Mega-Deckel zwischen Neustadt und Bruchquartier

Auf den Luzerner Gleisen soll ein Stadtpark entstehen

Deckel auf das Gleis et voilà – ein Stadtpark: Das wäre die Vision der Grünen – die Stadt will die Idee prüfen.

(Bild: jal)

In der Neustadt und im Bruchquartier durchpflügt das Zuggleis die Stadt. Der Graben soll nun überdacht werden und darauf ein Stadtpark entstehen. Beispiele anderer Städte zeigen, dass solche «Deckel» Millionen kosten. In Luzern kommt möglicherweise ein weiteres Hindernis dazu.

In der Stadt ist der Raum knapp. Noch enger wird es, wenn eine Bahnlinie durch das Quartier führt. Wieso also nicht ein Dach über das Gleis und – schwupps – hätte man eine freie Fläche? Diese Idee hat Grossstadtrat Christian Hochstrasser (Grüne) im Mai in einem Vorstoss angeregt (zentralplus berichtete). Er schlägt vor, für zwei Zugabschnitte in der Neustadt und im Bruchquartier eine solche Überdeckung zu prüfen. Zum einen zwischen der Neustadtstrasse und dem Paulusplatz, zum anderen zwischen der Sälistrasse und dem Heimbach-Schulhaus (siehe Plan unten).

34 Millionen für 430 Meter

Was visionär tönt, ist nicht neu. In Genf ist bereits 2000 ein ähnliches Projekt realisiert worden, im Kanton Aargau hat man vor Jahren einen Teil der Autobahn auf diese Weise «überbaut». In Zürich schwirrt seit einigen Monaten die Idee umher, mit einem Dach über den Seebahngraben die Kreise 3 und 4 zu verbinden. 

«Millionen kostet es auf jeden Fall – die Frage ist, wie viele.»

Christian Hochstrasser, Grossstadtrat Grüne

Auch in Luzern stösst der Vorschlag auf offene Ohren. «Es ist eine interessante Idee», sagt Baudirektorin Manuela Jost (GLP). «Gerade in so dicht bebauten Quartieren birgt es grosses Potenzial für eine Aufwertung.» Der Stadtrat empfiehlt das Postulat daher zur Annahme und will – sofern das Parlament in zwei Wochen zustimmt – die Grundlagen zusammenstellen, sodass später über eine Machbarkeitsstudie diskutiert werden kann.

Eine Idee mit Vorgeschichte

Bereits 2001 haben SP-Politiker – unter ihnen der heutige Stadtpräsident Beat Züsli – einen Vorstoss eingereicht, der einen Stadtpark über dem Gleis forderte. Der Stadtrat war dagegen, am Ende wurde das Postulat zurückgezogen. Ein Jahr später verlangte ein neues Postulat zwischen Gütschtunnel und Bahnhof eine Überdeckung der Gleise. Der Stadtrat nahm das Postulat an, schrieb es jedoch 2010 ab. 

 

Zumindest im Grundsatz kommt der Vorschlag also gut an. Doch der Stadtrat verweist zugleich auf die Komplexität solcher Vorhaben. In Genf dauerte die Planung insgesamt 18 Jahre, die Kosten für ein 430 Meter langes Dach betrugen stolze 34 Millionen Franken. In Zürich wird für den rund einen Kilometer langen Abschnitt mit 300 bis 400 Millionen Kosten gerechnet. Zum Vergleich: In der Neustadt wäre der fragliche Abschnitt 530 Meter lang, im Bruchquartier 380 Meter. 

Günstig wird es auch in Luzern nicht

Kommen also auch auf Luzern Millioneninvestitionen zu? «Millionen sind es auf jeden Fall – die Frage ist, wie viele», sagt Grossstadtrat Christian Hochstrasser (Grüne), der das Postulat eingereicht hat. Aber er relativiert sogleich und verweist auf die 20’000 Quadratmeter, die man dadurch gewinnen würde. «Wir haben im Zentrum nur das Vögeligärtli – ansonsten muss man bereits an den Stadtrand, wenn man ins Grüne will», sagt Hochstrasser. Er ist überzeugt, dass ein neuer Stadtpark viel zur Standortattraktivität beitragen würde, was beim Entscheid für einen Wohn- oder Arbeitsort entscheidend sei. Ein Faktor, der in seinen Augen oft unterschätzt werde.

Um diese zwei Bahnabschnitte im Bruchquartier (links) und in der Luzerner Neustadt geht es.

Um diese zwei Bahnabschnitte im Bruchquartier (links) und in der Luzerner Neustadt geht es.

