Sogar Ehemalige springen wieder ein

Zuger Bestatter: «Ich hatte seit Oktober kein Wochenende mehr frei»

Die Übersterblichkeit bekommen auch Zentralschweizer Bestattungsinstitute zu spüren. (Bild: wia)

Während die Läden in den Winterschlaf versetzt werden, haben andere Branchen sehr viel zu tun. Zentralschweizer Bestattungsunternehmen leisten derzeit unzählige Überstunden. Ein ehemaliger Luzerner Bestatter ist gar kurzfristig wieder zurückgekehrt zu seinem alten Job. Für Corona-Skeptiker hat er kein Verständnis.

Im Herbst dieses Jahres schlug die Kurve der Coronafälle zünftig nach oben aus. Und nicht nur diese, sondern auch jene der Personen über 65 Jahre, die in der Schweiz verstarben. Der Vergleich zu Vorjahren zeigt eine klare Übersterblichkeit.

Gemäss einem kürzlich erschienenen Artikel von «SRF» starben 2020 in der Schweiz insgesamt knapp 7500 Menschen mehr als erwartet.

Bei den Menschen über 65 Jahre war die Zahl der Todesfälle in den letzten Monaten überdurchschnittlich. (Bild: Bundesamt für Statistik)

Obwohl in den Kantonen Zug und Luzern nur eine leichte Übersterblichkeit verzeichnet worden war, bekommen auch hiesige Bestattungsinstitute diese Tendenz zu spüren.

Thomas Mischler, der Geschäftsführer von Mischler Bestattungen in Hünenberg bestätigt: «Die Belastung unserer Mitarbeiter ist deutlich grösser im Moment.» Er meint weiter: «2020 hatten wir weniger Todesfälle als in vorhergehenden Jahren. Das dürfte damit zusammenhängen, dass die Leute weniger unterwegs waren und es weniger Unfälle gab. Auch blieben die Menschen in den Altersheimen und waren entsprechend immer etwa denselben Temperaturen ausgesetzt. Kommt dazu, dass der Sommer nicht besonders heiss war.»

Ende Oktober ging's los

Im Oktober jedoch änderte sich dies abrupt. Die Zahl der Verstorbenen stieg bis im Dezember stetig an. «An Weihnachten war es relativ ruhig, doch dann, ab dem 27. Dezember, ging es so stark los für uns, dass es schwierig geworden ist, zu arbeiten.»

«Es ist manchmal schwierig, den Angehörigen zu erklären, warum sie nicht am Sterbebett Abschied nehmen können.»

Thomas Mischler, Zuger Bestatter

Wie er das meint? «Wie bereits in der Anfangsphase von Corona ist es für uns mühsam geworden, genügend Schutzausrüstung zu organisieren, die wir bei Covid-Verstorbenen tragen müssen. Die Preise sind im Moment zudem hoch.» Viel schwieriger sei für ihn jedoch, dass das Abschiednehmen in diesen Zeiten erschwert sei.

«Es ist manchmal schwierig, den Angehörigen zu erklären, warum sie nicht am Sterbebett Abschied nehmen können.» Thomas Mischler führt aus: «Wenn jemand stirbt, will man einander nah sein, sich beistehen. Das ist jetzt leider nicht immer möglich. Für Leute, die jemanden verloren haben, ist es schwieriger geworden, mit der Trauer umzugehen. In den letzten Monaten konnten sie gar nicht richtig trauern.»

«Für die Angehörigen wird dieser verzögerte Abschied zur Kopfsache, zur nicht erledigten Pendenz.»

Thomas Mischler

Einige Menschen möchten die Beerdigung ihrer Nächsten verschieben. Dies aufgrund der Sicherheitsmassnahmen und der beschränkten Anzahl Personen bei Trauerfeiern. «Doch wissen wir nicht, was in einem Monat ist oder einem halben Jahr. Für die Angehörigen wird dieser verzögerte Abschied zur Kopfsache, sie können nicht abschliessen und tragen dieses Gefühl wie eine nicht erledigte Pendenz mit sich.»

Nachts, an Wochenenden, an Weihnachten erreichbar

Für Mischler, der seit mehreren Jahrzehnten Bestatter ist und mehr von einer Berufung denn von einem Beruf spricht, ist es selbstverständlich, jederzeit für Angehörige da zu sein. «Selbständig habe ich mich gemacht, weil mir mein vorheriger Arbeitgeber vor 20 Jahren vorwarf, zu viel Zeit mit den Angehörigen zu verbringen. Denn das ist für mich das Allerwichtigste.» Auch wenn das bedeutet, spätabends, am Wochenende oder an Feiertagen im Einsatz zu sein. «Seit Oktober hatte ich kein freies Wochenende mehr», erklärt er sachlich.

