Wildtierbrücke in Risch: Plan liegt im Sommer auf

Auch der Kanton Zug bekommt eine Wohlfühloase für Rehe

In der Bildmitte soll die Wildtierbrücke über Autobahn A4 führen und den Wald am Rooterberg (rechts) mit jenem am Chilchberg (links) verbinden. (Bild: Andreas Busslinger)

Sie kosten jeweils um die 10 Millionen Franken: Wildtierbrücken über Autobahnen, wie sie derzeit etwa im Kanton Luzern errichtet werden. Dahinter steckt die Idee, dass nicht nur Menschen, sondern auch Tiere eine Art Strassennetz brauchen. Allerdings sind nicht alle Arten einfach dafür zu begeistern.

Nachdem die Bauarbeiten auf der Zugerseeostseite durch den Doppelspurausbau der SBB beendet sind, folgen bald Bauarbeiten auf der Westseite. Das Bundesamt für Strassen (Astra) ist dabei, die Autobahn A4 zwischen Brunnen und Küssnacht zu sanieren. Der letzte Abschnitt zwischen Arth und dem Anschluss Küssnacht wird dabei 2022 in Angriff genommen. Im selben Jahr geht das Astra daran, in Goldau eine 60 Meter breite Wildbrücke zu bauen.

Eine solche ist auch im Kanton Zug vorgesehen: Im Gebiet Brüglen verläuft ein Wildtierkorridor von nationaler Bedeutung. Gemäss Bundesamt für Umwelt (Bafu) ist dies der wichtigste Wildkorridor im Kanton Zug. Er verbindet den Rooterberg mit dem Chilchberg und verläuft dann via Chiemen über den See zum Lothenbach zwischen Oberwil und Walchwil. Daher investiert der Bund hier Millionen.

Baubeginn ab 2024

«Die Planauflage für die Wildtierbrücke ist in diesem Sommer vorgesehen», sagt Astra-Sprecher Samuel Hool. Aktuell rechne man mit einem Baubeginn «nicht vor 2024». Die Errichtung der Wildbrücke soll zwei Jahre in Anspruch nehmen. Da der Wildtierkorridor ein Stück weit über offenes Land führt, werden vielleicht Hecken oder Wildschutzzäune nötig, damit sich die Tiere über die Passage trauen. Davon später mehr.

Es gibt in der Schweiz ein ganzes Netz von Wildtierkorridoren, auf denen sich Tiere über grössere Entfernung bevorzugt bewegen. 304 Korridore von überregionaler Bedeutung hat das Bundesamt für Umwelt ausgeschieden und dokumentiert. Viele davon wurden durch Infrastrukturen oder Siedlungsbau beeinträchtigt oder durchschnitten. Nur 28 Prozent der Korridore sind gemäss Bafu noch intakt. 56 Prozent sind beschädigt oder beeinträchtigt – und 16 Prozent gar komplett unterbrochen.

Füchse und Rehe sind die ersten Gäste

Sie werden aber so gut es geht wiederhergestellt. Nicht nur vom Astra durch den Bau von Wildtierbrücken über Autobahnen. Aber diese Bauwerke sind am augenfälligsten für die Öffentlichkeit und auch am teuersten. Gut acht Millionen kostete die im vergangenen Herbst fertiggestellte Wildunterführung unter der A2 bei der Knutwilerhöhe. 10 Millionen Franken die A2-Wildtierbrücke bei Neuenkirch, die derzeit im Bau ist.

Überprüfungen des Bafu haben ergeben, dass die Wildtierbrücken sofort von Rehen, Füchsen und Hasen angenommen werden. Rehe pflegen sogar darauf zu verweilen – das Bafu glaubt daher, Wildtierbrücken seien für sie «ein Wohlfühlfaktor». Falls Stein- und Holzhaufen existieren, kann man mit der Zeit auch Kleinsäuger über die Wildbrücken locken.

Hilfe für die Zugerseepassage

Als Zielarten, denen man mit der Wildtierbrücke in Risch helfen will, gelten Wildschweine, die so weit südlich derzeit noch selten vorkommen. Ausserdem Gämsen, die sich eigentlich lieber im Gebirge aufhalten und Rothirsche, die vorsichtiger sind und sich schwer damit tun, über eine Wildtierbrücke zu wandern. Diese Tierarten sind aber in der Lage, auf ihren Wanderungen längere Strecken zu schwimmen.

Fragt sich: Lassen sich Kosten von gegen 10 Millionen Franken für eine Strasse für Rehe, Füchse oder Hirsche rechtfertigen? «Angesichts der sonstigen Ausgaben zum Erhalt der Biodiversität finde ich es angemessen, auch in diese Infrastrukturen zu investieren», sagt Franz Koch, Astra-Projektleiter für die Wildtierbrücke in Neuenkirch.

