Luzerner und Zuger Steuersünder zahlen 213 Millionen nach

«Am Stammtisch prahlt heute niemand mehr mit Schwarzgeld»

Nicht alle Steuerzahler deklarieren ihr gesamtes Vermögen, wie die zahlreichen Selbstanzeigen belegen. (Bild: Symbolbild: les)

Seit zehn Jahren können sich Steuersünder selber anzeigen, ohne eine Strafe zu riskieren. Das schwemmt dem Fiskus Millionen in die Kasse. Allein in Luzern und Zug gab es seit 2010 über 6500 Anzeigen. Die Behörden gehen davon aus, dass die grössten Fische im Netz sind – und sich die Mentalität gewandelt hat.

Ein Konto «vergessen» anzugeben, eine Erbschaft verheimlicht oder eine Liegenschaft nicht deklariert: Steuerhinterziehung galt lange als Kavaliersdelikt. Immer stärker kommt nun zum Vorschein, wie viele Millionen in der Vergangenheit am Fiskus vorbeigeschleust wurden.

Seit zehn Jahren können sich die Betroffenen selber anzeigen, ohne eine Strafe zu riskieren (siehe Box). Und von dieser Möglichkeit wird nach wie vor rege Gebrauch gemacht – auch in Luzern und Zug.

Im Kanton Zug haben sich im letzten Jahr 364 Personen selber angezeigt. Dazu kamen sechs Firmen und 22 Erben. Die späte Einsicht spült viel Geld in die Staatskassen: Alleine aufgrund der total 386 Selbstanzeigen 2019 in Zug flossen 13,2 Millionen Franken an Bund, Kanton und Gemeinden.

Mehr als 200 Millionen Franken in zehn Jahren

Im Kanton Luzern erreichte die Zahl der bearbeiteten Fälle (1028) letztes Jahr gar einen neuen Rekordwert (zentralplus berichtete). Im Unterschied zu anderen Kantonen weist Luzern allerdings nicht die neu eingegangenen Anzeigen aus, sondern die in jenem Jahr abgeschlossenen.

Auch die Gesamtsumme kann sich sehen lassen: Insgesamt haben Zuger und Luzerner Steuerzahler in den letzten zehn Jahren 213,7 Millionen Franken nachträglich an den Fiskus abgeliefert (siehe Grafik).

Straflose Selbstanzeige

Seit 2010 können sich Schweizer selber anzeigen, wenn sie in der Vergangenheit Einkommen oder Vermögen in der Steuererklärung nicht deklariert haben. Sie werden dann nicht für die Steuerhinterziehung gebüsst, müssen aber die Nachsteuer samt Zins auf maximal zehn Jahre zurück bezahlen. Was nachträglich angegeben wird – sei es Vermögen oder eine Liegenschaft –, muss anschliessend natürlich in jeder zukünftigen Steuererklärung deklariert werden.

Wer ein zweites Mal wichtige Angaben «vergisst» oder bewusst nicht angibt, muss allerdings mit einer Busse rechnen. Denn: Jeder kann nur einmal von der straflosen Selbstanzeige Gebrauch machen.

Das Haus in Spanien oder das Konto in Irland

Zugenommen haben zuletzt insbesondere die Meldungen von ausländischen Konten oder Liegenschaften. Nach vielen reuigen Steuersündern in den ersten Jahren habe der automatische Informationsaustausch (AIA) eine erneute Flut an Anzeigen ausgelöst, sagt Paul Furrer, Geschäftsbereichsleiter bei der Luzerner Dienststelle Steuern. Denn sobald eine ausländische Steuerbehörde eine entsprechende Meldung an die Schweiz macht, kann man sich nicht mehr straflos anzeigen.

