Gemeinnützige Arbeit als Vollzugsmassnahme

Arbeit statt Knast

Eine Busse kann man entweder bezahlen, im Gefängnis absitzen oder gemeinnützig abarbeiten.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Wer eine Geldstrafe oder eine Busse nicht bezahlen kann – oder will, hat die Möglichkeit, die Strafe im Gefängnis abzusitzen. Im Kanton Luzern taten dies letztes Jahr über 400 Personen. Mit der gemeinnützigen Arbeit gibt es eine Alternative, bei der sich Strafen in sozialen Institutionen abarbeiten lassen und gleichzeitig etwas Gutes für die Gesellschaft getan werden kann. Doch die Einschränkungen, wer dazu überhaupt taugt, sind gross.

Eine Busse bezahlen tut weh. Manchmal sogar so sehr, dass man sich lieber für ein paar Tage in eine Gefängniszelle einsperren lässt, anstatt das Portemonnaie zu zücken. Ersatzfreiheitsstrafe nennt man das. Klar, es gibt auch jene, die es sich schlicht nicht leisten können, eine Busse zu bezahlen und keine andere Wahl als den Gang ins Gefängnis haben. Keine Wahl? Das ist so nicht ganz richtig. Denn wer wegen einer geringfügigen Straftat – wie beispielsweise zu schnellem Autofahren oder Schwarzfahren im Bus – die Busse nicht bezahlen kann oder will, hat die Möglichkeit die Strafe gemeinnützig in sozialen Institutionen abzuarbeiten. Vier Arbeitsstunden entsprechen dabei einem Tag Haft.

Abwaschen, Gartenarbeit, Zimmerreinigung

In Anbetracht der vollen Gefängnisse sollte man meinen, dass gemeinnützige Arbeit eine sinnvolle Alternative zur Freiheitsstrafe ist. Ist sie auch – sofern man denn dafür geeignet ist. «An sich ist der Sinn der gemeinnützigen Arbeit unbestritten», sagt Stefan Weiss, Leiter der Vollzugs- und Bewährungsdienste des Kantons Luzern. «Es darf jedoch nicht ausser Acht gelassen werden, dass sich rund um diese Vollzugsart diverse Probleme ergeben.»

«Die gemeinnützigen Arbeiter bedeuten für unseren Betrieb eine Entlastung»
Nicole Schenker, Ferien- und Erholungszentrum Seematt 

Viele Personen, die nicht in der Lage sind eine Geldstrafe oder eine Busse zu bezahlen, seien oftmals auch nicht in der Lage, einen zuverlässigen Arbeitseinsatz zu leisten, sprich: pünktlich und nüchtern zur Arbeit zu erscheinen und eigenverantwortlich einer Tätigkeit nachzugehen, so Weiss. Zudem sei die Organisation eines Einsatzes, die Überwachung sowie die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Vorschriften administrativ sehr aufwendig. «Schlussendlich muss die Rechnung vor allem für die gemeinnützigen Institutionen aufgehen.»

Eine Institution, die Plätze für gemeinnützige Arbeit anbietet, ist das Ferien- und Erholungszentrum Seematt in Eich am Sempachersee. Für das Seematt geht die Rechnung jedenfalls auf, wie Nicole Schenker, Personalverantwortliche des Zentrums, sagt. «Als soziale Institution sind wir betriebswirtschaftlich nicht auf Rosen gebettet. Trotzdem gibt es sehr viele Arbeiten zu erledigen, die auch Personen ohne Qualifikation übernehmen können. Die gemeinnützigen Arbeiter bedeuten für unseren Betrieb daher vor allem eine Entlastung.»

Jährlich würden etwa fünf Personen im Seematt gemeinnützige Arbeit leisten. Dabei hätten sie relativ einfache Aufgaben zu erfüllen: Abwaschen in der Küche, Gartenarbeiten oder Zimmerreinigungen. «Es kommt immer darauf an, für welche Aufgabe sich eine Person eignet. Aber zu tun gibt es bei uns immer etwas», sagt Nicole Schenker. Da die Arbeiten einfach zu verstehen und zu erledigen sind, brauche es kaum Einarbeitungszeit.

