Wie Start-ups Luft zu Geld machen

Alpenbrise aus der Dose für smoggeplagte Chinesen

Die drei Jungunternehmer von der Chamer Firma Pure Swiss Air vor dem Jungfraujoch.

(Bild: Montage zentralplus)

Wofür ist die Schweiz bekannt? Schokoladen, Banken und – gute Luft. Deswegen kann man die auch verkaufen, wie es das Chamer Start-up Pure Swiss Air tut. Ein anderes Jungunternehmen – Swissbreeze – führt sogar Luft aus Luzern im Sortiment.

Wässerchen mit Heilwirkungen zu verkaufen, ist ein Jahrtausende altes Geschäft – Luft zu verticken, ist hingegen ein neueres Phänomen – aber eins, das Schule macht. An der Fussballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland füllten findige Unternehmer Luft aus dem Westfalenstadion in Dortmund ab und verkauften sie.

Ein Kanadier verkaufte vor einigen Jahren Luft in Plastiksäcken über Ebay – erst aus Jux, bis er merkte, dass es einem grossen Kundenbedürfnis entsprach. Dann begann er die Luft aus dem Banff National Park nach China zu exportieren. In den smoggeplagten Grossstädten findet die «vitality air» reissenden Absatz. Im Reich der Mitte ist dies längst schon ein grosses Geschäft.

Der Startschuss fiel im Pub

Diese Geschichten hat auch Moritz Krähenmann gehört, der die Idee vor etwa einem Jahr im Pub mit Kollegen besprach und sich sagte: «Wenn die kanadische Luft auf eine so grosse Nachfrage stösst, dann werden Kunden auch an Schweizer Luft interessiert sein.» Seither hat der Schwyzer an einem Netzwerk gebaut, Kontakt zur Chinesischen Handelskammer gesucht und in Peking eine Mitarbeiterin angeheuert, die in China Marktforschung betreibt und Krähenmanns Schweizer Luft in den sozialen Medien bekannt macht.

Sieht aus wie aus einer Tourismusbroschüre: Übersicht über die Abfüllstationen von Swissbreeze.

Übersicht über die Abfüllstationen von Swissbreeze.

(Bild: screenshot)

Seine Firma, die Swissbreeze GmbH, ist im Internet und in den sozialen Medien aktiv. Dort wird auch die Schweizer Dosenluft in Flaschen angeboten – abgefüllt wahlweise in Davos, an den Churfirsten oder in Luzern «mitten von schneebedeckten Bergen am Vierwaldstättersee».

Von der Dosenluft zum Luftverbesserer

«Das sind nur Beispiele», sagt Krähenmann, «da wir den Markt noch am Erschliessen sind.» Der Onlineshop gehe bald in Betrieb, ausserdem suche man noch nach Souvenirshops – an Orten wie dem Titlis –, welche die lokale Luft an Touristen verkauften. Die Betreiber von solchen Stores vertrauten hauptsächlich auf die traditionellen Souvenirs und seien meist nicht einfach von etwas Neuem zu überzeugen, sagt er, «dabei ist es ein cooles, neues Gadget für die Touristen».

Es ist ein cooles, neues Gadget für die Touristen.»

Moritz Krähenmann, Swissbreeze

In einem zweiten Schritt wolle man Händler und Verkaufspunkte in China suchen, wo die Schweizer Luft als Luxusprodukt erhältlich ist. Und Krähenmann denkt schon weiter: Es sei absolut denkbar, das Sortiment in Zukunft zu erweitern, beispielsweise mit einem Luftverbesserer made in Switzerland.

Sonderzug vom Jungfraujoch

Bereits im Business ist die Firma Swiss Pure Air aus Cham. Das Start-up wurde von Studenten gegründet, die ihre Firma kürzlich von einer GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt haben.

Swiss Pure Air verkauft Jungfrauluft. Die Verantwortlichen der Firma reisten jeweils mit grossen Sauerstoffflaschen zum Jungfraujoch, sagt Patrizia Bickel, die Sprecherin der Jungfraubahnen. «Die an den Flaschen befestigten Schläuche werden von einem Zimmer auf dem Jungfraujoch aus dem Fenster gehängt, dabei wird die Aussenluft angesaugt, in den Flaschen komprimiert und verschlossen.» Danach würden die Sauerstoffflaschen mit einem Sonderzug ins Tal und zur Fabrik der Firma gebracht, wo die Fläschchen produziert werden. Die fertigen Dosen finden sich auf dem Jungfraujoch. «In unseren Top of Europe Shops verkaufen wir die Luft an unsere Gäste», sagt Bickel.

Auf dem Dach der Schweiz ist die Luft am reinsten

Jungfrauluft als Souvenir zu verkaufen, sei die ursprüngliche Geschäftsidee gewesen, sagt Valeria Bianchi von Swiss Pure Air. «Doch dann erhielten wir über unseren Onlineshop immer mehr Bestellungen nach China oder Indien und fingen an, nachzuforschen.» So seien sie auf die tatsächliche Nachfrage nach sauberer Luft aufmerksam geworden.

Auf dem Jungfraujoch befinde sich eine Wetterstation, welche die Überwachung der Luftqualität möglich mache. «Ein Grund, dass wir uns für diesen Standort entschieden haben», sagt Valeria Bianchi. Die Luft dort oben sei ausserordentlich klar.

15 Franken für eine Literdose

Tatsächlich wirbt Pure Swiss Air damit, dass die Feinstaubbelastung ihrer Luft eine der niedrigsten weltweit sei. Die Dose mit einem Inhalt von 1,2 Litern Jungfrauluft geht übrigens für 15 Franken über den Tresen und ist ein Luxusprodukt. Laut Webseite hat sie eine «belebende Wirkung auf Körper und Geist».

«Saubere Luft ist in vielen Ländern auf dem asiatischen Kontinent Mangelware.»

Valeria Bianchi, Pure Swiss Air

Saubere Luft sei keineswegs nur in China Mangelware, sondern auch in vielen anderen Ländern auf dem asiatischen Kontinent, sagt Bianchi. «New Delhi gilt als die am stärksten von Luftverschmutzung betroffene Stadt der Welt.»

Geschäftsreise in die Smogzone

Selbst kommt sie eben von einer Geschäftsreise aus China zurück, wo Pure Swiss Air vergangene Woche den Markteintritt lancierte. Für die Luftpuristen eine neue Erfahrung: «Schon in der ersten Woche war der Smog sehr stark», meint Valeria Bianchi. In Peking habe die Feinstaubbelastung 900 Mikrogramm pro Kubikmeter betragen.

Geschäftsreise in den Smog: Im Yu-Garten von Shanghai.

Geschäftsreise in den Smog: Im Yu-Garten von Shanghai.

(Bild: zvg)

Zum Vergleich: In der Schweiz liegt der erlaubte Tagesgrenzwert bei 50 Mikrogramm. Der höchste je gemessene Wert lag bei 226 Mikrogramm, gemessen im Februar 2006 in Lausanne. In Cham und Luzern gibt’s derzeit rund 11 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter – vom Jungfraujoch, wo die Pure Swiss Air herkommt, wird ein Mikrogramm gemeldet – also knapp über Null.

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