Furrer erwartet auch 2020 wieder um die 1'000 Fälle. «Wir haben heute einen Arbeitsrückstand und wissen aufgrund der pendenten Fälle, dass wir uns auch im nächsten Jahr in einer ähnlichen Grössenordnung bewegen werden.» Um die Arbeitslast zu meistern, wurden speziell dafür temporär zwei junge Juristen als Aushilfskräfte eingestellt. Ab 2021 rechnet Furrer – auch aufgrund der neuen Eingänge – dann mit einem Rückgang der Fälle.

«Als schweizerische Steuerbehörde gehen wir grundsätzlich von der Ehrlichkeit der Bürger aus.»

Paul Furrer, Dienststelle Steuern Luzern

Auch bei der Zuger Steuerverwaltung rechnet man für die Zukunft mit sinkenden Fallzahlen. Dies, weil der AIA bereits viele Betroffene dazu veranlasst haben dürfte, ihre Steuersituation mit einer Selbstanzeige zu bereinigen.

Im Kanton Luzern gingen seit 2010 total 4403 Anzeigen ein, im Kanton Zug 1656. Der Ruf von Zug als finanzstarker Kanton schlägt sich dabei in den Zahlen nieder. Pro Anzeige wurden durchschnittlich 55'000 Franken Nachsteuern fällig. Im Nachbarkanton Luzern waren es mit rund 27'000 Franken nur halb so viel.

Im Vergleich zu den ersten Jahren ist der durchschnittliche Betrag zuletzt deutlich gesunken. Das beweist: Die grossen Fische, die nachträglich Millionen an Schwarzgeld meldeten, nutzten ihre Chance bereits zu Beginn.

Im Kanton Zürich ist durch die straflosen Selbstanzeigen in den letzten Jahren Schwarzgeld in der Höhe von knapp zehn Milliarden Franken aufgetaucht. Wie hoch diese Summe im Kanton Luzern ist, wird nicht statistisch erhoben. «Man kann aber davon ausgehen, dass es durchaus auch 1 bis 2 Milliarden Franken gewesen sind», sagt Paul Furrer. Auch der Kanton Zug weist die nachgemeldeten Vermögenswerte nicht separat aus.

Überrascht über den Ansturm

Insgesamt sei man «eher überrascht» gewesen über die Menge der Strafanzeigen, heisst es in Luzern. «Als schweizerische Steuerbehörde gehen wir grundsätzlich von der Ehrlichkeit der Bürger aus», sagt Paul Furrer. «Die Meldungen haben uns im Wissen bestätigt, dass es auch schwarze Schafe gibt, die Sachen am Fiskus vorbeischmuggeln.» Auch jetzt gebe es wohl noch Konti, die den Steuerbehörden nicht bekannt seien. Die 4'400 bearbeiteten Anzeigen belegen laut Furrer aber gleichzeitig eine hohe Bereitschaft, ins Lager der Steuerehrlichen zu wechseln, so lange die Folgen nicht all zu gross sind.

Furrer persönlich beobachtet zudem einen Sinneswandel in der Gesellschaft. Früher sei die Haltung, wonach der Staat nicht alles wissen müsse, gesellschaftlich eher akzeptiert gewesen. «Anders als noch vor 20 Jahren muss man am Stammtisch heute nicht mehr mit Schwarzgeld prahlen, das gilt inzwischen als verpönt.» 

Der Regierungsrat indes relativierte 2018 die Thematik. «Mehrere Hundert Verfahren mögen auf den ersten Blick hoch erscheinen», schrieb er damals in seiner Antwort auf einen SP-Vorstoss. «Bei mehreren Hunderttausend Steuerpflichtigen liegt die Zahl der betroffenen Steuerpflichtigen lediglich bei 1 bis 2 Promille pro Jahr.» Von einem «eigentlichen Schwarzgeldproblem, wie man es aus anderen Ländern kennt», könne nicht gesprochen werden (zentralplus berichtete). Die Regierung lehnte es letzten Sommer auch ab, zusätzliches Personal anzustellen, um Steuerhinterziehungen bei Unternehmen auf die Schliche zu kommen – obwohl die Idee auf ihrer eigenen Küche stammte.

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