Kickboxen: Luzerner kämpft um den WM-Titel

«Am Anfang musste ich oft mit einem blauen Auge zur Arbeit»

Kontrast zum Boxring: Markus Adlun an seinem Arbeitsplatz in Rotkreuz.

(Bild: jal)

Seit Wochen ordnet Markus Adlun sein Leben dem Kampfsport unter: Am Samstag kämpft der Luzerner im Grand Casino um den Weltmeistertitel im Kickboxen. Dabei erwartet den Biotechnologie-Ingenieur eine Gefühlsmischung aus Angst und Übermut, Hunger und Übelkeit.

Markus Adlun trägt ein weisses Hemd und eine Strickjacke, die dunklen Haare mit etwas Gel frisiert. Wer nicht um seine Leidenschaft weiss, würde ihn wohl kaum wiedererkennen, wenn er im Boxring steht. Und das tut er seit 2010 für das Thai-Kickbox Center Luzern. Am Samstag will der 34-Jährige seine Karriere mit dem Weltmeistertitel krönen.

Für den Luzerner sind Thai- und Kickboxen mehr als ein Hobby. «Man lernt im Ring, mit schwierigen Situationen umzugehen. Ruhe bewahren, eine Lösung suchen, Kräfte einteilen und entscheiden – genau das muss man auch im Leben oft.»

Das Leben ist für Markus Adlun seit mehreren Wochen nur eines: Kickboxen. Dem WM-Kampf gegen den Japaner Kimura Kazumari ordnet er zurzeit alles unter. Es gibt keinen Alkohol, keinen Ausgang, keine Zigaretten, nur «saubere» Ernährung und viel Wasser. Doch für Adlun ist das kein erzwungener Verzicht: «Da ich sowieso Nichtraucher bin und keinen Alkohol trinke, fällt mir das einfach», sagt er ganz locker und trinkt einen Schluck Kaffee. 

Ihm ist es wichtig, ein gutes Vorbild zu sein. Die Werte vorzuleben, die es im Profisport braucht, um erfolgreich zu sein: einen eisernen Willen, Disziplin, Respekt, Ehrgeiz. Man spürt, dass er sie nicht nur im Ring schätzt.

Fast alles ist erlaubt

Der WM-Kampf wird nach den Regeln des K1 durchgeführt – fast alles ist erlaubt: Faustschläge, Tritte mit den Beinen und den Knien. Nur mit den Ellbogen darf man nicht schlagen. Und das Clinchen, das längere Umklammern, ist verboten.

Zwischen acht und zehn Mal trainiert er in der Wettkampfphase pro Woche – nebst dem Vollzeitjob und einer Weiterbildung, die er seit August absolviert. Ohne seine Frau, die ihm den Rücken freihält, wäre das nur schwer möglich. In anderen Ländern könnte ein Profi auf diesem Niveau vom Kick- oder Thaiboxen leben. Doch in der Schweiz fehlt es an Popularität und dementsprechend an willigen Sponsoren, sagt Adlun.

Markus Adlun verkörpert nicht das Boxer-Klischee des bulligen, böse dreinblickenden Machos. Er ist die gängigen Vorurteile leid. «Kampfsportler sind in der Regel friedliche, ausgeglichene Leute – und eben nicht die Typen, die in der Bar die Schlägerei anzetteln.» Der Sport stehe im Vordergrund, sagt Adlun und verweist auf die über 300 trainierenden Frauen im Thai-Kickbox Center Luzern, in dem er trainiert. Das spricht in seinen Augen für den Sport und gegen die Vorstellung des aggressiven Haudegens.

In Aktion: der Luzerner Markus Adlun im Ring (rechts).

In Aktion: der Luzerner Markus Adlun im Ring (rechts).

