Peter Schärli Trio am Jazz Festival Willisau

Alte Bekannte zum Festivalauftakt

Seit über 22 Jahren unterwegs: Peter Schärli, Glenn Ferris und Thomas Dürst. Sie eröffneten mit Hans-Peter Pfammatter das diesjährige Jazz Festival in Willisau. (Bild: Stoph Ruckli)

Als «ein Wiedersehen mit alten Freunden» konnte der Eröffnungsabend der aktuellen Jazz-Festival-Ausgabe bezeichnet werden. Mit dem Peter Schärli Trio feat. Glenn Ferris und dem Roscoe Mitchell Trio standen alte Bekannte auf der Bühne. Doch solange die Seele Spass hat, ist alles möglich – egal ob für Jung oder Alt.

22 Jahre. So lange ist es her, seit Peter Schärli zum letzten Mal die Bühne des Jazz Festivals Willisau als Bandleader betreten hat. Nun, vielleicht auch mit dem 50. Geburtstag der Konzertreihe «Jazz in Willisau» im Hinterkopf, holte man ihn wieder zurück. Ihn, das Schötzer Original, den besten Trompeter 2006 in einer Umfrage einer brasilianischen Tageszeitung und den ersten Schweizer Jazzmusiker, der für einen Grammy vornominiert wurde. Mit dabei hatte Schärli seine beiden Trio-Mitstreiter, Thomas Dürst am Kontrabass und Hans-Peter Pfammatter am Klavier, sowie Posaunist Glenn Ferris als «Gast seit vielen Jahren».

Schöne Melodien anstatt technische Spielereien

Dürst und Ferris waren schon vor 22 Jahren auf der Willisauer Bühne dabei, der vergleichsweise junge Pfammatter stiess 1998 zum Trio. Von Alterserscheinungen oder -fragen wollte hier aber ohnehin niemand etwas wissen. Schärli, zu Beginn nervös wie ein junger Student, betonte seine Verehrung für den nachfolgenden Roscoe Mitchell und schon ging die Show weiter.

Das Schöne an den Stücken der Schweizer-amerikanischen Kombo ist die Verliebtheit in schöne Melodien anstatt technische Spielereien; da spielt die Erfahrung eben doch eine Rolle, was nicht heisst, dass es an Virtuosität gemangelt hätte. So hielt ein beeindruckend kraftvoll-groovender Dürst den Laden zusammen, während der geniale Pfammatter mit frischen Akkorden und Pattern seine oftmals viel zu wenig beachtete Höchstqualität als einer der besten Schweizer Pianisten unterstrich. Und Schärli sowie Ferris versprühten Spielfreude und Bläserkunst am Band. Oder gaben gar ein Ständchen zum Besten:

Helge Schneider lässt grüssen

Song Nr. 3, «Bahia Mood (Sugar Lady)», avancierte zum ersten Highlight des Abends und lockerte auch die Zunge von Schärli, der nie um Anekdoten oder Sprüche verlegen war. Gar wurden im begeisterten Publikum Vergleiche zu Helge Schneider gezogen, zu dessen Fans der Schötzer Trompeter gehört. So ächzte Schärli über gepökeltes Fleisch («da wird mir nicht schlecht») vs. geköppelte Weltwoche-Editorials («da wird mir schlecht»), erzählte von der gescheiterten Schlagersängerkarriere («dafür war ich zu gut») oder über neue Lebens- und Altersfragen («wir kommen gerne wieder in 22 Jahren, wenn wir dann noch da sind»). Alles in allem ein musikalisch sowie ansagetechnisch unterhaltsamer Auftakt.

Präzise Ansagen ohne zu viele Worte: Festivalchef Arno Troxler.

Die Vorzüge des kulturverrückten Hinterlands

Das Jazz Festival Willisau und überhaupt das kulturverrückte Hinterland glänzen mit verschiedenen Faktoren, die dem Städter oftmals verborgen bleiben. Ein unglaublich aufmerksames Publikum jeglicher Couleur gehört da beispielsweise dazu. Oder die präzisen Ansagen von Festivalchef Arno Troxler – hier wird keine Silbe zu viel verloren. Also kurz und knackig, jetzt kommt das Roscoe Mitchell Trio. Applaus.

Saxofonist Mitchell und seine beiden Mitmusiker Mike Reed (dr) sowie Junius Paul (b) waren performerisch die pure Gegenthese zu der vorangegangenen Formation. Kein Wort wurde verloren, sondern sofort losgespielt. Und wie: Die Energie des 76-jährigen Impro-Pioniers erfüllte sofort den Raum. Mit mantraartiger Kontinuität lotete er sowohl das Frequenzspektrum als auch die Anzahl Töne seines Instrumentes aus. Dahinter donnerten Reed und Paul, immer mal wieder im Duett, wenn der Chef sich eine Weile «erholen» wollte.

76 Jahre pure Energie in Person von Roscoe Mitchell

Statement für Freiheit und Improvisation

Dass dieser wilde Impro-Wirbelsturm nicht der ganzen Zuhörerschaft entsprach, äusserte sich bei den Sitzplätzen, die sich langsam leerten. Und ja, nach drei Viertel Konzertdauer war das Konzept genügend gereift, der vermeintlich genervt oder einfach sehr ernst wirkende Frontmann bog auf die Zielgerade ein. Und nahm dabei durch die stellenweise strikten Anweisungen an seine Musiker dem Konzert auch etwas den Flow. Trotzdem imponierte dieses Trio mit seiner schieren Stärke und einem Statement für Freiheit und Improvisation – ein Statement, das Willisau gut und gerne durch die nächsten 50 oder mindestens 22 Jahre bringen wird. Gerade dank solch gelungener Auftaktabende.

Das Jazz Festival Willisau dauert noch bis Sonntag, 4. September. Alle Infos: www.jazzfestivalwillisau.ch

Stoph Ruckli

Dieser Beitrag ist in Kooperation mit Kulturteil.ch entstanden und kann auch hier gelesen werden.

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