Revolution aus Luzern

Jetzt gibt’s Tinder für die Jobsuche

Die Jobsuche soll wieder Spass machen, sagt das Team von Jobeagle. Von links nach rechts: Patrick Huster, Marco Pfefferli, Delia Herger und Patric Steiner. (Bild: zvg)

Ein Luzerner Start-up will die Jobsuche revolutionieren: Per Swipe auf einer App bewirbt man sich auf eine neue Stelle. Bei Jobeagle spielen Geschlecht, Alter und Nationalität keine Rolle. Dafür etwas anderes.

Die Jobsuche erleben die meisten als unsexy und spasslos. Stundenlang gaffen wir in den Bildschirm, klicken uns durch mehr oder weniger langweilige Stelleninserate, die seit eh und je gleich aussehen. Und wären wir beim Bewerbungsschreiben ehrlich, so würden wir die 33 Zeilen ziemlich kürzen. In etwa: «Ihr seid super, ich bin super. Stellt mich ein.»

Den Jobmarkt zu revolutionieren, das hat sich das Luzerner Start-up Jobeagle auf die Fahne geschrieben. Jobeagle ist ein digitaler Job- und Headhunter. Hinter dem Start-up stehen Delia Herger, Patric Steiner, Marco Pfefferli und Patrick Huster. Sie haben eine Art Dating-Plattform für die Jobsuche entwickelt. Im Rahmen einer Projektarbeit während ihres Masterstudiums an der Hochschule Luzern am Departement Wirtschaft legten sie den Grundstein für ihr Start-up.

Jobsuche? Kann auch Spass machen

«Es soll wieder mehr Spass machen, einen Job zu suchen», sagt Delia Herger. Die 26-Jährige erklärt bei einem Telefonat, dass das ganze Team Erfahrungen im Rekrutierungsprozess von Unternehmen gesammelt hat. Und logischerweise kennen sie auch die andere Seite des Bewerbens. «Die Prozesse sind komplett veraltet. Gerade für jüngere Generationen ist das gängige Verfahren eher unattraktiv, da die digitalen Möglichkeiten zu wenig gut ausgeschöpft werden.»

«Und das, obwohl sich der Arbeitsmarkt in den letzten Jahren massiv verändert», ergänzt der 33-jährige Marco Pfefferli. «Der Arbeitgeber- wandelt sich zu einem Arbeitnehmermarkt.» Dies, weil die Generation der Babyboomer – Menschen, die zwischen 1945 und 1964 geboren wurden – in Pension gehen. Gab es früher mehr Jobsuchende als eigentliche Jobs, wird heute für viele Branchen der Fachkräftemangel zum Problem. Und das wiederum heisst: Bewerbungsprozesse konnten früher mühsam und unattraktiv sein, man nahm es in Kauf. Sind wir in einer Zeit, in der die Fachkräfte rar sind, so haben junge Talente aus der Generation Y und Z einfach gesagt keinen Bock auf aufwändige Prozesse.

Die Suche nach dem Job funktioniert ähnlich wie eine Dating-App

Jobeagle funktioniert auf den ersten Blick ähnlich wie gängige Dating-Plattformen wie beispielsweise Tinder und Bumble. Auf diese Analogie mit der Partnersuche sei man schnell gekommen, sagt Marco Pfefferli. «Schliesslich ist es auch ein ähnliches Prinzip – der eine Part sucht einen Job, der andere Part einen neuen Mitarbeitenden.»

Wer sich beruflich etwas Neues sucht, erstellt auf Jobeagle ein Profil. In diesem gibt man seine Fähigkeiten und bisherigen Berufserfahrungen an und füllt einen Persönlichkeitstest aus. Arbeitgeber erstellen Jobprofile, die den passenden Arbeitnehmerinnen vorgeschlagen werden. Wischt man nach rechts, wird dem Arbeitgeber das Kandidatenprofil auf der Desktopversion der App vorgeschlagen. Ist dieser ebenfalls interessiert, entsteht ein Match. Die beiden können sich nun kennenlernen und miteinander chatten – auch per Video-Funktion.

