Hagendorn: Widerstand gegen Ausbau der Fensterfabrik

Anwohner fürchten sich vor unerwünschter «Stadtmauer»

Wo heute eine grosse Wiese liegt, soll bald eifrig gebaut werden. (Bild: wia)

Die bereits ansehnliche Fensterfabrik in Hagendorn soll massgeblich erweitert werden. Die Pläne, für die es Ende November ein Ja an der Urne braucht, rufen jedoch Widerstand hervor: Die Gegner sorgen sich nicht nur um ihre Ruhe, sondern auch um die Sicherheit ihrer Kinder.

Ein paar Mehrfamilienhäuser, ein Spielplatz, dahinter ein Waldstreifen, 30er-Zone. Gerade rumpelt ein grosser, mit Fensterrahmen beladener Lastwagen samt Anhänger über die Flurstrasse. Er steht stellvertretend für das Anliegen, weswegen wir hier sind: Zwei Anwohnerinnen sowie ein Mitglied des Vereins Mehr Wert Cham wollen uns vor Ort zeigen, wo der Schuh drückt.

Denn sollte die Abstimmung Ende November ein Ja hervorbringen, droht hier unter anderem massiver Mehrverkehr, so fürchten sie. An der Flurstrasse nämlich steht die Fensterfabrik Baumgartner. Und diese soll ausgebaut werden. In vier Wochen stimmen die Chamer über eine Änderung des Bebauungsplans sowie über die Teiländerung des Zonenplans ab.

David gegen Goliath

«Es ist eine klassische David-gegen-Goliath-Situation», sagt Anwohnerin Catherine Ast. Die Firma Baumgartner verfüge über ein derart grosses Budget, dass sie ihr Projekt verherrlichend darstellen könne. Tatsächlich stehen rund ums Betriebsgelände grosse Plakate mit professionellen Visualisierungen, die durchaus Gattung machen. Das Projekt selbst wirkt durchdacht. Wie gut aufgestellt die Firma ist, beweist sie auch an diesem Dienstagnachmittag, doch dazu später mehr.

Das Hauptgebäude der Fensterfabrik Baumgartner in Hagendorn. Hier sollen Neubauten entstehen. (Bild: wia)

Bereits vor sechs Jahren reichte die Firma einen Vorschlag ein. Da jedoch das 2014 geplante Projekt von der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) als «schwere Beeinträchtigung» in die Landschaft taxiert wurde, schuf die Firma Baumgartner eine neue, verdichtete Variante. Bei dieser soll tiefer in den Boden gebaut werden. Ausserdem soll eine mehrstöckige Produktion ermöglicht werden.

Grashüpfer auf dem Dach

Eine Vielzahl von ökologischen Massnahmen muss die Firma Baumgartner umsetzen, um den Grundsätzen der ENHK zu entsprechen. So etwa will die Firma ein begrüntes Dach schaffen, auf dem insbesondere Grashüpfer und Wildbienen eine Bleibe finden. Auch soll der Allmendbach revitalisiert werden.

So soll die Fensterfabrik dereinst aussehen. (Bild: zvg)

Unterstützung findet das Projekt bei CVP, FDP, GLP sowie SVP und dem Gewerbeverein Cham. Sie alle freuen sich, dass es durch den Firmenstandort rund 300 Arbeitsplätze in Cham gibt – sie finden, es handle sich gar um ein Innovationsprojekt. Gegen das Projekt wehren sich SP, Alternative – die Grünen und eben der Verein Mehr Wert Cham.

«Die Dimensionen sind extrem.»

Iris Züblin, Anwohnerin zum geplanten Bau

Mit Mitgliedern des daraus resultierenden Gegenkomitees schlendern wir nun der Flurstrasse entlang und schauen uns die Bauprofile an, die fast direkt an die Strasse grenzen und einen deutlich höheren Bau andeuten, als es bisher der Fall ist. «Willkommen bei der Stadtmauer von Hagendorn», sagt Hermann Kiener von «Mehr Wert Cham» lakonisch.