Autofahrer bezahlen

Allerdings werden die Bauten auch vollständig durch Treibstoffabgaben der Verkehrsteilnehmer finanziert. Und das Astra baut auch nicht einfach nach Gutdünken. Die Wildtierbrücken wurden alle von der Politik in den kantonalen Richtplänen festgesetzt – und sind so behördenverbindlich.

Im Bau befindliche Wildtierbrücke über die A2 bei Neuenkirch. In Risch soll die Passage indes ganz aus Beton statt aus Holz gebaut werden. (Bild: Markus Mathis)

Nun gibt es neben der Verbindung von Rooterberg zum Zugersee im Kanton Zug noch weitere Wildtierkorridore von nationaler Bedeutung. Einer verläuft an der Westgrenze des Kantons vom Oberfreiamt auf den Rooterberg. Diese Passage ist wegen der Freizeitaktivitäten in Reussnähe beeinträchtigt, aber laut Bafu für sehr viele Tierarten wichtig: nämlich für Baummarder, Biber, Dachs, Eichhörnchen, Feldhase, Fuchs, Hermelin, Iltis, Mauswiesel, Reh, Rothirsch, Wasserspitzmaus und Wildschwein. Die Tiere schlüpfen hier beim Viadukt in Rotkreuz unter der Autobahn A14 hindurch.

Wichtiger Weg für den Luchs

Ein anderer Wildkorridor verbindet das Knonaueramt mit dem Zugerberg. Diese Verbindung ist intakt – in Baar gibt’s viel Wald und eine Autobahnbrücke über den Litibach, unter welcher Tiere hindurch können.

Der letzte wichtige Wildkorridor führt schliesslich durchs Sihltal und verbindet Albis und Höhronen. Er ist beeinträchtigt, weil Tiere im Bereich Sihlbrugg vielbefahrene Strassen queren müssen.

«Wir sind bestrebt, dass die Durchgängigkeit für Wildtiere nicht noch mehr behindert wird.»

Roman Keller, Amt für Wild und Wald, Kanton Zug

Die Besonderheit dieser Verbindung: Sie ist nicht nur für den Hirsch und die Gämse wichtig, sondern auch für den seltenen Luchs. «In der Tat gibt es Hinweise, dass zumindest ein Individuum vor einiger Zeit durch den Kanton Zug gestreift ist», sagt Roman Keller, Abteilungsleiter Jagd & Fischerei beim Amt für Wild und Wald des Kantons Zug.

Heuer werden Korridore überprüft

«Wir sind bestrebt, dass im Bereich von Wildtierkorridoren die Durchgängigkeit für Wildtiere durch Bauwerke, Zäune oder Aktivitäten nicht noch mehr behindert wird», sagt Roman Keller. «Aktuell überprüfen wir dieses Jahr alle Korridore im Kanton Zug auf Ihre Funktion.» Davon erhoffe man sich, in Zukunft mit gezielten Massnahmen Durchgängigkeit der Wildtierbewegungsachsen zu verbessern.

Diese Massnahmen würden in der Regel bei anstehenden Bauprojekten in den Korridoren im Rahmen des ordentlichen Bewilligungsverfahrens verwirklicht, sagt Keller. Konkretes Beispiel: Das Sanierungsprojekt der Strasse ins Ägerital zwischen Nidfurren und Schmittli. Hier wird die Brügglibachtobelbrücke bald neu gebaut. Dabei wird gleichzeitig der Durchlass vergrössert, damit in Zukunft auch Hirsche unter der Brücke durchspazieren und so von Menzingen auf den Wildtierkorridor Knonaueramt-Zugerberg kommen.

Ein wichtiger Aspekt von Wildpassagen ist die verbesserte Verkehrssicherheit. Überquert das Wild die Strasse nicht mehr, kommt es zu weniger Unfällen. Zwischen Nidfurren und Schmittli sorgt der Kanton Zug zusätzlich vor und zieht beim Strassenbau eine leere Röhre ein, um den Abschnitt nötigenfalls mit zusätzlichen Wildwarnanlagen auszustatten.

Bei Problemen ist der Kanton gefragt

Der Kanton könnte übrigens auch mit der geplanten Wildtierpassage in Risch zu tun bekommen. Gibt’s Einsprachen oder wehren sich die Landwirte dagegen, Terrain für Wildhecken zur Verfügung zu stellen, muss der Kanton die Sache regeln. Denn das Astra ist nur für den Streifen entlang der Autobahn tätig.

Diese Situation trat jüngst bei der dritten Wildtierpassage im Kanton Luzern ein: jener in Langnau bei Reiden, wo die geplante Wildtierbrücke ebenfalls durch intensiv genutztes Landwirtschaftsland führt und Annäherungshilfen nötig sind. Hier musste der Kanton Dienstbarkeitsverträge mit den Landbesitzern aushandeln. Dies ist vor wenigen Monaten gelungen. Die Passage soll noch in diesem Jahr in Bau gehen.

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