Alessia Colledani über ihren Baustellen-Alltag

Als Malerin in der Überzahl, als Chefin die Exotin

Alessia Colledani ist mit 27 Jahren als Mitinhaberin und Geschäftsführerin eines Malerbetriebs die Ausnahme.

(Bild: jav)

In Luzern wird der Malerberuf von Frauen dominiert. Alessia Colledani aus Kriens ist eine von ihnen. Sie ging jedoch einen Schritt weiter und merkt erst jetzt als Geschäftsführerin, wie sie als Frau in der Baubranche anders behandelt wird.

Schweizer Rekord: 78 Prozente der Malerlehrlinge in der Zentralschweiz sind Frauen und im Kanton Luzern gibt es 63 Prozent Malerinnen. Alessia Colledani ist eine von ihnen. Doch als Mitinhaberin und Geschäftsführerin eines Luzerner Malerbetriebs führt die 27-jährige Krienserin ihren Weg weiter. Vorarbeiterin, Handelsschule, und derzeit drückt sie zwei Tage die Woche die Schulbank für den «Meister». In naher Zukunft wird sie die Firma «Heini Bühlmann und Partner» ganz übernehmen.

Dass sie einen handwerklichen Beruf erlernen will, war früh klar. Ihr Grossvater, ein italienischer Einwanderer, gründete 1961 in Sarnen ein Gipsergeschäft, ihr Vater führte dieses weiter und drei ihrer acht Geschwister haben ebenfalls eine Lehre im Baubereich absolviert.

zentralplus: In Luzern dominieren die Malerinnen schweizweit am stärksten. Doch wie sieht es bei den Malermeisterinnen aus?

Alessia Colledani: In der Lehre waren wir zur Hälfte Frauen, heute sind nur ein paar wenige Frauen in meiner Klasse. Die machen den Meister vor allem dafür, ein gutes «Polster» zu haben. Den wenigsten geht es darum, danach etwas «anzureissen». Dabei ist eine Meisterausbildung im Malerbereich gar nicht nötig. Ich kann auch einfach einen Kessel in die Hand nehmen und sagen: «Ich bin jetzt Maler.»

zentralplus: Und weshalb tun Sie es trotzdem?

Colledani: Für mich. Diese schulische Ausbildung, die mir so gar nicht liegt, durchgezogen zu haben, bestätigt mich in meinem Selbstbewusstsein als Geschäftsführerin. Das Wissen ist eine Art Waffe – oder Stärke – für mich in meinem Beruf.

«Solidarität erlebt man auf der Baustelle, egal ob Mann oder Frau.»

zentralplus: Empfinden Sie es als Vorteil, dass immer mehr Frauen diesen Beruf wählen?

Colledani: Für mich persönlich macht es keinen Unterschied. Bei uns in der Firma sind wir sowieso in der Überzahl (lacht). Auf Baustellen sehen wir ja kaum andere Maler, sondern andere Berufe aus der Baubranche, die alle sehr männerlastig sind. Deshalb empfinde ich es als positiv, wenn wenigstens aus einem Bereich Frauen auf dem Bau zu finden sind.

zentralplus: Malerin wird in der Baubranche als idealer Job für junge Frauen angepriesen. Geht es hier um Klischees, oder empfinden Sie das so?

Colledani: Man kennt die Schlagworte: handwerklich, kreativ. Und so ist es auch. Man arbeitet mit Farben, hat abwechslungsreiche Arbeiten und ein schönes Ergebnis am Ende. Ist doch wirklich schön. Damit wird natürlich bei jungen Frauen erfolgreich geworben. Zudem ist es eine körperliche Arbeit, aber nicht extrem anstrengend. Natürlich gibt es auch Phasen, in welchen man wochenlang draussen auf dem Gerüst steht, Kessel in die Höhe schleppt und Fassaden streicht. Aber auch das macht Spass, wenn es nicht 90 Prozent der Arbeit ausmacht.