Derzeit arbeiten vier Festangestellte beim Zuger Bestattungsunternehmen. Mehr Personal einzustellen, sei nicht so einfach. Nicht, weil die Arbeit als Bestatter nicht auf Interesse stossen würde. «Wir haben zwei bis drei Blindbewerbungen monatlich.» Sondern: «Weil diese Arbeit sehr persönlich ist. Die Angehörigen erzählen einem sehr intime Dinge, man blickt tief in die Familiengeschichte rein. Mitarbeiter müssen sich Zeit nehmen. Egal, ob ein Gespräch 30 Minuten oder drei Stunden dauert.»

«Ich bin kein Entsorger. Ich bin ein Bestatter. Im Moment komme ich mir wie Ersteres vor.»

Thomas Mischler

Zwar nehme sich Thomas Mischler diese Zeit auch jetzt, in hektischen Phasen. «Doch stimmt es mich traurig, dass wegen der Verordnungen keine gebührenden Trauerfeiern mehr abgehalten werden können.» Er hält kurz inne: «Mir fällt kein anderes Wort ein, aber: Ich bin kein Entsorger. Ich bin ein Bestatter. Im Moment jedoch komme ich mir wie Ersteres vor. Die Bestattungen sind unpersönlich, es fehlt die Ruhe.»

Genügend Zeit fürs Abschiednehmen

Im Kanton Luzern spürt man die aktuelle Zunahme an Todesfällen ebenfalls. Martin Mendel, der Geschäftsführer von Egli Bestattungen sagt: «Gerade im Dezember hatten wir mehr Trauerfälle als gewöhnlich. Dass dies auch mit Corona in Verbindung steht, ist unbestritten.» Es handle sich dabei ausschliesslich um Menschen, die über 85 Jahre alt gewesen seien.

«Damit Angehörige gebührend Abschied nehmen können, leisten unsere Mitarbeitenden derzeit unzählige Überstunden.»

Martin Mendel, Luzerner Bestatter

Mendel weiter: «Wir sind rundum gefordert in dieser Zeit. Doch sind wir in der glücklichen Lage, dass wir genügend Mitarbeitende und ein super Team haben, um die Trauerfamilien in einem würdigen Rahmen zu unterstützen.»

Dass aufgrund der Pandemie für die Angehörigen nicht genügend Zeit bleibe, um gebührend Abschied zu nehmen von Verstorbenen, kann Mendel nicht bestätigen. «Bei uns kann jeder so Abschied nehmen, wie er will. Wir nehmen uns die Zeit. Damit das geht, leisten unsere Mitarbeitenden derzeit unzählige Überstunden. Das Abschiednehmen ist etwas vom Wichtigsten bei einem Trauerfall.»

Unverhofft wieder im Bestatterberuf gelandet

Und dann gibt es sogar Luzerner, die nach Jahren wieder zum Bestatterberuf zurückgekehrt sind, schlicht, weil die Unternehmen am Anschlag sind. Der Ebikoner Ruedi Mazenauer steht derzeit auf Abruf bereit und springt in Spitzenzeiten oder bei personellen Engpässen bei zwei Bestattungsunternehmen ein. «Dies, bis sich die aktuelle Situation beruhigt hat», so der ehemalige FDP-Gemeinderat, der in normalen Zeiten ein eigenes Dienstleistungsgeschäft führt.

«Ich trage jetzt an einem Arbeitstag die Schutzausrüstung gleich oft wie früher alle zwei bis drei Jahre.»

Ruedi Mazenauer, springt derzeit wieder als Bestatter ein

Für Aufmerksamkeit hat Mazenauer gesorgt, als er Anfang Januar einen Facebook-Post geteilt hat, der die Bevölkerung aufklären soll. Darin schildert er den unverhofften Wiedereinstieg in den Bestatterberuf, spricht von den Schwierigkeiten, denen er durch die vielen Covid-Todesfälle begegnet und fordert die User auf, vorsichtig zu sein in der heutigen Zeit. «Es wäre schön, wenn dadurch vielleicht Leid verhindert werden kann», so der Ebikoner.

Die jetzige Tätigkeit als Bestatter unterscheide sich von dem Beruf, den Mazenauer bis vor zehn Jahren ausgeübt hatte.

Zum einen werde er nun vermehrt zu epidemischen Einsätzen gerufen. «Diese sind sehr aufwändig, da man jedes Mal die gesamte Schutzausrüstung anzieht. Die Schutzmassnahmen kennen routinierte Bestatter aufgrund von Norovirus, Tuberkulose, MRSA und anderen Krankheiten, aber nie in diesem Ausmass, wie wir es zurzeit erleben», sagt Mazenauer. «Ich trage jetzt an einem Arbeitstag die Schutzausrüstung gleich oft, wie ich es früher alle zwei bis drei Jahre getan habe.»