«Die Dimensionen sind extrem», ergänzt Iris Züblin, eine der Anwohnerinnen, die sich massiv ob dem Projekt stört. «Klar ist es toll, dass der Bau sehr grün daherkommen wird, doch handelt es sich nach wie vor um einen Industriebau, der Emissionen ausstösst.»

Dauert der Bau nun zehn oder nur fünf Jahre?

Darüber hinaus bereitet die Bauphase den Anwohnern Bauchschmerzen. «Zuerst hiess es, dass der Bau zehn Jahre dauern wird. Dann hiess es, es gehe auch in fünf Jahren. Wir rechnen mit einer Dauer von acht Jahren», so Züblin.

Gemäss Geschäftsleitung plant man tatsächlich, die Bauarbeiten bis 2026 fertigzustellen. «Anfangs wollten wir die Bauten etappiert angehen, deshalb die angegebene Zeit von zehn Jahren», erklärt Verwaltungsratspräsident Stefan Baumgartner. «Nun werden wir verschiedene Bauten parallel erstellen. Das bedeutet für uns zwar, dass wir den Betrieb zeitweise herunterfahren müssen, doch sind wir damit deutlich schneller.»

Deutlich höher sollen die geplanten Neubauten werden. (Bild: wia)

Zwei Spielplätze in unmittelbarer Nähe

Weiter geht es der Flurstrasse entlang bis zur Frauentalstrasse und von dort in Richtung Frauental. Links liegt eine grosse Wiese. Dort soll in den nächsten Jahren ein ansehnlicher Produktionsbau entstehen. Und hier sehen die Anwohner den grössten Kritikpunkt. «Über zehn Meter in die Tiefe will man bauen. Was passiert jedoch mit dem Aushubmaterial? Das muss ja wegtransportiert werden.» Catherine Ast fürchtet, dass die Quartierstrasse, auf der auch viele Kinder unterwegs sind, in den kommenden Jahren stark vom Lastwagenverkehr betroffen sein wird.

Tatsächlich stehen unweit der Wohnsiedlung zwei Spielplätze, einer an der Flur-, ein weiterer an der Frauentalstrasse. Will man dorthin, muss man mindestens eine Strasse überqueren. «Noch gibt es kein zufriedenstellendes Verkehrskonzept für die Bauzeit», kritisiert Züblin.

«Es ist klar, dass es während der Bauzeit zu mehr Verkehr kommt. Wichtig ist jedoch, dass er verträglich ist.»

Stefan Baumgartner, Verwaltungsratspräsident Baumgartner Fenster

Stefan Baumgartner erklärt diesbezüglich: «Es ist klar, dass es während der Bauzeit zu mehr Verkehr kommt. Wichtig ist jedoch, dass er verträglich ist.» Man habe von der Gemeinde Hünenberg bereits die mündliche Bestätigung, dass man einen Teil des Verkehrs über das Frauental führen und dadurch ein Einbahnsystem umsetzen könne. Damit verringert sich die Verkehrsbelastung für die Anwohner um 50 Prozent, da ja die Lastwagen nicht auf demselben Weg an- wie wegfahren.

Für ein konkretes Verkehrskonzept sei es jedoch zu früh, betont der verantwortliche Verkehrsplaner Adrian Arquisch während der Medienkonferenz, die direkt nach dem vom Nein-Komitee organisierten Rundgang stattfindet.

Eine etwas plötzliche Medienkonferenz

Tatsächlich hat die Firma kurzfristig eine Medienkonferenz einberufen, nachdem das Gegenkomitee seinen Rundgang angekündigt hatte. Ein Zeichen, dass man doch etwas beunruhigt ist über den Widerstand?

Dass hier David gegen Goliath kämpft, wird den Medienschaffenden eindrücklich vor Augen geführt, als sie die Räumlichkeiten der Firma Baumgartner betreten und einem illustren Personenaufgebot entgegenstehen. Architekt, Landschaftsarchitektin, Verwaltungsratspräsident, Verkehrsplaner, alt Gemeindepräsident Bruno Werder und weitere Vertreter des Ja-Komitees sind zugegen. Was folgt, ist eine astreine Power-Point-Präsentation über das Unternehmen Baumgartner und die geplanten Baumassnahmen.