Alessia Colledani und ihr Mitarbeiter bei der Arbeit am Luzerner Stadtkeller.

Alessia Colledani und ihr Mitarbeiter bei der Arbeit am Luzerner Stadtkeller.

(Bild: zvg)

zentralplus: Auch vom Alltag auf dem Bau kennt man die Klischees zur Genüge. Wie erleben Sie das?

Colledani: Also das Bier in der Pause gibt es schon sehr lange nicht mehr (lacht). Man kennt auch sonst die bekannten Bilder: Stress, Dreck, Lärm und ein rauher Umgangston. Ich erlebe es jedoch selten so. Wir arbeiten viel auf kleineren Baustellen, da geht es oft um Kommunikation und das Aneinander-Vorbeikommen. Da muss man es aber auch vertragen können, wenn es in der Hektik mal etwas lauter wird oder jemand Druck macht.

zentralplus: Wird mit einer Frau auf dem Bau anders umgegangen?

Colledani: Selbstverständlich bekomme ich auch mal Sprüche zu hören. Aber die kommen meist von Typen, die grundsätzlich eine grosse Klappe haben. Mir ist auch nie jemand zu nahe gekommen, auch wenn manchmal einmal zu oft nach meinen Wochenendplänen gefragt wird. Der Umgang ist meist freundlich und anständig. Mir wird aber beispielsweise öfters Hilfe angeboten als meinen männlichen Kollegen.

zentralplus: Empfinden Sie das als freundliche Geste oder fühlen Sie sich nicht ernst genommen?

Colledani: Für mich ist klar, dass ich keine Hilfe brauche, und grundsätzlich will ich sie auch nicht. Doch es gibt die Momente, wenn man alleine auf die Baustelle kommt und kübelweise Farbe in den obersten Stock tragen muss. Da ist jeder Arbeiter froh, wenn jemand, der «leer läuft», etwas abnimmt. Da geht es um Solidarität und die erlebt man auf der Baustelle, egal ob Mann oder Frau. Jedenfalls unter den Handwerkern. Bei Architekten und Bauleitern erlebe ich es jedoch anders.

zentralplus: Das heisst?

Colledani: Ich bin oft mit meinem Mitarbeiter auf der Baustelle, der ungefähr gleich alt aussieht wie ich. Sehr auffällig für uns ist deshalb: Von Seiten der Bauleitung wird ausnahmslos er angesprochen. Es ist noch nie ein «Chef» auf einer Baustelle mit einer Frage an mich herangetreten. Immer muss mein Mitarbeiter die Herren erst an mich verweisen.

«Dass sich die Entwicklung auf der Führungsebene noch nicht so zeigt, ist wohl normal.»

zentralplus: Stört Sie das nicht?

Colledani: Natürlich. Aber es ist nicht unverständlich. Frauen in höheren Positionen gibt es auf Baustellen kaum. Architektinnen ja, aber Dachdeckerinnen, Bodenlegerinnen oder Elektrikerinnen habe ich noch nie getroffen. Und auch im Malerberuf machen zwar viele Frauen eine Lehre, arbeiten später jedoch beispielsweise im Büro.

zentralplus: Hat sich das nicht verändert?

Colledani: Das kann ich schlecht beurteilen. Ich bin wohl Teil eines Booms geworden, 50 Prozente waren Frauen, als ich die Lehre abschloss. Das ist erst zehn Jahre her. Dass sich die Entwicklung auf der Führungsebene noch nicht so zeigt, ist wahrscheinlich normal. Auch für mich war es eine grosse Entscheidung, die Firma zu übernehmen. Denn die nächsten fünf bis sieben Jahre gibt es für mich keine ausgiebigen Reisen oder Familienplanung. Aber das passt auch. Ich habe richtig Bock darauf, das Geschäft zu übernehmen und weiterzuentwickeln.

Zum Schluss noch etwas Feinarbeit. Warm eingepackt.

Zum Schluss noch etwas Feinarbeit. Warm eingepackt.

(Bild: zvg)

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