Festanstellung aufgrund gemeinnütziger Arbeit

Grösstenteils mache das Seematt positive Erfahrungen mit den «Gastarbeitern», die durchschnittlich zwischen 100 und 300 Arbeitsstunden im Seematt unentgeltlich arbeiten. «Die meisten erfüllen ihre Aufgaben verantwortungsvoll und zu unserer Zufriedenheit.» Manchmal komme es jedoch vor, dass sie einen gemeinnützigen Arbeitseinsatz abbrechen müssten – vor allem dann, wenn eine Person öfters zu spät, gar nicht komme oder die Arbeiten nicht pflichtbewusst erledige. «Wir planen diese Arbeiter fest in den Betriebsalltag ein und sind darauf angewiesen, dass die Arbeit auch ordentlich erledigt wird. Wenn wir wiederholt feststellen, dass ein gemeinnütziger Arbeiter die ihm zugeteilten Aufgaben nicht wirklich ernst nimmt, kündigen wir das Verhältnis», so Schenker. Dass eine Person von sich aus abbricht, sei sehr selten.

«Wir haben immer wieder sehr gute Leute, die wir nach den vereinbarten Arbeitsstunden aber leider wieder gehen lassen müssen»
Nicole Schenker, Ferien- und Erholungszentrum Seematt 

Einen Nachteil der gemeinnützigen Arbeit sieht Schenker keinen – ausser: «Wir haben immer wieder sehr gute Leute, die wir nach den vereinbarten Arbeitsstunden aber leider wieder gehen lassen müssen.» Immerhin habe eine Person nach vollbrachter gemeinnütziger Arbeit eine Festanstellung im Ferien- und Erholungszentrum erhalten.

Längst nicht jeder ist für gemeinnützige Arbeit geeignet

Vermittelt werden die gemeinnützigen Arbeiter durch den Vollzugs- und Bewährungsdienst (VBD). Jedoch käme längst nicht jede Person für diese Vollzugsmassnahme infrage, wie VBD-Leiter Stefan Weiss sagt. «Stark drogen- oder alkoholabhängige, unzuverlässige oder unmotivierte Personen eignen sich nicht für die gemeinnützige Arbeit.»

Zudem hätten auch Menschen, die Schwierigkeiten haben sich unterzuordnen oder über keine Deutschkenntnisse verfügen, kaum eine Chance an eine soziale Institution vermittelt zu werden. Ein weiterer Faktor betrifft auch die Zeit oder die Lebensumstände: «Personen, die keine Zeit haben – es sind mindestens acht Stunden pro Woche zu leisten – oder nicht erreichbar sind, weil sie beispielsweise auf der Strasse leben, eignen sich ebenfalls nicht für gemeinnützige Arbeit», so Weiss.

«Der Arbeitseinsatz ermöglicht den Austausch von Lebenswelten sowie Einblicke in verschiedene Berufe, eine stabile Familienstruktur und einen geregelten Arbeitsalltag»
Stephanie Meli, Caritas-Bergeinsatz

Zwei Arten gemeinnütziger Arbeit

Bei der gemeinnützigen Arbeit (GA) wird zwischen direkt angeordneten GA-Strafen (Art. 37 StGB, als Alternative zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe) und GA anstelle einer Busse (Art. 107 StGB) unterschieden. Nur im letzteren Fall spricht man davon, dass eine Busse «abgearbeitet» wird.

Die Höchstzahl der möglichen GA-Arbeitsstunden beträgt 720 Stunden – was 180 Tagen Freiheitsstrafe entspricht.

2013 haben im Kanton Luzern 116 Personen gemeinnützige Arbeit als Strafvollzugsmassnahme geleistet, wobei 40 die Arbeit nicht beendeten und vorzeitig abbrachen. Insgesamt leisteten die betroffenen Personen 7’108 Arbeitsstunden – was 1’777 Tagen Haft entsprechen würde. Zum Vergleich: 405 Personen haben 2013 im Kanton Luzern ihre Geldstrafe oder Busse in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt und sind ins Gefängnis gegangen anstatt zu bezahlen.

