Gottesdienste im Test: Hofkirche Luzern

«Apokalypse now!» mit Donald Trump

Die Luzerner Hofkirche: Hier fand die getestete Predigt statt.  (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Der Theologe und Journalist Remo Wiegand besucht und bewertet für zentralplus Gottesdienste in der Region. Erste Station: Hofkirche, Luzern. Die Aktualität, der Bibeltext, die gewaltige Orgel- und Blasmusik – alles schreit dort nach Donald Trump. Bekommt er seinen Auftritt?

Die Woche hindurch konnte man Trumps Triumph sportlich-gelassen nehmen, den Kopf angewidert in den Sand stecken oder sich demonstrativ Gescheiterem zuwenden. Spätestens am Sonntag in der Kirche, wenn sich der Alltagsnebel lichtet, ist das Schreckgespenst wieder voll da. Die Schlagzeilen der Woche kriechen aus dem Unterbewusstsein hervor («Oh my God!», «Das Ende der Welt …», «Müssen wir Angst haben?»). Wie wünsch ich mir ein feines Machtwort von der Kanzel, die das Ganze einordnen, relativieren, sacken lassen. Drängende Frage an den heutigen Gottesdienst drum: Kommt Trump vor oder nicht?

Engelstrompeten gegen Hasstiraden

Der Gottesdienst
  • Ort: Luzern, Hofkirche
  • Zeit: Sonntag, 13. November 2016, 11.00 Uhr
  • Länge: 62 Minuten
  • Vorsteher: Priester und Chorherr Franz Josef Egli (Messfeier), Pastoralassistent Thomas Lang (Predigt), 4 Ministranten (3 Mädchen)
  • Volk: ca. 280 Personen
  • Thema: «Apokalypse now!»
Zumindest die passende Musik ist da. Mein Gott, legt die los! Wolfgang Siebers Edel-Orgel und das Trompetenensemble der Hochschule Luzern (Leitung: Markus Würsch) beschallen das Volk von der Empore, als ob es kein Morgen gäbe. Es klingt wie in einem Western mit Ennio Morricone («Spiel mir das Lied vom Tod»): Festlich, laut, pompös – könnte gut auch die Inthronisierung eines demokratisch gewählten Despoten begleiten. Egal, es ist ja göttliches Triumphgetöse heute, das ist gut, genau das braucht es jetzt! Es tröstet auf brachiale Art. Gegen diese Engelstrompeten verkommen Trumps zähnefletschende Hasstiraden zum armseligen Wimmern eines Struwwelpeters, hinweggeblasen von Musik, die ebenso machtvoll ist wie schön.

Chorherr Franz Josef Egli liest aus der Bibel: «Ein Volk wird sich gegen das andere erheben und ein Reich gegen das andere. Es wird gewaltige Erdbeben (…) geben, schreckliche Dinge werden geschehen …» Verrückt! Ein paar Tage nach dem politischen Erdbeben in Amerika und praktisch zeitgleich, als Neuseeland ein Beben der Stärke 7,9 ereilt: Eine apokalyptische Vision Jesu aus dem Lukas-Evangelium. Der Priester lebt den Text: Wenn ihr verfolgt werdet, wehrt euch nicht, mahnt Egli, «ich werde euch die Worte und die Weisheit (crescendo) EINGEBEN!» Und: «Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen!»

Festlich, laut und pompös ging's in der Hofkirche zu und her.

Festlich, laut und pompös ging’s in der Hofkirche zu und her.

(Bild: rew)

Das T-Wort. Einfach, damit es gesagt ist.

Egli übergibt für die Predigt an Pastoralassistent Thomas Lang. Angenehme Stimme, beruhigend, klar. Das Feld ist bereitet, Lang ist von Musik und Lesung und seiner Seelenruhe getragen, er müsste gar nicht mehr viel, nur das Entscheidende sagen, um die Leute abzuholen und ihnen ein wenig Trost zu spenden. Ein wenig «Ich weiss auch nicht, kenne die Angst ja auch, aber ich glaube, dass …» Und gerne: Das T-Wort. Einfach, damit es gesagt ist, und der Mann im besten Fall in der Kirche eingesperrt bleibt.

Die angenehme Stimme von Pastoralassistent Thomas Lang wirkte beruhigend.

Die angenehme Stimme von Pastoralassistent Thomas Lang wirkte beruhigend.

(Bild: rew)

Doch Lang lächelt die Not weg. Jaja, wir kennen das alle, wenn’s draussen ein wenig hektisch wird. Der Krieg in Syrien und das Erdbeben in Italien grüssen von Weitem, aber der Schauplatz der Predigt bleibt das kuschelige Wohnzimmer. Die Apokalypse wird privatisiert. Habt Vertrauen, bleibt gelassen, seid nett zueinander! Es klingt wie: Bleibt auf dem Sofa sitzen, aber schaltet einen anderen Fernsehkanal ein, dann bleibt alles, wie es immer war! Langs Predigt ist mir zu beliebig und zu harmlos (selbst wenn Trump nicht gewesen wäre).

Schade. Die Apokalypse hatte heute ihren grossen Auftritt. Der Kirchenraum, die Musik, die Mitleidenden und Mitfeiernden haben sie aufgefangen. Ohne Worte.

Kurzbewertung:

Kirchenraum (Ambiente): 
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Ausstrahlung (Priester, Prediger):
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Feierlichkeit (würdevolle Gestaltung der Feier):
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Predigt (Aktualitätsbezug, Volksnähe, klare, einfache Botschaft):
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Musik (Orgel und Bläserensemble): 
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Integrationsfaktor (Einladende Blicke? Persönliche Verabschiedung? Kirchenkaffee?):
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Gesamterlebnis:
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Die Predigt war zu beliebig und zu harmlos.

Die Predigt war zu beliebig und zu harmlos.

(Bild: rew)

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