Das grosse Geschäft der illegalen Glücksspiele

Also doch: Organisiertes Verbrechen mitten in Zug

Bei illegalen Glücksspielen in Zug wurden immer wieder Geldbeträge, Wett-Terminals, aber auch Waffen sichergestellt.

(Bild: fotolia.de)

Lange war unklar, was es mit all den Razzien in Zuger Klublokals auf sich hatte. Ein Szenenkenner hat aus dem Nähkästchen geplaudert. Seine Schilderungen zeigen: Das Ausmass der illegalen Glücksspiele ist weit grösser als angenommen.

Immer wieder ist es in den letzten Monaten im Kanton Zug zu Razzien gekommen. Im Monats- und manchmal Wochentakt fanden Lokaldurchsuchungen statt. Wiederholt meldete die Polizei, dass man Bargeld und Wettcomputer, manchmal auch Waffen, sichergestellt habe, dass die Betreiber der Lokale illegale Glücksspiele angeboten hätten. Doch viel mehr Fakten gab es dazu nicht. Die Polizei wollte aus ermittlungstaktischen Gründen nichts sagen (zentralplus berichtete).

Nun stellt sich heraus: Hinter all den Razzien steckt offenbar organisierte Kriminalität. zentralplus hat mit jemandem gesprochen, der sich in der Szene auskennt. Nennen wir ihn Lukas (Name von der Redaktion geändert). Gemäss seinen Schilderungen ist das Ausmass der illegalen Glücksspiele grösser als angenommen.

Als Internetcafés getarnte Wettbüros

«Ich schätze, dass es im ganzen Kanton Zug ungefähr sechs oder sieben Klubs gibt, in denen illegale Glücksspiele angeboten werden», sagt Lukas. Er sei in dreien gewesen, die anderen kenne er vom Hörensagen. Wenn man die Lokale betrete, würden sie meist wie normale Internetcafés aussehen. Man könne auch einfach hingehen, einen Kaffee trinken und einen Fussballmatch schauen. Nicht alle würden dort spielen.

«Aber man kann die Kellnerin fragen, ob man spielen darf, und bezahlt an der Theke den Betrag, den man verspielen will.»
Lukas

«Aber man kann die Kellnerin fragen, ob man spielen darf, und bezahlt an der Theke den Betrag, den man verspielen will.» Sie schalte dann die Wettspiele, die online laufen, per Code frei. «Von aussen sehen die Wettcomputer aus wie normale Computer», erzählt Lukas. Wette man nicht, könne man sie auch für ganz normale Dinge gebrauchen, also fürs Surfen im Internet zum Beispiel. Pro Lokal habe es etwa zwei bis drei solcher Apparate und die Wettspiele darauf seien allesamt illegal. Gewettet werde momentan vor allem auf Fussball.

Systematische Anfragen aus Österreich

Lukas erzählt, dass auch er schon einmal von einem Mann aus Österreich angefragt worden sei, ob er einen Verein gründen möchte und ein Lokal auf seinen Namen mieten würde. «Die bezahlen die ganze Infrastruktur und bringen Wett-Terminals. Anschliessend arbeitet man auf Provision», sagt Lukas. 20 Prozent der Bruttoeinnahmen aus dem Wettgeschäft könne man behalten, die restlichen 80 Prozent würden an die Leute aus dem Ausland fliessen. Würde die Polizei darauf aufmerksam und die Terminals konfiszieren, stünden am nächsten Tag bereits die neuen da. «Und gibt es eine Busse, bezahlen sie die Typen auch gleich.»

Mit den Wett-Terminals könne ein Vereinsbetreiber locker 20 bis 30’000 Franken pro Monat verdienen, meint Lukas. Diese seien dann die Haupteinnahmequellen, die Kartenspiele und die Automaten nur ein Nebenverdienst, die der Wirt selbst verantworte. Offenbar ist das ganze Geschäft organisiert.

Polizei hat davon gewusst

Darauf angesprochen, sagt Thomas Armbruster, Chef Kriminalpolizei: «Das ist uns bekannt.» Neben den von Österreich aus agierenden Organisationen gäbe es weitere, die von anderen europäischen Ländern aus operieren. «Bei diesen illegalen Wetten und Geldspielen sind oft grosse Summen im Spiel, weshalb sie für die Lokalinhaber und die Hintermänner sehr lukrativ sind. Dabei gibt es verschiedene Geschäftsmodelle in Bezug auf den Einsatz der Apparate und Verteilung der Provisionen.»