«Wir sind quasi der Match-Maker.»

Marco Pfefferli, Jobeagle

«Wir sind quasi der Match-Maker», sagt Marco Pfefferli. Die App stellt einen einfachen, ersten Kontakt her. «Menschen können unverbindlich Jobs sichten. Mit einem Swipe – also einem Wischen mit dem Finger auf dem Display – bekunden sie ihr Interesse an einem Job. Die Hürden für eine Bewerbung sind somit viel tiefer», ergänzt Delia Herger. Es ist also nicht mehr nötig, stundenlang am Bewerbungsschreiben zu feilen. Wie die Unternehmen nach dem Match den Bewerbungsprozess weiterführen, ist ihnen überlassen.

Wer das Swipen von den Plattformen her kennt, der weiss: Bis zu einem Traummatch hat man sich nicht selten in andere Sphären geswiped. Ist diese Swipe-Methode für die Jobsuche überhaupt effizient? Ja, sind die Macher überzeugt. Denn während auf Dating-Plattformen relativ ungefiltert potenzielle Kandidaten angezeigt werden – oft kann man nur Geschlecht, Alter und die Entfernung eingrenzen – werden die vorgeschlagenen Jobs gefiltert. Jobsuchende kriegen nur diejenigen Ausschreibungen auf ihr Display, die auf ihr Profil und ihre Persönlichkeit zugeschnitten sind. Und die Unternehmen können auf einen Pool interessierter Leute zurückgreifen.

Alter, Geschlecht und Name spielen beim Bewerben keine Rolle

Die neue App, mit der das Start-up Mitte dieses Jahres auf den Markt gehen will, soll jedoch nicht nur mehr Spass bei der Jobsuche garantieren. Sondern auch Diskriminierung bekämpfen.

«Persönliche Eigenschaften werden für Unternehmen immer wichtiger.»

Delia Herger, Jobeagle

Dass echte Chancengleichheit beim Bewerbungsverfahren nicht gegeben ist, untermauern mehrere Studien. Viel zu oft spielt es eine Rolle, wie alt man ist oder ob man einen Namen hat, der ausländisch klingt. So zeigt beispielsweise eine Studie der Universität Neuenburg, dass Secondas, deren Nachnamen auf ausländische Wurzeln schliessen lassen könnten, bis zu einem Drittel mehr Bewerbungen schreiben müssen, bis sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Deswegen wurde in Luzern auch schon die politische Forderung laut, der Bewerbungsprozess solle anonymisiert werden (zentralplus berichtete).

Auch hier setzt Jobeagle an. Sichten Arbeitgeberinnen die Profile, die an einem Job von ihnen interessiert sind, so sehen sie weder Bild noch Namen und Alter der Kandidaten. So soll die erste Auswahl im Rekrutierungsprozess geschlechter- und nationalitätsneutral werden, erklärt Marco Pfefferli. Das Alter lässt sich allenfalls erahnen – abhängig davon, wie viele Berufserfahrungen eine Kandidatin auf ihrem Profil angegeben hat.

Der Fokus liegt auf der Persönlichkeit

Stattdessen setzt das Start-up stärker auf Persönlichkeit. «Lebenslauf und Zertifikate sind zwar oft noch notwendig», sagt Delia Herger. Aber nicht nur Hard Skills – also Fachkompetenzen – spielen eine zentrale Rolle, sondern eben auch persönliche Eigenschaften, sogenannte Soft Skills. «Diese werden für Unternehmen immer wichtiger, das hat sich auch bei unseren Befragungen gezeigt», sagt Herger. «Allerdings gehen diese bei den momentan gängigen Bewerbungsprozessen unter oder werden erst später im Rekrutierungsprozess thematisiert.»

Schliesslich entscheidet ja der Charakter, ob der eigentliche Match Zukunft hat. Sei es bei der Partner- oder eben auch bei der Jobwahl.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Delia Herger und Marco Pfefferli von Jobeagle
  • Blog der HSLU zum Start-up Jobeagle
  • Website von Jobeagle
  • Studie Universität Neuenburg zur Diskriminierung von Schweizerinnen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt
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