Schlechte Schläfer pilgern in die Hofklinik Luzern

Alptraum Schlafklinik: Schnarchen, Herzrasen und Zähneknirschen

Vor dem Verkabeln ganz schön gemütlich: Die Nacht in der Hofklinik Luzern steht bevor. (Bild: hae)

Guten Morgen! Endlich die unruhige Nacht hinter dich gebracht – geht es dir auch so? Immer mehr Menschen leiden unter Schlafstörungen. Kein Wunder, gibt es in Luzern bereits drei Kliniken, die sich auf Schlafstörungen spezialisieren. Ein Selbstversuch in der Hofklinik, der neuesten von ihnen.

«Ah, cool – Sie sind ein Knirscher!», sagt Hofklinik-Pflegerin Claudia Michel und lacht. Knirscher, also Menschen, die beim Schlafen die Zähne aneinander reiben, betreue sie ganz selten in der Hofklinik. Sie bereitet mich vor für eine überwachte Nacht, in der mein Schlaf analysiert werden soll. Nach einer gut einstündigen Vorabklärung in der Luzerner Hofklinik bin ich um acht Uhr abends ins nebenan liegende Ibis-Hotel eingerückt. Und lasse mich von Pflegerin Michel zwecks Schlafüberwachung verkabeln.
Ja, ich bin ein Knirscher, schnarche auch ab und an – und habe oft einen schlechten Schlaf. Stress im Arbeitsleben, Leiden an der Welt, Zukunftssorgen, Alkohol – das schlägt auf den Schlaf. Ganz normal.

Ganz normal? In der Tat, immer mehr Menschen schlafen schlecht: Laut dem Bundesamt für Statistik leiden hierzulande rund 25 Prozent der Bevölkerung unter Schlafstörungen, 8 von 100 Personen nehmen gar Medikamente ein, um erholsam schlafen zu können. Denn Schlaf ist das wichtigste Tagesdrittel für die meisten Leute, es geht um Erholung, Reinigung und Zellen-Neubildung, und zwar vorwiegend während des Tiefschlafes, den man bis morgens um zwei Uhr hat. 

32 Schlafkliniken in der Schweiz

Solche Schlechtschläfer liessen in den letzten Jahren einen blühenden Zweig in der Medizin gedeihen: die Schlafmedizin. 32 Schlafkliniken gibt es in der Schweiz, die sich laut «NZZ am Sonntag» aufmachen, den volkswirtschaftlichen Schaden von schlechtem Schlaf und Schlafmangel, der sich auf mehr als acht Milliarden Franken belaufen soll, einzudämmen. Drei Schlafkliniken gibt es alleine in Luzern.

Pflegerin Claudia Michel verkabelt Autor Haehl in der Hofklinik Luzern. (Bild: hae)

In Zeiten der Selbstoptimierung helfen viele Menschen auch in der Nacht nach: mit Tabletten. Denn Stress, Sorgen und die Handys am Bett halten immer mehr Zeitgenossen wach, und da kommen neue Schlaf-Gadgets wie gerufen: Sie versprechen Hoffnung und sind ein weiteres Milliardengeschäft. Der weltweite Marktforscher Global Market Insights rechnet vor, dass bis in fünf Jahren fast 30 Milliarden Franken für technische Schlafhilfen ausgegeben werden. In dieser Rechnung ist die neue Apple Watch gar nicht mal dabei, diese misst bei vielen auch heute schon die wichtigsten Parameter. Beim Schweizer Online-Händler Digitec-Galaxus hat sich der Umsatz von Schlaf-Gadgets im letzten Jahr bereits vervierfacht. 

Bereits Jugendliche in Schlafkliniken

Nicht nur Erwachsene schlafen schlecht, auch Heranwachsende wälzen sich nachts unruhig. Und fürsorgliche Eltern schicken selbst ihre Jugendlichen in Schlafkliniken. 

Neuerdings auch in die Luzerner Hofklinik: Das Team der Fachspezialisten betreibt Untersuchungen in den drei in der Schlafmedizin wichtigen Facharztrichtungen (Neurologie, Psychiatrie und Pneumologie). Die Hofklinik bietet nebst Spezialsprechstunden und Tagestests auch ein Schlaflabor an. 

«Viele gehen trotz Schlafstörungen nicht zum Arzt, weil sie noch nicht wissen, dass man diese behandeln kann.»