Weniger Zeit mit den Angehörigen

Wie Thomas Mischler bedauert auch Mazenauer, dass nicht genügend Zeit da ist für die Angehörigen und dass die Distanzen grösser sind. «Die persönlichen Gespräche haben sich reduziert, man erledigt viel mehr per Mail und Telefon aufgrund der aktuellen Situation. Es fehlt aber zum Teil auch schlichtweg die Zeit.» Dies, weil Einsätze durch die Schutzmassnahmen länger dauern, zurzeit eine Übersterblichkeit herrsche und weil Bestattungsunternehmen in einen personellen Engpass kommen, wenn eine ausgebildete Person zwei Wochen in Quarantäne müsse. Gerade da die Arbeit in diesem Gewerbe nicht aufgeschoben werden könne.

Weiter erzählt Mazenauer: «Es drückt einem das Herz, wenn jemand von einem Partner, mit dem man 30, 40 Jahre verheiratet war, Abschied nehmen möchte und dies nur mit einer gewissen Distanz erfolgen kann. Das geht mir persönlich unter die Haut.» Auch sei es speziell, Abschiedsfeiern ohne Umarmungen, Händedrucke und anschliessende Essen abzuhalten.

Kein Verständnis für Skeptiker

Auf seinen Facebook-Post hat Mazenauer Hunderte Rückmeldungen erhalten. Darunter zumeist positive, doch nicht nur. Einige der Kommentierenden bezichtigen den Ebikoner, zu übertreiben und Panik zu schüren.

«Das Virus ist Realität!»

Ruedi Mazenauer

Was entgegnet er diesen Skeptikern? «Ich habe Corona unternehmerisch wahrgenommen, dennoch war das Virus irgendwie fern, da in meinem Umfeld niemand gesundheitlich davon betroffen war. Dann gehst du in die ersten Einsätze als Bestatter und plötzlich siehst du, es gibt Menschen die sterben und es gibt Angehörige, die trauern. Es ist Realität!»

Mazenauer beteuert, dass natürlich jeder seine eigene Meinung haben dürfe. «Jeder Skeptiker oder Verschwörungstheoretiker soll sich jedoch darüber bewusst sein, dass er mit medialen Aufrufen zur Maskenverweigerung und Ähnlichem Menschen verunsichert und damit auch eine Verantwortung übernimmt.»

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5 Kommentare
  • Profilfoto von John
    John, 16.01.2021, 10:58 Uhr

    Wieder mal etwas Panik schüren mit einem Einzelbeispiel? Lesen Sie auch hier, ein anderes Beispiel, das ganz anders tönt: https://www.dieostschweiz.ch/artikel/duerfen-diese-menschen-denn-nicht-gehen-qGoO9Qd

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  • Profilfoto von Remo Genzoli
    Remo Genzoli, 16.01.2021, 10:29 Uhr

    nachtrag an herrn bründler, zum thema «logik»: aus ihren kommentaren zu schliessen darf ich annehmen, dass sie ihre politischen ansichten und meinungen mit LOGIK gleichstellen, bzw. als «logisch» bezeichnen. wohin das letztendlich führt, zeigen uns die aktuellen, brandgefährlichen ereignisse in übersee. ich wünsche ihnen einen schönen tag und geniessen sie doch den schnee….

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  • Profilfoto von Paul Bründler
    Paul Bründler, 15.01.2021, 22:29 Uhr

    Wenn ich das richtig lese, stört sich dieser Mann hauptsächlich an den Massnahmen bzw. Vorschriften und weniger an der Zahl der Verstorbenen.
    Warum er dann ein Problem mit «Massnahmen-Skeptikern» hat, erschliesst sich mir nicht.
    Aber die Logik hat ja im Moment sowieso einen schweren Stand.

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    • Profilfoto von Remo Genzoli
      Remo Genzoli, 16.01.2021, 09:22 Uhr

      «Aber die Logik hat ja im Moment sowieso einen schweren Stand.»
      sie sagen es, herr bründler, habe ich mich bei ihren kommentaren auf zentral+ doch auch schon gefragt……

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    • Profilfoto von Paul Bründler
      Paul Bründler, 16.01.2021, 13:03 Uhr

      @Genzoli: So? Wo war ich denn unlogisch?
      Solche Kommentare, die inhaltlich überhaupt nichts beitragen und nur auf die Herabsetzung eines anderen Kommentators zielen, finde ich besonders schwach.
      Eigentlich verstehe ich nicht, warum Z+ so etwas überhaupt veröffentlicht.

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