Jugendliche Straftäter beim Bergbauern

Für jugendliche Straftäter bietet die Sektion «Bergeinsatz» der Caritas Schweiz spezielle Programme zur gemeinnützigen Arbeit an. Bei diesen sogenannten «persönlichen Leistungen» vermittelt die Caritas im Auftrag der Jugendanwaltschaft Jugendliche an Bergbauernfamilien, wie Stephanie Meli, Marketingverantwortliche bei Caritas-Bergeinsatz, auf Anfrage mitteilt. «Der Arbeitseinsatz ermöglicht den Austausch von Lebenswelten sowie Einblicke in verschiedene Berufe, eine stabile Familienstruktur und einen geregelten Arbeitsalltag», so Meli. Die straffälligen Jugendlichen würden die Massnahme dadurch auch nicht als Strafe, sondern als Arbeitsleistung verstehen – was wiederum die Selbstständigkeit und das Vertrauen der Jugendlichen fördern würde.

Schliesslich handele es sich dabei in erster Linie um eine pädagogische Massnahme, mit dem Sinn der Wiedergutmachung an der Gesellschaft für begangenes Unrecht. «Die meisten persönlichen Leistungen dauern zwischen fünf und zwölf Tagen und finden in der Regel während den Ferien statt», sagt Meli.

Die Aufgaben, die die Jugendlichen während eines solchen Einsatzes zu leisten haben, seien sehr unterschiedlich und abhängig von der Jahreszeit, dem Betrieb, der Witterung sowie den Fähigkeiten der Jugendlichen. «Konkret sind das: Stallarbeiten wie Mitarbeit beim Melken, Misten, Füttern und Putzen der Tiere, aber auch Feld-, Räumungs- und leichte Bauarbeiten», so Stephanie Meli. Die Jugendlichen werden in den Arbeiten angeleitet, begleitet und kontrolliert. Grundsätzlich dürften die Jugendlichen jedoch keine Maschinen und Fahrzeuge bedienen.

Gemeinnützige Arbeit im Kanton Zug

Im Kanton Zug können Bussen bei einer Organisation der Gemeinnützigen Gesellschaft Zug (GGZ) abgearbeitet werden. So bietet beispielsweise der Betrieb «GGZ@Work – Recycling» zwischen fünf und 15 Personen im Jahr eine befristete Stelle zur gemeinnützigen Arbeit. «Wir erleben die Personen meist als Bereicherung für unseren Betrieb und meistens wollen sie auch gute Arbeit leisten», sagt GGZ@Work-Geschäftsführer Carl Utiger. Umgekehrt sei die Arbeit auch für die Betroffenen nur von Vorteil, da sie Leistungen in einem ungewohnten Umfeld erbringen würden, anstatt die Strafe im Gefängnis abzusitzen. Ein Arbeitseinsatz umfasst in der Regel zwischen vier und 40 Stunden.

«Bei gemeinnütziger Arbeit ist die Zustimmung des Täters von Gesetzes wegen immer Bedingung»
Toni Amrein, VBD Zug

Der einzige Nachteil der gemeinnützigen Arbeit sei, so Utiger, dass sich die Betroffenen im Betrieb und gegenüber Kunden allenfalls als Straftäter «outen» müssen. «Arbeitet man seine Strafe in einem Betrieb ab, so ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass man erkannt und gefragt wird, weshalb man denn nun dort arbeite, obwohl man ja eigentlich eine andere Arbeitsstelle hat», sagt Utiger.

Schliesslich könnte dies auch ein Grund sein, weshalb Menschen lieber ins Gefängnis gehen, anstatt sich gemeinnützig zu engagieren und vielleicht riskieren, als Straftäter erkannt zu werden. «Bei gemeinnütziger Arbeit ist die Zustimmung des Täters von Gesetzes wegen immer Bedingung», sagt Toni Amrein, Leiter der Vollzugs- und Bewährungsdienste des Kantons Zug.

2013 haben im Kanton Zug 35 Personen ihre Busse gemeinnützig in insgesamt rund 1’600 Arbeitsstunden abgearbeitet. Hätten sie die Strafe im Gefängnis abgesessen, wären sie total 400 Tage in Haft gewesen.

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