Karin Blättler, Geschäftsführerin der Hofklinik Luzern

Karin Blättler, Geschäftsführerin der Hofklinik Luzern, sagt: «Viele gehen trotz Schlafstörungen nicht zum Arzt, weil sie noch nicht wissen, dass man diese behandeln kann.» Im ersten Jahr hat das Team der Hofklinik etwas mehr als 400 Patienten behandelt, immer mehr davon sind Frauen. Die jüngste Patientin war 16 und der älteste Patient 94 Jahre alt. 

Wie also lässt sich messen und analysieren, wenn jemand schlecht schläft? So läuft es in der Luzerner Hofklinik: eine Nacht, eine Kamera, 24 Elektroden sowie gleich viele Kabel und Schläuche, die alles aufzeichnen, was die Schlafmediziner zu einer Analyse führen soll. Zu einer Analyse, wie sie mir Heidy Lorena González am Tag nach der von der Krankenkasse übernommenen Untersuchung macht. Die Medizinerin aus Guatemala sagt ernst: «Sie haben mittlere Schlafstörungen.» Die leitende Ärztin und Schlafspezialistin zeigt mir Säulendiagramme, bei denen schnell ersichtlich wird: Ein normaler Schläfer hat bis zwei Uhr in der Früh die Tiefschlafphasen, dann folgen die nicht ganz so tiefen Traumphasen. 

DAs Luzerner Hofklinik-Team mit von links: Karin Blättler, Claudia Michel und Heidy Lorena González. (Bild: zvg)

Doch: Wer will schon träumen, wenn das Leben manchmal schon ein schlechter Traum ist? Wie aus einem Alptraum erwacht man dann tatsächlich, wenn man sich im Video schnarchen und wälzen sieht. Und dann erst die Details, die machen einen nach einer strengen verkabelten Nacht schnell wach. Heidy Lorena González erklärt mir: «37-mal erwachten Sie im Durchschnitt pro Stunde, das ist ein sehr unruhiger Schlaf.» Zudem attestiert die Ärztin mir Knirscher auch leichte Atemstörungen. 

Sie betrachtet meinen Kiefer, der ihr etwas gar klein und nach hinten versetzt scheint. Doch die Ärztin und Schlafspezialistin hat schon Ideen zur Verbesserung meiner Situation: Allein drei verschiedene Gadgets könnten Abhilfe schaffen. Nicht alle werden allerdings von der Krankenkasse getragen. Da gibt es eine Schiene, die die Kiefer nach vorne bringt und etwa 900 Franken kostet, dann die operative Unterkiefer-Verlängerung mit Metalleinsätzen, dafür benötige ich aber eine Fachabklärung beim Kieferchirurgen. Oder die Velomount-Spange, dazu gebe es aber leider noch zu wenig Studien, die helfe gegen Schnarchen, kostet 580 Franken und der Kunde erhält offenbar die Hälfte von der Krankenkasse zurück. 

Zungen-Schrittmacher

Überdies gibt es noch ganz neu einen Zungen-Schrittmacher, der bei Verengung hilft. Dieser wird als Draht unter der Haut bis unter die Zunge geführt. Aber dazu muss man die Maske oder Spange probiert und erfolglos abgesetzt haben. 

Alles vorab ziemlich verunsichernd, und ich verlasse die Hofklinik nicht nur wegen der unbequemen Nacht gerädert. Will mir da die Medizin etwas einreden? Ist das eine Notwendigkeit? Oder nur Auswuchs einer überzüchteten Medizin, die nach dem Gewinnprinzip funktioniert?

Gute Nachtruhe: Autor Haehl vor dem Zubettgehen. (Bild: hae)

Ich hätte in der Region die Möglichkeit, eine Zweitmeinung einzuholen. Doch das will ich erst einmal überschlafen. Zwei weitere Schlaflabors gibt es allein in der Stadt Luzern: das eine im Luzerner Kantonsspital (LUKS), das auch ambulante Untersuchungen zu Hause anbietet. Die Klinik für Schlafmedizin (KSM) an der Lützelmattstrasse ist ein Tochterunternehmen der RehaClinic-Gruppe, an der die Hirslanden Klinik St. Anna beteiligt ist.

Doch so schlimm ist es dann doch nicht. Und man schläft schon wieder ein bisschen besser. Unweigerlich stellt sich mir ganz nebenbei aber die Frage: Bin ich bereit, wie ein Monster zu schlafen? Und ist meine Partnerin bereit, mich bei diesem Anblick doch nicht zu verlassen?

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Josef
    Josef, 12.06.2020, 19:18 Uhr

    Die Hofklinik ist top. Sehr motiviertes Personal. Bin sehr gut aufgehoben. Meine Schlafapnoe haben wir in den Griff bekommen.

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