«Wir hatten diverse Personen, die Mühe haben oder hatten, das Geld für die Busse aufzutreiben.»
Thomas Armbruster, Chef Zuger Kriminalpolizei

Dass die Bussen jedoch von den Hintermännern bezahlt werden, kann Armbruster nicht vollständig bestätigen: «Wir hatten diverse Personen, die Mühe haben oder hatten, das Geld für die Busse aufzutreiben. Dass es im Einzelfall so gehandhabt wird, ist durchaus vorstellbar.»

200’000 Franken beim Texas Holdem verloren

Daneben gibt es auch andere Formen des illegalen Glücksspiels. Im Balkanischen Jassverein werde zum Beispiel Texas Hold’em gespielt, sagt Lukas. «Die haben dort eine ganze Casino-Ausrüstung, weil jemand aus dem Umfeld des Besitzers im Casino arbeitet und so an die alten Pokersets kommt.» 

Ein Mann habe dort an einem Abend 200’000 Franken verspielt – beim Pokern. «Aber es ist bekannt, dass man den ausnehmen kann», sagt Lukas. Der Zuger Unternehmer spiele für den Kick. 

Der Verein war für eine Stellungsnahme bis Erscheinen dieses Artikels nicht erreichbar und konnte sich deshalb zu den Vorwürfen nicht äussern. Die Polizei bestätigt aber auf Anfrage, dass sie wisse, dass in dem Klub auf elektronischen Glücksspielterminals Texas Hold’em gespielt werde.

Der Besitzer des Balkanischen Jassvereins Krstan Gajic (links vorne) und seine Freunde im Klublokal. (Archivbild: Joseph Khakshouri/BLICK/RDB)

Der Besitzer des Balkanischen Jassvereins Krstan Gajic (links vorne) und seine Freunde im Klublokal. (Archivbild: Joseph Khakshouri/BLICK/RDB)

(Bild: Joseph Khakshouri/BLICK/RDB)

Der Betreiber des Balkanischen Jassvereins, Krstan Gajic, ist derselbe, der damals den Falken in Baar geführt hat. Dort fand im März 2011 eine Razzia wegen illegalen Glücksspielen statt. Der Wirt habe dann eine Busse gekriegt, sagt Lukas. «Aber das hat nicht der Mann bezahlt, sondern die Typen, die die Wettcomputer aus Österreich liefern.»

«Die Szene ist gut organisiert. Eine organisierte Kriminalität schliessen wir derzeit nicht aus.»
Judith Aklin, Kommunikationsverantwortliche der Zuger Strafverfolgungsbehörden

Personen, die von der Polizei erwischt werden, kommen meist mit einer Busse davon. «Gegen die verhafteten Personen reichen wir Strafanzeige ein. Akzeptiert die Person das, gibt es eine Busse. Wenn die Busse höher als 5000 Franken ist, gibt es einen Eintrag im Strafregister. Die Tatverdächtigen werden polizeilich festgehalten und sind nach der ersten Einvernahme vor Ort wieder frei», sagt Judith Aklin, Kommunikationsverantwortliche der Zuger Strafverfolgungsbehörden. Einige der Täter seien auch Wiederholungstäter, aber längst nicht alle. «Die Szene ist gut organisiert. Eine organisierte Kriminalität schliessen wir derzeit nicht aus. Im Rahmen der Razzien werden auch entsprechende Ermittlungen getätigt.»

Kontrolle keine Lösung?

Den Schwerpunkt habe man im Moment bei der Zuger Polizei deswegen auf die Kontrolle der Lokale gelegt. «Denn diese illegalen Machenschaften dulden wir im Kanton Zug nicht und das sollen die Anbieter auch spüren. Stellen wir Sachverhalte fest, die Ermittlungen erfordern, nehmen wir diese an die Hand, so schreibt das Gesetz es auch vor», sagt Aklin. Hinweise würden auch von der Eidgenössischen Spielbankenkommission kommen, andererseits aber auch von eigenen Ermittlern, die täglich im Einsatz seien. Und natürlich gibt es Lokale, auf die wir ein besonderes Augenmerk gerichtet haben», sagt Aklin. Zudem fände auch ein Austausch zwischen den verschiedenen kantonalen Polizeien statt, nicht aber ein internationaler. 

Dennoch gleichen die Razzien einem Katz- und Maus-Spiel, und keiner Ursachenbekämpfung. Denn gerade am Freitag ist die aktuellste Medienmitteilung der Zuger Polizei veröffentlicht worden: «Die Zuger Polizei hat bei erneuten Kontrollen von Klublokalen in Baar mehrere Widerhandlungen festgestellt. Die Einsatzkräfte verhafteten zwei Frauen und stellten Bargeld, Wettcomputer und Spielterminals sicher.» Wenn Lukas Recht hat, stehen morgen bereits die nächsten Terminals dort.

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