Zuger Antiquar verkauft in die ganze Welt

Alte Bücher für reiche Expats

Fatzer mit Fundstück: Ein Festbuch über die «höchstansehnlichste Wahl- und Crönungs-Solennitaeten des aller Durchlauchtigsten, Grossmächtigsten und Unüberwindlichsten Fürsten und Herrn» Karl VI. (Bild: fam)

Er ist kein Sammler. Aber sitzt auf mehreren Tonnen alter Bücher. Mitten in der Altstadt Zug hortet ein Antiquar seine Schätze. Und er hat sich in Zug eine ganz spezielle Kundschaft ausgesucht.

Als hätte er sie extra fürs Interview herbestellt: Im kleinen Antiquariat an der unteren Altstadtgasse stehen gleich vier Menschen rum und bestaunen die riesigen Bände. Und sie kaufen sogar etwas vom Antiquar, wenns auch nur vom Trödeltisch ist, der draussen an der Sonne steht. Dabei ist das ein Ort für Kilogramme.

Und so sehen die Dinger auch aus. Berge von Büchern, quadratmetergross, in dickes Leder eingepackt überdauern sie die Jahrhunderte. Und einen Teil davon hier, bei Beat Fatzer: Der Zuger Antiquar verkauft seit 21 Jahren alte Bücher in der Altstadt, aber nicht irgendwelche. Seine Regale sind voller Schätze: Hier eine Erstausgabe von Nietzsche, so schwer wie kompliziert, und auch so teuer.

«Bücher sind stabil»

«4’500 Franken kostet das Buch, es ist wohl das einzige im Handel weltweit», sagt Fatzer. Aber er getraut sich trotzdem, es aufzuschlagen und ein wenig darin zu blättern. Keine Angst vor plötzlicher Zerstörung durch ein Eselsohr? «Nein, Bücher sind stabil», sagt er und packt eine Ausgabe von Rudyard Kiplings «Kim». Es stammt vom Anfang des 20. Jahrhunderts, mit Zeichnungen des bekannten Genfer Illustrators François-Louis Schmied. Ein schönes Buch, auf der Welt gibt es möglicherweise noch fünf davon zu kaufen.

Und es ist die Welt, mit der Fatzer im Wettbewerb steht. «Wir haben ein modernes Konzept», sagt er feierlich. «Wir verkaufen im Internet in viele Länder. Dieses Buch da», Fatzer zeigt auf den Nietzsche, «das wird einmal nach Amerika gehen. Da hat schon ein Händler angefangen zu graben, aber ich wollte Vorauskasse, und das wollte er nicht», sagt der Bücherfan und lacht.

Beim Joggen alte Bücher shoppen

Das Ausland kommt aber auch zu ihm: Zug ist zwar wenig belesen, sagt er. «Die haben hier doch alle keine Zeit für Bücher.» Viel weniger als in Rorschach, wo Fatzer zuvor sein Antiquariat geführt hatte. «Da ist alles etwas gemütlicher.» Aber dafür hätten die Zuger Geld für alte Bücher, gerade die Expats. Kein Wunder hat Fatzer vorgesorgt und legt auf seinem Tisch vor dem Laden immer ein paar englische Bücher aus. «Das ist schon speziell in Zug. Wo sonst passiert so etwas: Eine Joggerin, die im Vorbeirennen Bücher für dreieinhalbtausend Franken mitnimmt», sagt Fatzer und ergänzt lachend: «Aber das ist natürlich eine alte Geschichte. Die Antiquariate sind voller alter Geschichten.»

Und sie werden stetig neu befüllt: Fatzer kauft ganze Bibliotheken zusammen, aus Erbschaften, von Privaten oder auch bei Versteigerungen. Mitten im Laden stehen sieben Papiersäcke voller Bücher, die er noch katalogisieren muss. «Da muss man herausfinden, worum es sich bei dem Buch handelt, wie selten es ist, wie gut der Zustand ist.» Und dann gehts entweder ins Lager, ins Regal oder auf den Ramschtisch.

Momentan steht auf Letzterem eine ganze Sammlung von Fälschungen, zumindest, wenn es nach Fatzer geht: «Das hat man in den goldenen Zeiten noch verkaufen können, als die Leute sich um antiquarisch wirkende Bücher gerissen haben.» Goldschnitt, und zwar auf allen Seiten, und Lederimitat-Einband. Fatzer lacht: «Das war damals sogar teuer, hundert Franken im Abo.» Trotzdem bekommen sie keinen Platz neben den echten Büchern mit den handkolorierten Bildern.

«Reich wird man nicht mehr»

Fatzer hat ganze Themensammlungen: Eine Reihe von Rosenbüchern mit Zeichnungen, «das ist doch wunderschön», sagt er, «da gibt es Leute, die so etwas sammeln». Oder ein kleines Fischbuch für den belesenen Angler, der seinen Fang gerne stilvoll klassifiziert. Dass diese Bücher so teuer sind, das versteht sich für Fatzer von selbst: «Sie sind eigentlich günstiger geworden: Diese Bücher hier haben schon damals viel gekostet. Ein grosses Buch hat im Mittelalter so viel gekostet wie ein Hof, ein kleineres so viel wie ein Pferd.» Heute sind sie noch so teuer wie ein wirklich gutes Velo. Und Fatzer kommt damit offenbar über die Runden. «Reich wird man nicht mehr, nicht so wie die letzte Generation der Antiquare.»

Die nächste Generation ist schon radikaler unterwegs, verkauft nur noch über Ricardo und Ebay. Fatzer hängt noch an seinem Laden. Laufkundschaft allerdings fehlt im etwas. «Im Winter ist es schon trist, da kommt fast keiner in die Altstadt. Deshalb ist das hier die günstigste Lage in der Stadt.» Und gleichzeitig die Schönste für ein Antiquariat. «Hier hat jedes Haus eine Geschichte», sagt Fatzer. So wie jedes Buch. Er liest sie zwar nicht alle. Aber das tun auch die Käufer nicht. Bringt er es übers Herz, seine Schätze anderen zu überlassen? «Ich kann gut loslassen, bin kein Sammler», sagt Fatzer, im Hintergrund zehn Tonnen gesammelte Buch-Geschichte. «Ich muss die Sachen nicht besitzen. Es ist schön, sie hier gehabt zu haben.»

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