(Bild: zvg)

Obwohl Markus Adlun inzwischen mehrfacher Schweizermeister, Europameister und Interkontinental-Meister ist, fand er erst relativ spät zum Kampfsport. Mit Mitte 20 besuchte er erstmals ein Training, nachdem er mit Breakdance aufgehört hatte. Schnell machte er Fortschritte und nach kurzer Zeit fragte ihn Trainer Thomas Hladky nach seinem Gewicht. «In der Kabine fragte ein Trainingskollege anschliessend: ‹Du weisst schon, was das bedeutet?›» – Nein, habe er gesagt und die Antwort erhalten: «Er will, dass du in den Ring gehst.»

Und in den Ring steigt er seither mehrmals jährlich. Was fasziniert ihn am Thai- und Kickboxen? Da ist zum einen das Taktische. «Boxen ist wie Schach: Es steckt viel Strategie dahinter. Denn der Gegner hat sich ja physisch und mental darauf vorbereitet, mich umzuhauen.» Zum anderen fasziniert ihn auch der Kampf. «Es klingt primitiv, aber dieses grundehrliche Stärkemessen im Ring gefällt mir», sagt der Luzerner, dessen Vater und Onkel die bekannte Twiny-Station in der Altstadt führen.

Im Labor statt im Boxring

Andere Boxer – beispielsweise der Luzerner Tefik «The Hurricane» Bajrami – machen ihre Leidenschaft zum Beruf und arbeiten in der Sicherheitsbranche oder gründen eine eigene Kampfsportschule. Nicht so Adlun. Der Biotechnologie-Ingenieur arbeitet seit acht Jahren bei Roche Diagnostics in Rotkreuz. Im Labor die feinmotorische Arbeit, im Büro die kopflastige Qualitätskontrolle – seine Arbeit ist der pure Kontrast zur Welt des Kampfsports.

Tickets ab 49 Franken

Der WM-Kampf zwischen Markus Adlun und dem Japaner Kimura Kazumari wird im Rahmen der 8. Casino Fight Night am Samstag, 14. Oktober, in Luzern ausgetragen. Der Event im Grand Casino Luzern bietet insgesamt 14 Kämpfe in den Disziplinen Boxen, Thaiboxen und K1. Tickets kosten zwischen 49 und 104 Franken. Türöffnung: 18.30 Uhr, Beginn 19.30 Uhr. 

«Vor allem am Anfang musste ich oft mit einem blauen Auge zur Arbeit», erzählt Adlun und lacht. Wichtig sei da gewesen, dass seine Chefin über den Kampfsport Bescheid wusste. «Andere munkelten, ob ich wohl im Ausgang eins aufs Auge bekommen hätte.» Seit er seinen ersten Titel gewonnen hat, wissen aber die meisten Arbeitskollegen Bescheid. 

Auch wenn Adlun sich schon die Nase gebrochen hat in einem Boxkampf: Verletzungen seien vergleichsweise selten. Vor knapp einem Jahr musste er sich einer komplizierten Schulteroperation unterziehen. Trotz anfänglicher Skepsis der Ärzte hat er nun grünes Licht erhalten. «Der pure Wille hat mich dahin gebracht», sagt er – und da blitzt wieder diese Überzeugung auf, dass man sehr vieles erreichen kann, wenn man an sich glaubt.

Wenn er am Samstag nun vor Heimpublikum in den Ring steigt, wird er nervös sein, das weiss Markus Adlun bereits jetzt: «In der Stunde vor dem Kampf hat man Angst und gleichzeitig Übermut, hat Hunger und fühlt doch Übelkeit, ist bleich im Gesicht und dann wieder rot, fühlt sich schwach und dann doch stark wie Superman: Man geht emotional alle möglichen Situationen durch.» Doch ab dem Moment, wo er den Ring betrete, werde alles ausgeblendet und gekämpft.

Fünf mal drei Minuten dauert der Kampf um den WM-Titel. Eine Viertelstunde, in die Markus Adlun hunderte von Stunden investiert hat.

Im Kickboxen nach K1-Regeln ist fast alles erlaubt.

Im Kickboxen nach K1-Regeln ist fast alles erlaubt.

(Bild: zvg)

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