Gabriel Vetter im Kleintheater Luzern

«Asterix und Obelix: Der Front National auf Speed»

Gabriel Vetter wurde bekannt durch seinen Poetry Slam.

(Bild: Hazel Brugger)

In einem Riesentempo rast Gabriel Vetter in seinem neuen Stand-up-Programm durch die First World Problems eines weissen, heterosexuellen Europäers. Diese kleinen Banalitäten des Alltags stellt er sehr humorvoll den grossen existenziellen Fragen des Lebens gegenüber. Im Kleintheater Luzern lotete er so am Mittwoch die Grenzen des Geschmackvollen aus.

Der Slam Poet und jüngste Preisträger des «Salzburger Stiers» kann mehr als Texte rhythmisch vortragen. Ob als Güsel-Detektiv einer SRF-Web-Mockumentary, als Theaterautor am Theater Basel oder als Radioproduzent der eigenen Satiresendung «Vetters Töne» auf Radio SRF1; Vetter bewegt sich leichtfüssig zwischen den unterschiedlichen Genres und zieht alle Register der Komik und Satire. Mit seinem neusten Programm «Hobby – Stand Up» war er am Mittwochabend im Kleintheater Luzern zu Gast.

Im Fokus stand dabei vor allem sein Privatleben: seine Erfahrungen als Vater eines Sohnes und sein Leben zwischen der offenen sozialdemokratischen Gesellschaft Skandinaviens und dem konservativen Schweizer Bünzlitum. Dass aber eben das Private immer auch politisch ist, bringt er gewieft und pointensicher auf den Punkt. Verquerte Gedankengänge, sprunghafte Perspektivenwechsel und scheinbar unbekümmertes Aus-dem-Nähkästchen-Plaudern; der Humor Vetters ist alles andere als platt und bringt das Publikum gehörig zum Lachen, eröffnet aber auch Raum zur Reflexion.

Zweijähriger Sohn eignet sich kapitalistisches System an

Dass sein zweijähriger Sohn bereits den Arbeitseifer eines Minenarbeiters an den Tag lege, sieht Vetter an der allmorgendlichen Tätigkeit des Shampoo-Flaschen-Hin-und-Herräumens. Tagsüber räumt der Papa die Flaschen an ihren ordentlichen Platz, damit das Spiel am nächsten Morgen wieder von vorne beginnen kann. Doch eines Morgens habe der Kleine die Aufgabe dem Vater delegiert und damit nicht nur die menschliche Soziabilität entdeckt, sondern zugleich das westliche kapitalistische System, die Sklavenhaltung und die Industrialisierung mit angeeignet. In umfangreichen Spannungsbögen lässt Vetter immer wieder die grossen Weltthemen auf kleine Alltagssituationen prallen und platziert in diesen gewagten Narrationen seine bissige Gesellschaftskritik getarnt in einem rabenschwarzen Humor.

In einem riesen Tempo rast Vetter durch sein Programm.

In einem riesen Tempo rast Vetter durch sein Programm.

(Bild: Daniela Herzog)

Ständige Angst vor dem Tod

In breitem Thurgauer Dialekt geht Vetter nonchalant und scheinbar spontan von einer Geschichte zur nächsten über und führt akzentuiert ein paar Running Gags ein. So beispielsweise die ständige Angst, von einer von oben herabfallenden Kuh erschlagen zu werden. Darüber sei doch tatsächlich vor einigen Jahren einmal berichtet worden. Ganz gendergerecht spielt Vetter die absurde Situation nach; Gott als Frau, die kurz vor Feierabend noch einen auf der Excel-Liste abzuarbeiten habe, beschliesst, einen japanischen Fischer von einer aus dem Flugzeug fallenden Kuh erschlagen zu lassen.

Auf äusserst lustige und geniale Art und Weise führt Vetter dem Publikum die Kontingenz des menschlichen Lebens vor.

Schade ist einzig, dass er dafür der Angst so viel Raum gibt: Angst vor dem Fliegen, Angst vor der Autobahn, Angst vor einer Schwedisierung seines Sohnes. Dass diese gegenwärtige Angstkultur jedoch nicht von ungefähr kommt, illustriert Vetter minutiös an den deutschsprachigen Kinderliedern und -geschichten. Im Lied «Guten Abend, gut Nacht» beispielsweise erwache das Kind am Morgen nur wieder, «wenn Gott will». Dass damit eine ständige Angst fast zwangsläufig indoktriniert wird, scheint auf der Hand zu liegen. Auch die Kinderbücher scheinen aus heutiger Sicht fragwürdige Botschaften zu verbreiten. So beschreibt Vetter die beiden gallischen Helden Asterix und Obelix als «Front National auf Speed».

Gelacht, bis die Tränen fliessen

In kleinen Happen serviert Vetter dem Publikum seine sorgfältig sezierten Alltagssituationen, jedoch nicht ganz so dekadent wie die Brötchen in der Business-Lounge am Flughafen. Vetter echauffiert sich über den «Führerbunker für Aviatikadel», findet sich dank eines Coupons jedoch bald selber darin wieder und lässt sich beinahe von deliziösen Canapés und erstklassigem Champagner vereinnahmen. Doch dank einigen «Jean-Ziegler-Unser» gelingt es ihm, den «inneren FDP-Hulk» wieder zu bändigen. Mit seiner Wortakrobatik schafft Vetter die absurdesten Bilder und lotet die Grenzen des Geschmackvollen aus. Doch der derbe Humor findet grossen Anklang. Im Kleintheater wird gelacht, bis die Tränen fliessen.

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