Alkoholsucht ist die soziale Killerdroge

Am Alk leiden nicht nur Alkis

Beat Waldis, Geschäftsführer SoBz Luzern. (Bild: webchr)

Ziemlich genau eine halbe Million Menschen in der Schweiz haben in ihrem engeren familiären Umfeld eine Person, die ein Alkoholproblem hat. Sie sind nicht alleine: Die Auswirkungen und Belastungen auf das soziale Umfeld sind gross. Das weiss auch Beat Waldis von der Sozialberatung SoBZ in Luzern. 

Obschon Alkoholsucht oder übermässiger Konsum in vielen Stuben ein Thema ist, wird es noch immer tabuisiert. Bis mitbetroffene Familienangehörige oder andere nahestehende Leute Unterstützung und Beratung suchen, dauert es oft lange. Mit dem Aktionstag «Alkoholprobleme und die Familie soll darauf aufmerksam gemacht werden.

zentralplus: Das Sozial-Beratungszentrum Luzern SoBZ (siehe Kasten) ist spezialisiert auf legale Süchte. Wie viele Beratungen machen Sie jährlich und wie läuft das ab?

Beat Waldis: Die Anzahl Beratungen sind in den letzten Jahren ungefähr gleich geblieben, im 2015 hatten wir 820 Beratungsdossiers. Eine Beratung ist unverbindlich, kostenlos und steht selbstverständlich unter der Schweigepflicht. Wer bei uns Unterstützung sucht, kann sicher sein, dass wir sehr sorgfältig und mit viel Respekt mit den betroffenen Menschen umgehen. Wir haben in erster Linie einmal ein offenes Ohr und hören uns die Situation an. Wie es dann weitergeht, besprechen und entscheiden wir zusammen mit den Betroffenen.

«Man möchte den geliebten Menschen hervorholen und nicht dieses fremde und unangenehme Wesen, das da unter Alkoholeinfluss entsteht.»

zentralplus: Die SoBZ nimmt den Aktionstag zum Anlass, auf die Situation von Mitbetroffenen aufmerksam zu machen. Was heisst das genau?

Sozial-Beratungszentrum Luzern SoBZ

Im Kanton Luzern gibt es vier regionale Sozialberatungszentren, die ein polivalentes Beratungsangebot zu unterschiedlichen Themenfeldern anbieten (Regionen Hochdorf und Sursee / Willisau-Wiggertal / Entlebuch, Wolhusen und Ruswil). Das SoBZ in der Stadt Luzern ist spezialisiert auf alles rund um legale Süchte. Dazu gehören Spielsucht, Medikamentenmissbrauch, Kaufsucht oder Ess-Störungen genauso wie Alkoholabhängigkeit. Die Fachstelle bietet Menschen mit auffälligem und/oder problematischem Konsumverhalten kostenlose Beratung, Begleitung und Therapie. Angesprochen sind nicht nur die Suchtbetroffenen selbst, sondern auch Mitbetroffene wie Familienangehörige, Freunde oder Arbeitgeber.

Waldis: In der Schweiz und entsprechend auch in Luzern stehen meistens die Personen mit einer Alkoholabhängigkeit oder übermässigem Konsum mit ihrer Problematik im Vordergrund. Die Auswirkungen betreffen jedoch nicht nur den alkoholkranken Menschen selber, sondern auch sein soziales Umfeld. Für Familienangehörige, Partnerinnen und Partner oder andere nahestehende Personen kann das grosse Auswirkungen haben. Da Alkoholismus – gerade in der Familienkonstellation − jedoch noch immer ein Tabu ist, sind die Angehörigen oft alleine mit der schwierigen Situation. Mit dem Aktionstag möchten wir darauf sensibilisieren und Mitbetroffene ermuntern, Unterstützung von aussen zu holen.    

zentralplus: Wie wirkt sich Alkoholsucht auf das private Umfeld und nahestehende Menschen aus?

Waldis: Das ist sehr unterschiedlich. Verallgemeinernd kann man höchstens sagen, dass Alkohol ein beziehungsbestimmendes Element wird, wenn ein Familienmitglied oder eine nahestehende Person suchtbetroffen ist. Schwierig zum Aushalten ist die Ambivalenz, mit der Mitbetroffene konfrontiert sind: Der Süchtige hat zwei Gesichter, ist ein anderer Mensch, wenn er oder sie alkoholisiert oder eben nüchtern ist, und diese Qualitäten oder Seiten können total unterschiedlich sein. Plötzlich ist der liebe Vater aggressiv, die Verlässlichkeit ist nicht mehr gegeben. Damit umzugehen, ist extrem schwierig: «Man möchte den geliebten Menschen hervorholen und nicht dieses fremde und unangenehme Wesen, das da unter Alkoholeinfluss entsteht.»  

zentralplus: Wie reagieren Kinder und Jugendliche auf Alkoholsucht in der Familie?

Waldis: Wenn die Verlässlichkeit auf die Mutter oder den Vater fragil geworden ist oder sogar wegfällt, ist das sehr schwierig und geht mit einem Vertrauensverlust der fast wichtigsten Bezugsperson einher. Auch hier gilt: Wie sich das bei betroffenen Kindern oder Jugendlichen zeigt, ist individuell. Das geht von Konzentrationsstörungen in der Schule zeigen, über Rückzug in eine eigene Welt oder Rebellion den Eltern oder anderen Bezugspersonen gegenüber.

«So oder so gilt: Je früher eine Beratung aufgesucht wird, umso besser.»

zentralplus: Gibt es Strategien von Mitbetroffenen im Umgang mit dem süchtigen Partner oder der süchtigen Partnerin?

Waldis: Auch hier ist die Spannweite von Lösungsversuchen gross. Es kann beispielsweise sein, dass die Partnerin eines Alkoholabhängigen die Situation mitträgt und versucht, seine Sucht gegen aussen zu kaschieren – insbesondere vor dem Arbeitgeber. Andere wiederum fühlen sich irgendwie schuldig und suchen eine Mitverantwortung bei sich, was wiederum zu einer Überforderung bis hin zu gesundheitlichen Problemen bei ihnen selbst führen kann. Und dann gibt es natürlich die Drohungen, den Partner zu verlassen, oder Kontrollversuche wie allen Alkohol auszuschütten und so weiter. Meistens haben Mitbetroffene x-verschiedene Strategien und Lösungsversuche ausprobiert, bis sie eine Beratungsstelle aufsuchen.

zentralplus: Gehen Frauen und Männer unterschiedlich mit der Suchtthematik ihres Partners, ihrer Partnerin um?

Waldis: In diesem Bereich gibt es schon genderspezifische Unterschiede, das ist ein weites Feld. Erfahrungsgemäss fühlen sich Frauen schneller mitverantwortlich und holen entsprechend eher Unterstützung von aussen. Umgekehrt leiden Männer auch sehr unter einer Alkoholabhängigkeit ihrer Partnerin, sind aber oft auch auswärts am Arbeiten und nicht ganz so nahe am Alltagsleben wie das etwa bei Familienfrauen ist. «So oder so gilt: Je früher eine Beratung aufgesucht wird, umso besser.» Sich Hilfe zu holen, ist ein grosser erster Schritt. Aus diesem Grund machen wir möglichst niederschwellige Angebote auf den Sozialberatungszentren.

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