Auch bei der Stadt herrscht bezüglich Kosten noch keine Klarheit. «Man kennt die Preisschilder von ähnlichen Projekten in anderen Städten, aber es ist keinesfalls klar, dass das in Luzern in eine ähnliche Grössenordnung fällt», sagt Stadträtin Manuela Jost.

Um den Rahmen abschätzen zu können, will die Stadt Gespräche mit den SBB als Grundeigentümerin führen, bei denen auch Sicherheitsfragen besprochen werden. Zum anderen müssten auch technische, rechtliche und finanzielle Fragen geklärt werden. Entsprechend hält Jost fest: «Es sind komplexe Aufwertungsprojekte und die sind nie günstig.» 

Stolperstein Durchgangsbahnhof?

Ein Hindernis könnte der geplante Durchgangsbahnhof sein. «Ich gehe zurzeit nicht davon aus, dass sich das tangieren würde, aber das müssen wir genau abklären», sagt Manuela Jost. Klar ist: Sollte es zu potenziellen Konflikten kommen, geniesst der Tiefbahnhof Priorität. 

«Da hört und spürt man jeden Zug durchrattern, ich rede aus eigener Erfahrung.»

Manuela Jost, Baudirektorin Stadt Luzern (GLP)

Was auf einem solchen quasi nachträglich gebauten Tunnel dereinst stehen könnte, ist ebenfalls noch offen. Das Wort Boulevard suggeriert eine Flanierzone mit Cafés und städtischem Flair. Doch Initiant Christian Hochstrasser winkt ab. Häuser seien nicht in seinem Sinne, sondern vielmehr ein Park, womöglich ein Spielplatz oder ein Kiosk sowie Fuss- und Velowege. «Die Idee ist ein langgezogener Park wie das Freigleis – nur grün», so der Grossstadtrat mit Verweis auf den im Frühling eröffneten Velohighway zwischen Luzern und Kriens (zentralplus berichtete).

Ähnlich äussert sich die Baudirektorin. «Es geht in erster Linie darum, zusätzlichen Aussenraum, also quasi mehr Luft, zu gewinnen», sagt Manuela Jost. «Denn gerade an Grünflächen fehlt es in diesen Quartieren. Von daher macht eine neue Überbauung sicher weniger Sinn.» Ob überhaupt gebaut werden dürfte auf diesem Terrain, ist sowieso fraglich. 

Ruhe im Quartier

Zurzeit kommen die beiden genannten Strecken für ein solches Projekt infrage. Gerade zwischen Sälistrasse und Heimbach-Schule erhofft sich die Stadt mit einem Dach über dem Gleis auch eine höhere Wohnqualität. «Da hört und spürt man jeden Zug durchrattern, ich rede aus eigener Erfahrung», sagt Jost und lacht. Nach wie vor gebe es Stimmen, welche die hohe Lärmbelastung von den Zügen her beklagen, obwohl die Grenzwerte eingehalten werden. 

Und nicht zuletzt sei es auch städtebaulich eine spannende Idee. «Das Gleis durchschneidet jeweils auch das Quartier. Mit einer Überdeckung könnte man die Teile verbinden.» 

Bald grüner? Der Abschnitt zwischen der Säli- und der Klosterstrasse wird vom Bahngleis zerschnitten.

Bald grüner? Der Abschnitt zwischen der Säli- und der Klosterstrasse wird vom Bahngleis zerschnitten.

(Bild: jal)

Wie geht es nun weiter? Mitte November wird voraussichtlich das Parlament über das Postulat diskutieren. Sollte es überwiesen werden, will der Stadtrat in zwei Etappen vorwärtsgehen. Zuerst sollen in den nächsten vier Jahren die bereits von Jost genannten Grundlagen zusammengestellt werden. Auf deren Basis soll der definitive Entscheid fallen, ob eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben wird. Denn alleine für diese rechnet die Stadt mit Kosten von rund 100’000 Franken.

Entsprechend dürfte es noch mehrere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis man über den Gleisen in einem neuen Stadtpark flanieren kann. «Es ist wichtig, dass wir diesen ersten Schritt sauber machen, bevor wir das Go erteilen. Diese Arbeit darf man nicht unterschätzen», begründet Jost die erwartete Dauer. 

Bei den Grünen jedenfalls trifft sie auf Verständnis. «Natürlich hätten wir unser erhofft, dass das Projekt schneller zu fliegen kommt», sagt Hochstrasser. Bei einem Projekt dieser Grösse mache es aber Sinn, zuerst vertiefte Abklärungen zu machen, bevor viel Geld für eine Machbarkeitsstudie ausgegeben wird. 

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