Dass die Beteiligten ob des Widerstands trotz gekonnten Marketingmassnahmen nervös werden, ist nicht verwunderlich. Für das Unternehmen geht es beim Umbau letztlich um nichts Geringeres als dessen Existenz, wie Baumgartner gegenüber den Medien kürzlich erklärte. Tatsächlich hat es die Fenster-Branche schwer. Weshalb nicht wenige Schweizer Firmen ihre Produktion bereits ins Ausland ausgelagert haben.

Der Abstimmung vom 29. November dürften die Unternehmer entsprechend gespannt entgegenblicken.

Viel zu gross, finden die Gegner: Visualisierung des geplanten Projektes der Fensterfirma Baumgartner in Hagendorn. (Bild: zvg)
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Tao Gutekunst - Unternehmer und Hagendorner
    Tao Gutekunst - Unternehmer und Hagendorner, 28.10.2020, 13:45 Uhr

    Ja, es wird bestimmt der ein oder andere Lastwagen über die Flurstrasse rumpeln.
    Dann muss man unbedingt «Nein» zum Projekt Baumgartner sagen und in einigen Jahren, wird es dann möglicherweise ganz, ganz ruhig in Hagendorn, weil dann gar kein LKW mehr fahren wird.

    Oder man sagt 2x «Ja» und sorg dafür, dass die Fensterfabrik auch in der Zukunft im Ort für Arbeitsplatze und Steuersubstrat sorgen wird.

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  • Profilfoto von Roman Ambühl
    Roman Ambühl, 28.10.2020, 13:18 Uhr

    2003 wurde der jetzige Monsterbau der Fensterfabrik mit «das ist der letzte Ausbauschritt» verkauft und grün verpackt. Jetzt, nach gut 15 Jahren reicht’s nicht mehr. Massiv wird in alle Richtungen bis (mindestens) an die Grenzen erweitert. Wieder wird alles mit einem schönen grünen Überzug versehen.
    Im Wachstumssystem, in dem diese Firma funktioniert muss sie erfolgreich sein, d. h. wachsen und in 15-20 Jahren erneut ausbauen wollen/müssen. Dann stiesse sie am aktuellen Ort wohl endgültig an ihre Grenzen. Dann wird sie zweimal hintereinander am selben falschen Ort massiv viel Geld investiert haben.
    Hat sie keinen wirtschaftlichen Erfolg, was passiert dann in 10-15 Jahren mit dem überbauten Land? Mit einer Renaturierung ist aus heutiger Sicht nicht zu rechnen.
    Gibt das dann das Papieri-Areal für Hagendorn? Beides ist m. E. nicht wünschenswert. Darum nicht 2x denselben Fehler machen und jetzt 2x Nein stimmen!

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  • Profilfoto von Nein Sager
    Nein Sager, 28.10.2020, 09:55 Uhr

    Die die ewigen Nein-Sager aus den immergleichen Ecken sind wieder aktiv. Spannend finde ich, dass irgendwelche Hobbyexperten aus der Nachbarschaft sich plötzlich für so wichtig nehmen, um zu urteilen ob ein Projekt für ein Unternehmen viel zu gross ist oder eben nicht. Ich denke nicht, dass ein Unternehmer einfach so mal eine viel zu grosse Halle baut, nur weil es ihm Spass macht.

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  • Profilfoto von Alois Iten
    Alois Iten, 28.10.2020, 07:37 Uhr

    In und um Cham scheint man generell ein Problem mit Bauten zu haben. Erst die abgelehnte Kanti Ennetsee, dann das Zythus-Projekt und nun auch die Baumgartner-Erweiterung. Man kann ja auch die stillstehen, während alles andere weiter wächst – und das scheint in Zug nun mal Konsens zu sein.

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