Massenentlassung: Das kannst du tun, wenn dir gekündigt wird
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Massenentlassungen sind nie schön – besonders für die betroffenen Arbeitnehmenden. Es gibt aber Rechte und Pflichten für Arbeitgeber und -nehmer. Wir zeigen dir, was gilt und was du tun kannst.
Plötzlich kommt die Kündigung – mal mit Vorwarnung, mal ohne. Bei der Swiss Steel in Emmenbrücke zeichneten sich die definitiven Entlassungen ab. Im November gab das Unternehmen bekannt, dass es zu einem Stellenabbau kommt. Am Dienstag war es nach Abschluss des Konsultationsverfahrens definitiv: Es kommt zu 50 Kündigungen – immerhin 30 weniger, als ursprünglich geplant (zentralplus berichtete).
Heisst aber auch: Es stehen bald bis zu 50 Personen auf der Strasse. Wir zeigen dir, welche Rechte und Pflichten nun für sie, aber auch für den Arbeitgeber gelten.
Zunächst gilt es zu definieren. Von einer Massenentlassung ist laut Gesetz die Rede:
- ab 10 gekündigten Personen in Betrieben mit mehr als 20 und weniger als 100 Beschäftigten
- ab 10 Prozent der Beschäftigten in Unternehmen, die mindestens 100 und weniger als 300 Personen beschäftigen
- ab 30 gekündigten Personen in Betrieben mit 300 und mehr Beschäftigten
Vor vollendete Tatsachen stellen darf der Arbeitgeber die Angestellten nicht. Er muss sie zunächst über die geplanten Massnahmen informieren. Danach muss er ihnen die Gelegenheit geben, Fragen zu stellen und Vorschläge zu machen, wie der einschneidende Schritt allenfalls abgewendet werden könnte. Das ist das Konsultationsverfahren.
Angestellte haben Recht auf Sozialplan
Kommt es zu einer Massenentlassung, ist der Betrieb gesetzlich verpflichtet, dies dem Kanton zu melden. Seit 2014 muss er gemäss Obligationenrecht (OR) zudem einen Sozialplan ausarbeiten. Das OR definiert diesen so: «Vereinbarung, in welcher der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer die Massnahmen festlegen, mit denen Kündigungen vermieden, deren Zahl beschränkt sowie deren Folgen gemildert werden. Er darf den Fortbestand des Betriebs nicht gefährden.» Den Inhalt des Sozialplans schreibt das Gesetz nicht vor. Nur, dass der Arbeitgeber diesen nach «Treu und Glauben» aushandeln muss.
Beinhalten kann ein Sozialplan Entschädigungen, Verkürzung der Kündigungsfrist, Zahlungen für Umschulungen, Lohnersatzleistungen oder Verlängerung der Deckung durch die Unfallversicherung. Mit dem Sozialplan sollen die Auswirkungen auf die Mitarbeitenden abgeschwächt werden, so dass diese für einige Zeit zurechtkommen.
Arbeitgeber hat Fürsorgepflicht gegenüber älteren Mitarbeitern
Der Arbeitgeber hat dabei gerade gegenüber älteren Angestellten eine erhöhte Fürsorgepflicht. Das hat das Bundesgericht wiederholt entschieden. Ab wann ein Mitarbeiter als «älter» gilt, ist gesetzlich nicht festgehalten. Da diese eventuell schwieriger eine neue Arbeit finden als jüngere Kolleginnen und Kollegen. Der Arbeitgeber muss deshalb besonders darauf achten, sie rechtzeitig über die Entlassung zu informieren, oder dass sie allenfalls doch im Unternehmen bleiben können.
Für die Kündigung gilt eine Frist. Diese beträgt in der Regel zwei oder drei Monate – ausser es wurde eine fristlose Kündigung aufgrund schwerwiegender Missstände ausgesprochen. Diese Frist kann aber unterbrochen werden. Dies, wenn die Arbeitnehmerin krank wird oder einen Unfall hat. Die Frist läuft weiter, sobald man wieder arbeiten kann. Das gilt aber nur für Kündigungen, die durch den Arbeitgeber ausgesprochen werden.
Werden die Angestellten freigestellt, haben sie bis zum Ende der Kündigungsfrist Anspruch auf den Lohn.
Das gilt für eine Anfechtung einer Kündigung
Ist eine Kündigung erfolgt, ist es in der Regel schwierig, diese anzufechten. Möglich ist das nur, wenn sie missbräuchlich erfolgt ist. Als Missbrauch definiert das OR zum Beispiel, wenn einer Arbeitnehmerin gekündigt wird, weil sie sich in einem Arbeitnehmerverband engagiert, wegen persönlichen Eigenschaften, die die Arbeit nicht tangieren, oder wenn einem Arbeitnehmer gekündigt wird, weil er ins Militär geht. Auch eine Kündigung bei einer Massenentlassung kann missbräuchlich sein, wenn die Arbeitnehmervertretung oder – falls es keine solche gibt – die Arbeitnehmer nicht konsultiert worden sind. Im Falle von Swiss Steel wurden diese angehört. Von einem Missbrauch kann also nicht gesprochen werden.
Eine Einsprache gegen eine Entlassung muss bis Ende der Kündigungsfrist beim Arbeitgeber schriftlich eingehen. Ist sie gültig und kommt es zu keiner Einigung über eine weitere Beschäftigung, so kann eine Entschädigung eingeklagt werden. Dies darf laut OR aber nicht mehr als den Lohn des Arbeitnehmers für zwei Monate betragen. Die Klage muss dabei innert 180 Tagen seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingereicht werden.
Was tun bei Arbeitslosigkeit?
Ist die Kündigung gültig, geht es an die Jobsuche. Und wenn das nicht gelingt, der Gang zum Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) – denn dieses regelt auch die Arbeitslosenentschädigung. Wer arbeitslos wird, muss sich dort so rasch wie möglich melden. Idealerweise macht man das bereits während der Kündigungsfrist, spätestens jedoch am ersten Tag der Arbeitslosigkeit. In Luzern ist das die Stelle Wirtschaft Arbeit Soziales (WAS).
Um Arbeitslosenentschädigung zu beziehen, müssen jedoch einige Bedingungen erfüllt sein. Man muss mindestens 12 Monate innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Anmeldung beim RAV als angestellte Person gearbeitet haben. Man muss vermittlungsfähig und bereit sein, eine zumutbare Arbeit anzunehmen. Oder aber man muss Bemühungen vorweisen, dass man eine neue Stelle sucht.
Die Entschädigung beträgt dabei 70 Prozent des letzten Lohns. Es kann aber Wartetage geben. Etwa, wenn man selbst gekündigt hat oder die Kündigung selbstverschuldet ist. Eine Rolle spielt aber auch, ob man Unterhalt bezahlt und wie hoch das Einkommen vor der Arbeitslosigkeit war.
Schliesslich folgen die letzten Wochen im Unternehmen. Gerade wenn die Jobsuche beginnt, empfiehlt es sich, ein Arbeitszeugnis einzuholen. Das muss der Arbeitgeber auf Anfrage ausstellen. Er muss dabei die Arbeit wahrheitsgetreu und wohlwollend beschreiben. Wer einen Fehler, Ungenauigkeiten oder Unwahrheiten feststellt, kann ein neues Zeugnis verlangen.