärkeranlagen, Synthesizer, Tonwiedergabegeräte, Lautsprecher und dergleichen verwendet werden.
    Art. 26 Benutzungsverbote
    1 Auf den Brücken der Stadt Luzern und deren Zugängen darf keine Strassenmusik oder Strassenartistik dargeboten werden.
    2 Während der Darbietung ist Passanten jederzeit das freie Zirkulieren zu ermöglichen. Insbesondere die Zugänge zu Häusern, Geschäften, Restaurants sowie signalisierte Strassenüber- und -unterquerungen sind frei zu halten.
    3 Strassenmusizierende dürfen sich nicht auf Trottoirs, Friese, Schaufenstereinfassungen, Plätze, Boulevardbetriebsmobiliar und dergleichen setzen.
    4 Der Stadtrat kann an Grossveranstaltungen Strassendarbietungen innerhalb des Veranstaltungsperimeters untersagen.
    5 Mit Ausnahme von weihnächtlichen Musikveranstaltungen sowie Darbietungen von Schulklassen ist Strassenmusik im Dezember gänzlich untersagt.

    Art. 27 Spielverbot
    Die Dienstabteilung Stadtraum und Veranstaltungen kann bei Verstoss gegen Art. 25 und 26 ein Spielverbot aussprechen. Das Spielverbot gilt für ein Jahr.

    (Quelle: Verordnung über die Nutzung des öffentlichen Grundes vom 16. März 2011)

    That’s it!

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