Kanton Zug startet Projekt zur Suizidprävention

Arzt: «Psychische Krisen halten sich nicht an Öffnungszeiten»

Bei der Zuger Tobelbrücke wurden Massnahmen ergriffen, um die Zahl der Suizide zu senken. (Bild: wia)

Jedes Jahr kommt es im Kanton Zug durchschnittlich zu 20 Suiziden. Unbekannt ist hingegen die Zahl der Suizidversuche. Das will die Zuger Gesundheitsdirektion nun ändern und setzt den Hebel gleich an mehreren Stellen an.

Hohe, glatte Wände umfassen die Seiten der beiden Lorzentobelbrücken. Es handelt sich um eine Präventionsmassnahme, welche der Kanton Zug vor über zehn Jahren eingesetzt hat, um Suiziden vorzubeugen.

Es blieb nicht allein bei dieser Massnahme. Zur ungefähr selben Zeit führte der Kanton Zug ein Suizidmonitoring ein. Jeder Suizid wird seither von der Strafverfolgungsbehörde an den Kantonsarzt gemeldet und von diesem ausgewertet. «Das Ziel dabei ist die Auswertung der genauen Umstände. Erst, wenn man weiss, weshalb und wie ein Suizid passiert ist, wird es möglich, zu erkennen, was man anders machen kann», erklärt der zuständige Regierungsrat Martin Pfister gegenüber zentralplus.

Der Kanton Zug weist eine relativ tiefe Suizidrate auf

Die erhobenen Zahlen zeigen gemäss Kanton: Die Anzahl erfasster Suizide sei im Kanton Zug vergleichsweise tief, die getroffenen Präventionsmassnahmen und Programme im Bereich der psychischen Gesundheit wirken.

Die vierttiefste Rate im Schweizer Vergleich
Der Kanton Zug weist gemäss aktuellen Zahlen des Bundes die vierttiefste Suizidrate auf. Auf 100'000 Personen gerechnet nahmen sich im Jahr 2016 9,7 Menschen das Leben. 2006 lag die Rate noch bei 16,7. In Luzern waren es 2016 12,2, zehn Jahre zuvor 14,3. Am höchsten war die Suizidrate 2016 in Appenzell Innerrhoden mit 21,2 Menschen pro 100'000 Einwohner, welche Suizid begangen hatten. Die Zahlen des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) beziehen sich auf Suizide exklusive Sterbehilfe.

Trotzdem hat die Regierung nun, zehn Jahre nach dem letzten Beschluss, ein neues Projekt ins Auge gefasst. «Ziel ist es, die Zahl der Suizide im Kanton Zug weiter zu senken», erläutert Pfister mit Blick auf den Welttag der Suizidprävention vom 10. September.

Die Exekutive will in den nächsten vier Jahren ein besonderes Augenmerk auf dieses Projekt legen. «Ich hoffe, dass wir relativ bald schon konkrete Massnahmen umsetzen können», so Gesundheitsdirektor Martin Pfister.

Konkret sind es drei Teilprojekte, welche der Kanton mit der Unterstützung der Klinik Zugersee, Triaplus AG, umsetzen will.

Drei Hebel werden in Bewegung gesetzt

Erstens sollen Massnahmen ausgewertet werden, welche im Rahmen eines ersten Suizidpräventionsprojekts durchgeführt wurden. Brücken oder Bahngeleise wurden damals baulich angepasst, Krisentelefone eingerichtet. Weiter können Leute nicht mehr gebrauchte Medikamente zurückbringen; ausserdem gibt es immer wieder die Möglichkeit, Waffen bei der Polizei abzugeben. «Wir wissen, dass diese Massnahmen etwas gebracht haben», erklärt Josef Jenewein, Chefarzt der Klinik Zugersee. «Die Zahlen sind rückläufig.» (Siehe Box.)

«Wir können die Risikogruppe nicht erfassen, denn wir wissen nicht, wer sich darin befindet.»

Josef Jenewein, Chefarzt Klinik Zugersee

Zweiter Teil des Projekts. Suizidversuche sollen stärker ins Visier genommen werden. «Wenn jemand schon einen Suizidversuch hinter sich hat, ist sein Risiko grösser, letztlich Suizid zu begehen. Doch wurde bisher nie Statistik darüber geführt», sagt Jenewein. «Wir können diese Risikogruppe nicht erfassen, denn wir wissen nicht, wer sich darin befindet.»

Telefon 143 hilft weiter
Suizidales Verhalten ist immer auch gewalttätiges Verhalten gegen sich selbst. Die Dargebotene Hand Zentralschweiz bietet unter der Telefonnummer 143 telefonische Beratung in Krisensituationen. Weil es manchmal gut tut, sich etwas von der Seele zu schreiben, wird auch eine Beratung per Mail angeboten. Bei dieser Online-Beratung sind die Mitarbeiter an die Schweigepflicht gebunden, und die schreibende Person bleibt anonym.

Wohl sei es so, dass viele Personen nach einem Suizidversuch im Spital behandelt werden und von dort aus psychiatrischen Kliniken zugewiesen werden, «doch verschwinden sie dann wieder aus dem Blickfeld».

Darum prüfe der Kanton Zug die Möglichkeit einer offiziellen Statistik. Dafür brauche es jedoch Grundlagen.

Jenewein präzisiert: «Durch eine systematische Erfassung von überlebten Suizidhandlungen versprechen wir uns wichtige weitergehende Erkenntnisse. So können die Massnahmen zur Suizidprävention weiterentwickelt und verfeinert werden.»

Interventionszentren könnten akut Gefährdeten helfen

Last, but not least befasst sich der Kanton mit der Idee von niederschwelligen Kriseninterventionszentren. «Zwar gibt es aktuell psychiatrische Ambulatorien, doch die sind jeweils nur zwischen 8 Uhr und 18 Uhr geöffnet. Krisen halten sich jedoch nicht an Öffnungszeiten.»

Mit einem Interventionszentrum hätten akut Suizidgefährdete die Möglichkeit, jederzeit Hilfe aufzusuchen. «Dies quasi als Zwischending zwischen Notarzt und stationärer Behandlung. Das wäre zukünftig sinnvoll», so der Chefarzt der Klinik Zugersee.

Kooperationsprojekt mit externen Fachleuten

Parallel zu einer neuen kantonalen Strategie zur Suizidprävention will das Amt für Gesundheit bereits umgesetzte Massnahmen im Kanton, etwa die baulichen Schutzmassnahmen an Brücken oder im Bereich der Eisenbahnlinien, überprüfen.

Die Gesundheitsdirektion lege besonderen Wert darauf, dass auch externe Fachleute und -stellen ins Projekt integriert werden. So teilen sich das Amt für Gesundheit und die Klinik Zugersee (Triaplus AG) die Projektleitung. Vertretungen von Institutionen, Verbänden und Fachgruppen aus der Psychiatrie, somatischen Medizin und Psychologie werden ihre Kenntnisse in Arbeitsgruppen ebenso einbringen können wie Exponentinnen und Exponenten aus dem Schulwesen und der Polizei.

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